Trotz guter Zahlen : Die Eurozone hat ein Problem
Auf den ersten Blick haben die beiden Zahlen nichts miteinander zu tun: Die Arbeitslosigkeit im Euro-Raum ist auf den tiefsten Stand seit 2008 gefallen. Gleichzeitig geht die Inflationsrate zurück. Was bedeutet das?
Zunächst einmal sind das gute Nachrichten. Trotz der schwächelnden Konjunktur hält die Entspannung am Arbeitsmarkt an. Die offiziell registrierte Arbeitslosigkeit fällt auf den Stand vor der Finanz- und Eurokrise. Die Inflation ist kein Thema.
Allerdings ist die Inflationsrate zuletzt ziemlich kräftig gefallen – von 1,7 Prozent im April auf 1,2 im Mai. Das deutet dann doch auf nachlassendes Wachstum hin, zudem sind die Energiepreise gesunken.
EZB-Chef Mario Draghi kann sich also nicht entspannt zurücklehnen und die Geldpolitik normalisieren, also die Zinsen erhöhen. Nein, er verfehlt weiter das Inflationsziel von 2 Prozent und muß gegensteuern.
Nur diesem Gegensteuern – z.B. mit den unbeliebten Anleihekäufen und Nullzinsen – ist es auch zu verdanken, dass sich die Wirtschaft nach der Eurokrise gefangen hat und die Arbeitslosigkeit wieder auf Vorkrisen-Niveau sinkt.
Anders gesagt: EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker kann sich über die neuen, guten Zahlen vom Arbeitsmarkt nur deshalb freuen, weil Draghi seinen Job gemacht hat, aber die von der EU vorgegebenen Ziele verfehlt (übrigens seit Jahren).
Die Zielvorgaben sind überholt
Das zeigt erneut, dass etwas nicht stimmt in der Währungsunion. Die Zielvorgaben sind überholt – nicht nur bei der Inflation, sondern auch beim Defizit. Die EZB konnte ihren Auftrag nur erfüllen, indem sie sich über die Ziele hinwegsetzte.
Das sollte eine Warnung an alle sein, die jetzt Buba-Chef Jens Weidmann zum Draghi-Nachfolger machen wollen. Denn von Weidmann wäre keine so umsichtige Geldpolitik zu erwarten, er gilt als Falke…
Siehe auch “Ist Weber schon abgeschrieben?”
Peter Nemschak
5. Juni 2019 @ 22:48
@ebo Wäre das so schlimm? Konflikt ist besser als Wischi-waschi Konsens. Er treibt die gesellschaftliche Entwicklung voran.
Holly01
6. Juni 2019 @ 12:27
Mit einander kontrovers zu streiten, erzeugt nur dann einen Fortschritt, wenn beide Seiten sich AUSTAUSCHEN.
Das bedeutet, man muss sich zuhören, aufeinander eingehen (antworten) und (oh Graus) dazu fähig sein abzuwägen welche Seite gerade inhaltlich vorne liegt, damit man diesen Diskussionsfaden weiter verfolgen kann.
Wir haben aber einen Monolog der Systemträger mit ihren Medien, der Meinungsaustausch findet so statt, das das System die Meinung der Masse austauscht ohne sich selbst in irgend einer Form anzupassen.
Das bringt keinerlei Fortschritt, das bedeutet Radikalisierung auf allen Seiten und Ebenen.
Kurzer Rundblick .. läuft.
vlg
Peter Nemschak
5. Juni 2019 @ 17:39
Nach 74 Jahren ist es wohl zu spät dafür, auch wenn manche gerne davon profitieren würden. Irgendwann muss Schluss sein. Wenige in der EU haben Interesse der populistischen Regierung in Italien das Geld nachzuwerfen. Man darf nicht vergessen, dass der Marshallplan allen zur Verfügung stand. Nur haben nicht alle daraus etwas für sich gemacht. Die Anzahl der italienischen Regierungen seit dem Zweiten Weltkrieg beträgt über 70. Falsch verstandene Solidarität verdirbt die politische Moral.
Peter Nemschak
5. Juni 2019 @ 13:37
@ebo lehnt Deutschland derzeit ab. Das kann sich ändern. Derzeit hat Deutschland keinen Grund es zu ändern. Was bekommt Deutschland als Gegenleistung?
ebo
5. Juni 2019 @ 13:58
Weniger Schulden, die erlaubten 60 Prozent werden ja übernommen!
