Die Eurozone hat ein Problem (II) – es heißt Deutschland
Die EZB verfehlt seit Jahren ihr Inflationsziel. Deshalb hat EZB-Chef Mario Draghi nun erneut eine Verlängerung der umstrittenen Nullzinsen und Anleihekäufe angekündigt. Doch damit wird das Problem nicht gelöst, warnt Frances Coppola.
Warum ist die Inflation in Euroland so niedrig? Und warum ist das ein Problem? Interessante Hintergründe liefert Frances Coppola in einer ausführlichen Analyse, sie steht hier. Besonders interessant ist das Fazit, dazu ein ausführliches Zitat:
This poses a considerable problem for the ECB. Instead of investment going into the domestic private sector, it is leaving the Eurozone, driven away by an over-tight fiscal stance in core countries and continuing debt-driven austerity in many periphery countries. The bloc really needs fiscal stimulus: to be fair, ECB politicians have been pretty explicit about the need for fiscal easing and government investment, especially in core countries. But all the indications are that fiscal policy will, if anything, tighten further. Germany has shown little interest in abandoning its prized “schwarze null” and reducing its enormous trade surplus. The “debt brake” beloved of German politicians is proliferating across the Eurozone. And Brussels is preparing to impose sanctions on Italy for breaking fiscal rules. Meanwhile, investors are already paying Germany to borrow for 10 years or more. Under these circumstances, more QE would be terrible policy. All it would do is reward Germany for the miserliness that is driving the Eurozone economy into the ground.
Zu gut deutsch: Die Fiskalpolitik im Zentrum der Eurozone – sprich Deutschland – ist immer noch zu straff. Außerdem wird die Nachfrage (und damit die Inflation) in Südeuropa immer noch durch eine verfehlte Austeritäts-Politik gedämpft.
Explizit kritisiert Coppola die Politik der “Schwarzen Null” in Deutschland und die angedrohten Sanktionen gegen Italien. Aber auch die EZB-Politik findet keine Gnade: Noch mehr “Quantitative Easing” würde nur Deutschland für seine verfehlte Fiskalpolitik belohnen – aber an der Misere der Eurozone nichts ändern…
Siehe auch “Trotz guter Zahlen: die Eurozone hat ein Problem” und “Große Angst vor Mini-Bots”
ben
8. Juni 2019 @ 08:31
https://de.statista.com/infografik/18200/entwicklung-der-haushaltseinkommen-in-deutschland/
So viel zur staatlichen Umverteilung. Unter Betrachtung der Inflation haben bis auf die oben stehenden alle verloren. Immer wieder erstaunlich, mit welchen Scheuklappen man durch die Gegend laufen kann…
Alexander
7. Juni 2019 @ 22:51
Wie schrieb doch die Financial Times?
„The wacky economics of Germany’s parallel universe“
https://www.ft.com/content/e257ed96-6b2c-11e4-be68-00144feabdc0
Die in Deutschland für diese Finanz- und Wirtschaftspolitik politisch Verantwortlichen sind unfassbar inkompetent und von einer grotesken Borniertheit. Ich gehe fest davon aus, dass diese Leute auch noch nachdem sie durch ihre Politik die Eurozone (und damit wohl auch die EU) zerstört haben werden, genau erklären können, weshalb andere EU-Länder die Schuld für die entstandenen großen Verwerfungen tragen!
Man kann mit einem Land wie Deutschland einfach keine Währungsunion machen. Und Italien könnte bald die richtigen Konsequenzen ziehen.
Peter Nemschak
8. Juni 2019 @ 08:39
Man könnte es auch umdrehen: mit Italien kann man keine Währungsunion machen. Dass Italien heute wirtschaftlich schlecht dasteht, ist das Ergebnis jahrzehntelanger politischer Misswirtschaft.
Holly01
8. Juni 2019 @ 09:36
Herr Nemschak,
der deutschen Wirtschaft geht es gut weil:
– die sich Kunden im Ausland gesucht haben
– die durch diese merkantilistische Wirtschaft Zinsvorteile haben
– Verluste sozialisiert wurden
– öffentliches Eigentum enteignet wurde, oh sry man hat privatisiert
– die deutsche Infrastruktur vernachlässigt wurde und verfallen ist
– man mit der DDR Zerschlagung einen satten Schub bekommen hat
– mit der Agenda wurden weite Teile der Bevölkerung enteignet (Löhne, Renten Sozialtransfer)
– mit dem prekären Arbeiten ein Sklavenmarkt geschaffen wurde
– mit der Pflege und dem “Gesundheitswesen” Bereiche monetarisiert und Gewinnstreben unterworfen wurden
– der Transport wurde mit “ISO” und “just in time” auf die Straße gezwungen
– der ÖPNV wurde ruiniert, den Bahnanteil daran weitgehend zerstört
…….
