Die Ära Merkel ist vorbei, Scholz will mehr EUropa wagen – und Leyen droht Russland
Was bleibt von der Europapolitik der vergangenen Woche? Die Ära Merkel ist zuende, Deutschland hat eine neue Regierung. Die EU-Kommission droht Russland. Und die USA übergehen Brüssel in der Sicherheitspolitik.
Das war eine historische Woche. Angela Merkel hat das Kanzleramt geräumt, die Ära Merkel ist zuende. Für die EU war es eine – so die offizielle Lesart – “gute” Zeit der Krisen und Chancen, die sich aus den Krisen ergaben. Für Deutschland war es die Periode, in der es endgültig zur Vormacht in EUropa aufgestiegen ist.
Nun soll das “deutsche Europa” (U. Beck) einem europäischen Deutschland weichen. Die neue Bundesregierung gelobt, bei allen Entscheidungen immer auch an ihre EU-Partner zu denken. Fast könnte man meinen, die Ampel regiere für alle EUropäer mit.
Baerbock hat ihre Pläne geändert
In der Praxis kann das nicht funktionieren. Es gibt keine Interessen-Identität zwischen Berlin, Brüssel und Lissabon, um nur ein Beispiel zu nennen. Doch immerhin bemühen sich Kanzlerin Scholz und Außenministerin Baerbock um Harmonie.
Baerbock hat sogar ihre Pläne geändert. Statt zum Antrittsbesuch nach Brüssel zu fliegen, wie ursprünglich geplant, stattet sie auch Paris und Warschau einen Besuch ab. Scholz hält es genauso – und lässt dabei gleich erkennen, wer hier den Ton angibt.
In Brüssel gibt er sogar eine Pressekonferenz mit Kommissionschefin von der Leyen. Man kennt sich, man achtet sich, das wird deutlich. Aber die Beziehung wird wohl nie so eng werden wie mit Merkel. Die “Merkeleyen” sind schon legendär.
Scholz ist diplomatischer
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Von der Leyen nutzt ihren Auftritt für wilde Drohungen in Richtung Russland. “Wir erwarten, dass Russland deeskaliert und jegliche Aggression gegenüber seinen Nachbarn unterlässt”, sagt sie zum Ukraine-Konflikt.
“Andernfalls ist die EU bereit, nicht nur die bestehenden Sanktionen zu verschärfen, sondern auch neue spürbare Maßnahmen zu ergreifen, in anderen Feldern von Wirtschaft bis Finanzen”. Sogar den Zugang zum Finanzsystem will sie abklemmen.
Scholz ist viel vorsichtiger und diplomatischer. Er hat sich schon mit Frankreichs Präsident Macron abgesprochen: Im Vordergrund steht für beide, die Spannungen rund um die Ukraine abzubauen und die EU wieder ins Spiel zu holen.
Das ist auch dringend nötig. Denn die USA übergehen EUropa in der Sicherheitspolitik, wie schon der Videogipfel mit Kremlchef Putin gezeigt hat. Es geht um Krieg und Frieden, doch kein Europäer ist dabei.
Biden setzt auf ein “Nato-Quintett”
US-Präsident Joe Biden will sich seine Partner für die Neuordnung der europäischen Sicherheitsarchitektur selbst aussuchen. Über das Schicksal Europas soll ein „Nato-Quintett“ entscheiden, nicht die EU.
Nur mit Deutschland, Frankreich, Italien und Großbritannien will Biden zusammenarbeiten, der Rest soll draußen bleiben. Nicht einmal die EU-Kommission und ihre ergebene Chefin will Biden einbinden.
Dabei hat von der Leyen doch so viel transatlantische Treue bewiesen. Sie hat nicht nur ihre Sanktionsdrohung mit Biden abgesprochen, sondern auch brav zum Skandal-Urteil gegen Assange geschwiegen.
Doch es hilft alles nichts: Die EU muß sich neu sortieren, wenn sie nicht an den Rand gedrängt werden will…
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