Peter Nemschak
5. Juni 2019 @ 16:24
Weniger Schulden am Papier machen noch keine gesellschaftliche Verhaltensänderung in Südeuropa. Außerdem haben die meisten Mitgliedsländer kein Interesse die Populistenkoalition in Italien zu stützen
ebo
5. Juni 2019 @ 19:38
Na dann sollen sie sie halt stürzen, wie einst Berlusconi. Und dann? Haben wir eine neue Demokratie- und Eurokrise. Vielleicht wird es ja die letzte, denn Italien ist zu groß, um gestützt zu werden…
Holly01
5. Juni 2019 @ 17:07
Vielleicht kann Schland die Schuldenregelung mit den Reparationen verbinden, die nun langsam aber stetig auf den Schirm kommen.
“Keine Staatshaftung” und “kein Friedensvertrag = keine Reparationen” könten zu einer umfassenden Isolation des Exportweltmeisters führen.
vlg
Holly01
5. Juni 2019 @ 11:46
Ok, ich wiederhole es:
EINE Währung bedeutet EIN Zins und es bedeutet EINE Inflation.
Das zu erreichen ist auch ganz ganz einfach:
Eine Schuldenagentur bei der EZB. Die emittiert Schuldtitel in Euro. Keine nationale Bindung, also auch kein spread.
Die Einführung wäre ebenfalls extrem einfach.
Die EZB kauft schlicht und ergreifend alle Schulden der Euroländer auf.
Das bedeutet: KEINE VERSCHULDUNG IN FREMDWÄHRUNG.
Dann werden die Schuldtitel ohne nationale Bindung wieder ausgegeben, als EZB Bonds.
DAS ist nämlich eine GEMEINSAME Währung. SO funktioniert das.
Nicht mit Ratings und Zinsunterschieden.
Und wenn das umgesetzt ist dann reden wir vielleicht einmal über Geld und seine gesellschaftliche Funktion.
So Fragen wie:
– warum erzeugen Banken das Geld und haben dadurch die Erstverwertung
Geld entsteht aus dem NICHTS, da vorher nichts und dann ist da ein Rechtsanspruch gegen einen Schuldner. Der Schuldner hat NICHTS bekommen aber Sicherheiten hinterlegt.
Warum unterliegt die Geldschöpfung der Gewinnerwartung?
Warum bestimmen Banken wer Geld bekommt.
Warum findet keine gesellschaftliche Bedarfsprüfung statt?
Wieso haben wir 1000 Mrd. Subventionen die sich an Wirtschaftszweige richten, dei Renditen an shareholder ausschütten?
Wieso ist Geldschöpfung kein Schulthema?
Wieso ist Eigentumsrecht kein Schulthema?
Etwa 90% der Leute die vom Euro schreiben oder über Geld schwadronieren haben nicht einmal die Basics verstanden.
Das ist ausschliesslich Meinungsmache in eigener oder populistischer Sache.
Wieder ein Mal :
– Bundesbank Gesetze (wer ist die Bundesbank überhaupt, spannend) und was tut die
– Monatsbericht der Bundesbank vom April 2017 (da steht eine Menge drin)
Laßt Euch nicht veralbern.
DAS GELDWESEN IST PERFEKT.
Die Handhabung ist nur Schei**e.
vlg
zykliker
5. Juni 2019 @ 13:05
“Für die Italiener ist der Euro die „Hölle“.” für die anderen Südländer auch! es ist die Einheitswährung selbst – politisch gut gemeint – die deren Wirtschaft zerstört durch wegbrechende Konkurrenzfähigkeit, da helfen auch keine Eurobonds o.ä.
Ohne die Möglichkeit zur “äußeren Abwertung” werden diese Länder über zunehmende Verschuldung – wie auch immer die organisiert sein mag – zu Kostgängern der dominanten Nordländer. Sie können nicht genug aus eigener Leistung leben, sondern müssen sich von den “deutschen Geldsäcken” Darlehen erbetteln, und das hält keine Gemeinschaft auf die Länge aus.