Das ist alles bekannt. Ich finde es abstossend wenn Sie hier von einem nachahmenswerten deutschen Modell schreiben. Davon andere Länder hätten versagt, weil die ihre Gesellschaften nicht zerstört haben.
Aber ich habe einen Trost. Die Gewinne der 2% stecken im Dollar fest. Das Geld ist weg.
Und wenn es hier mal so richtig gekracht hat, dann holen wir uns unser gesellschaftliches Eigentum auch wieder zurück….. bis dahin muss man eben solchen Sonntagsrednern die Stirn bieten, nicht das hier jemand denkt, wir rechnen nicht mit….
vlg
Holly01
8. Juni 2019 @ 09:05
Die erwarten das Deutschland wie eine Rakete aufsteigen wird, sobald man den Ballast dieser unfähigen Staaten erst abgeworfen hat.
Das einzige bescheidene an diesen Menschen ist ihr Intellekt….
vlg
FDominicus
7. Juni 2019 @ 16:27
Oh genau was uns fehlt; noch mehr Staatsausgaben und noch mehr Schulden. Das hilft bestimmt gegen Schulden.
Lassen wir dazu mal Erhard zu Wort kommen:
“Einmal wird der Tag kommen, da der Bürger erfahren muss, dass er die Schulden zu bezahlen habe, die der Staat macht und uns zum “Wohle des Volkes” deklariert.
Ludwig Erhard, deutscher Politiker
In der Tag der Zahltag kommt, früher oder später dank der irren EZB und EU-Fiskalpolitik dauert es nicht mehr gar so lange.
Amelia57
8. Juni 2019 @ 08:52
Lieber Herr Nemschak,
wenn Sie sich mal die Mühe machen würden, eine Schule zu besuchen, würden Sie feststellen, dass die Schulen a) generell verrotten und b) die Ausstattung der Schulen mit Computern: träumen Sie weiter. Bei der Schule meiner Nachbarn ist die Ausstattung so katastrophal und nicht funktionabel, dass die Schüler ihre eigenen Laptops mit in die Schule bringen müssen (und im übrigen oft mehr Ahnung von deren Funktionsweise haben als die Lehrer).
Peter Nemschak
8. Juni 2019 @ 12:09
Deshalb bin auch sehr dafür in die Schulen zu investieren, nicht nur in die Ausstattung sondern insbesondere in die Qualität der Lehrer. Sie haben mich missverstanden. Bei begrenzten Staatsbudgets sind die gesellschaftlichen Gruppen gezwungen Verteilungskonflikte demokratisch auszuhandeln statt mit neuen Schulden eine heile Welt, die es nicht gibt, vorzutäuschen. Ohne Schuldenbremse steigt die Versuchung unproduktive Investitionen zu verschleiern. Öffentliche Investitionen in Bildung sind zur Zukunftssicherung unabdingbar. Fehlen sie in ausreichendem Maß, bekommen wir eine Situation wie in den USA mit hoher struktureller Arbeitslosigkeit im minderqualifizierten Sektor.
Peter Nemschak
7. Juni 2019 @ 12:47
Italien ist das beste Beispiel dafür, dass eine Schuldenbremse Sinn macht. Hätte die jetzige und alle ihre Vorgängerregierungen bis in die 1980-iger Jahre Staatsschulden produktiv investiert statt ihre verschiedenen Klientele finanziell zu verwöhnen, würde Italien heute anders dastehen. Der Sinn einer Schuldenbremse besteht darin, den Begehrlichkeiten der verschiedenen sozialen Gruppen Grenzen zu setzen. Sollte die Konjunkturabschwächung sich verstärken, wäre es an der Zeit öffentliche Investitionen zu forcieren, auch um den Preis den öffentlichen Konsum real nicht steigen zu lassen. Das hört sich natürlich nicht gut in roten Ohren an, macht aber ökonomisch und gesellschaftspolitisch langfristig Sinn. Jede Gesellschaft hat nur begrenzte Mittel und muss Prioritäten setzen. Jeder erfahrene Finanzminister wird ihnen bestätigen, dass die Ansprüche an das Staatsbudget die Möglichkeiten es zu finanzieren weit übersteigen. Das gilt übrigens auch auf Unternehmensebene. Sobald Budgets verfügbar sind, werden sie auch ausgegeben, ob sinnvoll oder nicht.
Holly01
7. Juni 2019 @ 16:29
Der Sinn der Schuldenbremsen besteht darin, abzusichern, das die sozialisierten Verluste wirksam und die privatisierten Gewinne unangetastet bleiben.
Die 2% bekommen den Hals nicht voll.
“wäre es an der Zeit öffentliche Investitionen zu forcieren, auch um den Preis den öffentlichen Konsum real nicht steigen zu lassen”
Wie erfrischend, ein Hauch Ehrlichkeit?
Öffentliche Investitionen? PPP?
