Die CDU verliert die Nerven – Neue „Pause“ im Defizitstreit?

Was passiert, wenn die CDU in Europa mal nicht ihren Willen bekommt? Dann verliert sie ganz schnell die Nerven, wie der hitzige Streit um Spitzenkandidat Manfred Weber – den Mann ohne Mehrheit – zeigt.

„Die CDU steht weiter hinter Manfred Weber“, sagte CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer nach dem gescheiterten EU-Gipfel der vergangenen Woche. Sie appellierte an Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron, seinen Widerstand gegen Weber aufzugeben.

Dann, so versprach AKK, könne man auch über EU-weite Wahllisten reden. Dabei hatten CDU und CSU solche Listen schon lange vor der Europawahl blockiert. Die CDU-Chefin bietet Macron also etwas an, das sie selbst verhindert hat – glaubwürdig geht anders.

Auf Angriff unter der Gürtellinie schaltete der Chef der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament, Daniel Caspary. Macron scheine im Moment „leider auch antideutsch unterwegs zu sein“, sagte er nach Angaben des „Spiegel“ vor einem CDU-Treffen am Montag in Berlin.

„Ich sehe keine deutsch-französische Achse“, wird Caspary zitiert. „Sondern ich sehe einen revisionistischen Herrn Macron, der alles tut, die europäische Demokratie zu zerstören“.

Einen derartigen Sprachgebrauch („antideutsch“, „Demokratie-Zerstörer“) war man von der CDU bisher nicht gewöhnt, allenfalls aus der CSU. Offenbar sind Caspary & Co. die Nerven durchgegangen.

Mit ihren gezielten Attacken auf Macron vergiften die Christdemokraten das Klima zwischen Deutschland und Frankreich. Dabei hat Kanzlerin Angela Merkel klargestellt, dass sie den Personalstreit nicht ohne oder gar gegen Macron lösen will!

Außerdem ist der französische Staatschef mit seiner Meinung nicht allein. Auch Spaniens Ministerpräsident Pedro Sanchez und neun weitere Staats- und Regierungschefs lehnen Weber strikt ab. Die lautstarken Appelle aus Berlin dürften sie kaum umstimmen.

Auch im Europaparlament machen sie wenig Eindruck. Denn dort weiß man sehr wohl zwischen europäischer Demokratie und deutscher Dominanz zu unterscheiden.

Die Deutschen könnten nicht mehr alles bestimmen, heißt es in Straßburg, die Europawahl habe die Karten neu gemischt. Merkel hat dabei offenbar eine Lusche gezogen…

Siehe auch „Machtpoker in der EU: Spanien wird wichtig“

Watchlist

  • Zieht die EU-Kommission im Budgetstreit mit Italien erneut den Schwanz ein? Am Dienstag will sie über das weitere Vorgehen entscheiden. Nach einem Pressebericht will die Brüsseler Behörde nun doch kein Defizitverfahren einleiten, wie sie kürzlich angekündigt hatte, sondern eine „Pause“ einlegen. Offenbar hat man erkannt, dass ein Verfahren die Regierung in Rom sprengen und Matteo Salvini an die Macht bringen könnte… – Siehe auch „Italien: So wirken die EU-Vorgaben (nicht)“
  • Einigt sich das Europaparlament doch noch? Das soll ein Treffen der Fraktionschefs am Dienstag zeigen. Es geht um die Spitzenkandidaten und um einen Koalitionsvertrag, der den nächsten EU-Kommissionschef binden soll. Doch eine Einigung zeichnet sich nicht ab. Konservative, Sozialdemokraten und Liberale blockieren sich gegenseitig. Und die Grünen? Die wollen auf jeden Fall dabei sein – und werben mehr denn je für Weber! – Siehe auch „Webers letzte Chance“

Was fehlt

  • Die neue Schlappe Polens vor dem EU-Gericht. Die Zwangspensionierung oberster Richter verstößt nach einem Urteil vom Montag gegen EU-Recht. Sie sei durch kein legitimes Ziel gerechtfertigt und beeinträchtige den Grundsatz der richterlichen Unabsetzbarkeit, befanden die Luxemburger Richter. Praktische Auswirkungen hat das Urteil nicht – die Regierung hat die Zwangsverrentungen schon rückgängig gemacht
  • Eine Reaktion der EU auf die Massenproteste in Tschechien. Obwohl schon von einem „Prager Sommer“ die Rede ist und die Demonstranten über die Zweckentfremdung von EU-Geldern klagen, schweigt Brüssel zu den Rücktrittsforderungen gegen Regierungschef Andrej Babis. Irgendwie passt das alles nicht zusammen…