“Der (deutsche) Euro nutzt nur den shareholdern, der Rest der Gesellschaft(en) muss permanent a(n)bschreiben.” genauso isses, aber man muß die richtigen Schlüsse ziehen: ursprünglich vielleicht als Disziplinierungsmittel gedacht, stranguliert er die einen und mästet die anderen.
Zum Geldsystem nur so viel: Die obszöne Spreizung bei Einkommen und Vermögen ist das Ergebnis von “Machtmißbrauch” an den Gütermärkten, denn dort werden die großen Erträge gescheffelt. Erst daraus resultiert die Geldschöpfung, weil:
– sie so organisiert ist wie sie ist
– die Erträge der Realwirtschaft in Geld (Schulden anderer) entstehen und nicht mehr vollständig sinnvoll in die Realwirtschaft zurückfliessen können.
Das vagabundierende Geld ist das Resultat neoliberalen Wirtschaftens, nicht seine Ursache.
Baer
5. Juni 2019 @ 10:24
Der gesamte € Quark ist eine Totgeburt und wird auch nicht durch noch soviel Manipulation
besser.Ohne auf- bzw. abwerten zu können ,wird eine dermaßen heterogene Struktur der Euroländer nicht überleben.
Politische Projekte überleben selten,und ein ökonomisches Projekt war der € nie.
Rezessionen künstlich wegretuschieren und Zombieunternehmen am Leben zu erhalten wir sich später um so deutlicher rächen.
Ohne natürliche und gesunde Regulierung des Marktes entsteht immer mehr Druck im Kessel,der sich dann um so heftiger entladen wird.
Das weiß jeder, aber es wird weitergehen wie bisher,bis zur bitteren Neige.
Die Politik macht nun mal keine Fehler, sondern reagiert nur auf geänderte Parameter,
Allerdings auf von ihr selbst veränderte.
Holly01
5. Juni 2019 @ 12:06
“Allerdings auf von ihr selbst veränderte.”
– Der Staat erlässt Steuern (Firmen, Kapitaleignern, Großverdienern) oder leistet sich Beitragsbemessungsgrenzen (bis dahin zahlt man Sozialabgaben, danach eben nicht mehr).
– Der Staat stellt fest er ist unterfinanziert (oh ach, was eine Überraschung)
– Der Staat sorgt für Steuerschlupflöcher, verfolgt Steuerhinterziehung nicht, stellt ausländische Konzerne steuerfrei, besteuert Erben nicht, zahlt sogenannten Champion die komplette Forschung und Hochschulbildung und stellt fest “oh, das Loch in den Einnahmen ist aber groß”
– Dann werden die staatlichen Kosten gesenkt. Der Proporz richtet sich nach der Lobbyarbeit, Arme haben kein Lobby. Den Rest holt man rein, indem man alles verfallen läßt.
Dann feiern die Idioten eine schwarze Null und schreiben die ins Grundgesetz.
Die Presse merkt das nicht. Die gehört ja den Gewinnern, da kann man schon mal weg schauen.
Die Menschen denen das nicht gefällt, nennt man Populisten.
Dann verdreht man alles so lange bis es irgendwie stimmt.
Man muss nur die Definition von Arbeitslosigkeit noch weiter anpassen.
JEDE/R die bei der Arge Termine wahrnehmen geht einer Beschäftigung nach.
BÄMM: VOLLBESCHÄFTIGUNG….
Ja, ne, ist klar ….. merkt ja auch keiner.
Armut hat Kinder, ist überwiegend weiblich und ganz überwiegend aus Elternhäusern mit so genannten einfachen Verhältnissen.
“Die sollen doch heiraten, dann legen die sich nur für einen Mann hin und haben auch ein Auskommen”
Manchmal frage ich mich ja, wo die Inhalte der 70er und 80er geblieben sind.
Hat jemand noch einen Grünen im Tiefkühl, der für Frieden und ausgeglichene Gesellschaft ist. Könnte sein wir brauchen die wieder.