Soll der Staat wie bei Toll Collect investieren, damit die Industrie die Gewinne dann abgreift und die Allgemeinheit die Kosten trägt?
Wie bei “Leerrohren” die der Staat doch bitte schön verlegen soll?
Wie beim BER, wo man die Haftungen verjähren lässt oder wie bei S21, wo man den Immobilienhaien zuspielt?
Wie bei der Kernkraft wo die Gesellschaft die Forschung, den KKW Bau und die Entsorgung bezahlt hat und bezahlen wird, während sich die Industrie mit dem Gewinn bringen Betrieb herumquälen musste?
Ich weiss wirklich nicht, wie lange wir uns die 2% noch leisten können …
vlg
Peter Nemschak
7. Juni 2019 @ 21:48
Wenn der Staat digitale Lehrmittel den Schulen zur Verfügung stellt oder die digitale Infrastruktur ausbauen lässt, ist das verwerflich? Bei diesen Vorhaben werden die ausführenden Unternehmen (hoffentlich) Gewinne machen. Wenn sie es nicht tun, werden sie bald pleite sein. Mit marktwirtschaftlichen Mechanismen scheinen Sie auf Kriegsfuß zu stehen.
Holly01
8. Juni 2019 @ 09:00
Sie sagen wirtschaften, aber sie meinen umverteilen in Form von subventionieren.
Wer eine Leistung zu erbringen bereit ist (und optimaler Weise auch in eine Situation kommt dies zu tun, nicht wie beim Arbeitsmarkt, wo wir 12 Mio Menschen nicht mit ausreichender Arbeit versorgen können), dann soll das auch ein angemessenes Leben ermöglichen.
Angemessen bedeutet in diesem Fall (es geht ja um Firmen), sie betreiben ein Gewinn orientiertes Geschäft. Die Gesellschaft hat Interesse an Funktionen, nicht an betrieblichen Gewinnen.
Da ist dann einmal der schlanke Staat wie Sie ihn ja so sehr lieben. Der Staat mästet nicht die Viecher, damit die shareholder sie dann zu ihrem Gewinn fusionieren und zerschlagen, verschulden und übernehmen.
Genau darum war die Post mal ein umfassendes staatliches Unternehmen. Das hat funktioniert und die Werte haben der Gesellschaft gehört.
Darum war das Gesundheitswesen einmal ein teurer, aber zumindest human orientierter Bereich und nicht ein Krankheiten verwaltender statt heilender Gewinnbetrieb.
Darum waren Gerichtsvollzieher früher Beamte, weil es eine Hoheitsaufgabe war.
Und darum gab es früher keine Ausdrucke mit dem Vermerk “Dieses Schreiben ist ungültig, weil es nicht unterschrieben ist und den einfachsten Anforderungen für ein Dokument nicht genügt”
DAS müsste doch in Ihrem Sinne sein.
Ich meine die Deutschen würden sich genauso den Zahlungen entziehen wie die Italiener. Wenn Sie eine Chance hätten.
Die Reichen kassieren nur, die zahlen nicht. Die Konzerne kassieren nur, die zahlen erst recht nicht ein.
Wenn wir uns schon selbst helfen müssen, dann ohne das uns dieses Pack noch zusätzlich die Taschen leert.
vlg
Holly01
7. Juni 2019 @ 12:25
Kleiner OT sidestep:
http://norberthaering.de/de/27-german/news/1148-bverwg-beschluss
Sehr lesenswert und wer das nächste mal beim Finanzamt steht und bar bezahlen möchte, kann über die Abwehrversuche lässig lachen ….
Nur Bares ist wahres”
Was kann man über Geld sagen.
Geld sind Euronoten und Münzen, mehr gibt es nicht zu sagen.
Der Rest ist Bankwesen ….
vlg
Holly01
7. Juni 2019 @ 12:02
Deutschland, die EZB und wie es aussieht auch die EU als ganzes verfolgen die freifache Null.
Null (Netto) Kreditausweitung
Null (Netto) Lohnanstieg
Null Inflation
Daraus resultiert nach Adam dem Riesen Null Wachstum bzw. nach Abschreibung eine Depression.
Das kann man durch Verschiebungen natürlich kaschieren.
Man macht Gewinne im ausland (Exportüberschuss), das bedingt Kapitalexport, also Zinsgewinne und gleichzeitig verschiebt man die Parameter zu Gunsten der shareholder (Steuernachlässe und Verdrängung der Löhne mit einem Niedriglohnsektor).
Aber wer würde schon so etwas tun? ……..
vlg
Peter Nemschak
7. Juni 2019 @ 12:51
Im Unterschied zu den USA, wo die Einkommensverteilung tatsächlich in den letzten Jahrzehnten markant ungleicher geworden ist, gilt das nicht für Deutschland, wo die staatliche Umverteilung funktioniert hat. Es wird immer Gruppen geben, die tatsächlich benachteiligt sind oder sich benachteiligt fühlen.