Sonst wird das ziemlich radikal hier in Schland……
vlg
Peter Nemschak
5. Juni 2019 @ 09:02
Um den Südländern einen größeren Verschuldungsspielraum zu ermöglichen, wären die Staatsschulden eines jeden EU-Mitgliedslandes zu teilen: solche die von sämtlichen Mitgliedsstaaten garantiert und im Insolvenzfall Vorrang besitzen (Sockel) und solche, für die das betreffende Mitgliedsland alleine haftet. Der Markt würde übertriebener Schuldenfreudigkeit, wie derzeit vor allem in Italien zu sehen, über die Höhe des Zinssatzes (Risikoprämie) eine natürliche Grenze ziehen. Die EU darf sich nicht von Ländern wie Italien erpressen lassen. Italien ist ein reiches Land und kann sich Reformen leisten, beginnend mit der Auflösung mafioser Strukturen, die vom Süden bis in den Norden reichen. Solidarität am falschen Platz ist kontraproduktiv.
ebo
5. Juni 2019 @ 10:21
Dieses Konzept, das in Brüssel unter dem Titel Blue Bonds firmiert, lehnt Deutschland strikt ab.
zykliker
4. Juni 2019 @ 16:35
Gute Zahlen? Wenn hunderttausende von ihrer Vollzeit-Arbeit – also nicht in der AL-Statistik – nicht leben können. Weitere hunderttausende mittels “statistischer Tricks” in der AL-Statistik gar nicht mehr auftauchen (Alter/Krankheit/Schulungen/Resignation…).
Ob die an Fälschungen der Realität grenzenden Statistik-Manipulationen so schlimm sind wie in USA – dort sollen ca 100 Mio Menschen als “not in labour force” aus der AL-Statistik gestrichen sein
http://www.shadowstats.com/alternate_data/unemployment-charts
– wage ich nicht zu beurteilen. Aber ein “Wahrheitsministerium,” das solches nötig hat, ist nicht mehr für die Menschen da. Ähnlich die Inflationsstatistiken:
http://www.shadowstats.com/alternate_data/inflation-charts
Europa mag da nicht so krass vorgehen, aber unsere “gefühlte” Inflation dürfte trotzdem näher an der Realität sein als uns von interessierter Seite eingeredet wird.
Nun hat das Ganze auch noch eine Dimension, die für die Menschen erträglich zu gestalten jeder Politik schwer fällt: “Industrie 4.0,” also der Ersatz menschlicher Arbeit durch Maschinen.
Zustimmung zur kritischen Sicht auf Weidmann. Den wird die deutsche Seite sich teuer abhandeln lassen, und er würde auch nicht froh werden in seinem Job als EZB-Präsident bei den Stimmverhältnissen im EZB-Rat. Axel Weber wußte schon, warum er auf den Posten verzichtete, der andere war aber vermutlich auch deutlich besser dotiert.
“Dass etwas nicht stimmt in der Währungsunion,” habe ich schon mal ausgeführt:
Der € ist für die Nordländer zu schwach und begünstigt dadurch deren Exportindustrie in eine ungesunde Scheinblüte hinein. Für die Südländer ist er zu stark, und das zerstört deren Wirtschaft durch verloren gehende Wettbewerbsfähigkeit. Schon allein dadurch müssen sich die Südländer stärker verschulden, um den Infarkt der Gesellschaft/Infrastruktur/Bildungs-/Sozialsysteme… zu vermeiden. Das traurige Beispiel Griechenland zeigt, daß es dabei auch um nicht wenige Menschenleben geht.
Eine orthodoxe Notenbank-Politik a la Weidmann (man denke auch an Brüning) würde das alles nur noch verschlimmern und das €-System und mit ihm die ganze EU endgültig zerstören; dann bekommt Mutti endlich Recht: “Scheitert der €; dann ……”
Man mag die defacto Staatsfinanzierung durch die Notenbanken weltweit falsch, weil im Vergleich zu früher “unerhört” finden. Wer diese Praxis aber verbieten will, lebt in einer untergegangenen Welt.
Wer den neoliberalen BIP-Verteilungsschlüssel und damit die Massenarmut in Ordnung findet, gleichzeitig Steuervermeidung im großen Stil begünstigt, muß dem Staat für die Erfüllung seiner Aufgaben einen irgendwie gearteten Ersatz bieten, also Schulden zu Null-/Negativ-Zinsen, oder er muß gleich sagen, er will eine Art “Bananenrepublik,” in der der Einzelne weniger wert ist, als seine “Entsorgung” kostet.