Deutschland führt nicht mehr
Wohin treibt EUropa? Beim Brexit tut sich nichts, die Euro-Reform wurde vertagt, der Gipfel von Bratislava war ein Flop. Klar ist nur eins: Deutschland führt nicht mehr. Es bremst nur noch.
[dropcap]V[/dropcap]or einem Jahr war es in aller Munde, das deutsche Europa. Kanzlerin Merkel hatte Griechenland den Willen von Finanzminister Schäuble aufgezwungen und die Dublin-Verordnung außer Kraft gesetzt.
Ganz Europa sah staunend und fassungslos zu, wie Merkel die Flüchtlingspolitik in die eigene Hand nahm. Heute schaut ganz Europa bestürzt zu, wie Merkel unter den Folgen ihres Alleingangs leidet.
Nicht nur der atemberaubende Aufstieg der AfD markiert den Verfall ihrer Macht. Europapolitisch noch wichtiger war der Brexit – denn Merkel stützte ihre Europapolitik zuletzt vor allem auf London.
Seit dem „No“ aus der Downing Street versucht die Kanzlerin nur noch, den Status quo zu retten und die Südländer in Schach zu halten. Aber sie führt nicht mehr, sie kann nicht mehr führen.
Der Gipfel von Bratislava hat dies überdeutlich gezeigt. Von Merkel kam, obwohl sie vorher durch halb Europa getourt war, kein Plan, keine Strategie, kein Ziel. Sie steht sich selbst im Weg.
Italiens Renzi spottete über die „nette Bootsfahrt“, die außer schönen Worten zur Sicherheit nichts gebracht habe. Nicht mal ein neues Führungs-Trio zeichnet sich ab; nur Frankreichs Hollande hält Merkel noch die Stange.
Müssen wir uns deshalb Sorgen machen? Im Prinzip nein, denn Deutschland sollte Europa ja ohnehin nie führen, schon gar nicht allein. Die Initiative sollte bei der EU-Kommission in Brüssel liegen.
Doch da liegt das nächste Problem. Von Juncker und seinem Team kommt auch nichts mehr, niemand nimmt die Kommission ernst. Brüssel ist irrelevant geworden – nicht zuletzt, weil Berlin das so wollte.
Die Legitimation ist futsch
Ob Griechenland, Flüchtlingskrise oder Türkei-Deal: Merkel hat alles allein gemacht und die EU-Kommission immer mehr an den Rand gedrängt. Die sollte nur noch das Ergebnis legitimieren.
Doch nun schwindet die Legitimation gleichzeitig in Brüssel und Berlin. Merkels Trick, ihre eigene Agenda als europäische auszugeben, fällt auf beide zurück: Auf Deutschland und die EU.
Man könnte es einen Teufelskreis nennen…
Dies ist der Auftakt einer neuen Serie über Aufstieg und Fall des deutschen Europa. Mehr nächste Woche!
Argonautiker
27. September 2016 @ 09:04
@Hella Maria Schier
Ich denke Sie meinten mich und nicht Peter Nemschak
Sozialistisches Hackebeil, weil Merkel eben den Großkonzernen dient. Ich tue mich damit auch schwer, aber das was daraus entsteht, ist eine Art Marktsozialismus. Kein Staatssozialismus wie in der DDR, wo der Staat bestimmt, wie der Einzelne dem System dient, sondern wo der Markt der Großkonzerne bestimmt was gut und richtig ist. Hört sich erst mal widersprüchlich an, es ist aber das, auf was da meines Erachtens gerade hingearbeitet wird.
Das Einführen eines „too big to fail“, also das Verweigern, daß auch Großkonzerne pleite gehen können, hat mit der Lehman Krise eingesetzt. Hätte man da nicht Fünfe gerade sein lassen, und die mittels Steuergeldern gerettet, dann hätte die Lehman Pleite eine Kettenreaktion ausgelöst und das komplette Wirtschaftssystem wäre zusammengebrochen, und damit auch alle Staaten.
Dies hat dazu geführt, daß alle Großkonzerne weiter fusionieren was das Zeug hält, bis sie den Status eines „too big to fail“ einnehmen. Damit haben sie dann faktisch den Status, den früher der Staat im Sozialismus hatte.
Dadurch können die Großkonzerne jeden Fehler machen den sie wollen, und der Einzelne muß dafür aufkommen, und genau das findet gerade statt. Eine Verschmelzung von Staat und Großkonzernen. Der Staat wird immer mehr eine Firma, und die Großkonzerne erhalten Rechte wie ein Staat.
Und der Ausdruck sozialistisches Hackebeil deshalb, weil das in den USA schon wesentlich weiter fortgeschritten ist, und Merkel nun auch hier ihr Hackebeil schwingt, um alles gewachsene zu zerstören, was Kulturen hervorgebracht haben, darunter eben auch abgegrenzte Länder, um es im Neuen, möglichst globalen Marktsozialismus, aufgehen zu lassen, in dem dann der Einzelne nur noch dann etwas zählt, wenn er den Großkonzernen dient, und ein Mensch dann nicht mehr werden kann, zu was er in sich angelegt ist, sondern das werden muß, was gut für den wachsenden Markt der Großkonzerne ist. Marktsozialismus eben. Die Großkonzerne haben immer recht, was in TTIP und all den aufkommenden sogenannten Freihandelsabkommen, auf der ganzen Welt verankert werden soll.
Falls Sie das Buch von Aldous Huxley „Schöne neue Welt“ noch nicht kennen, sei das an dieser Stelle mal empfohlen. Wurde vor dem 2,Weltkrieg geschrieben und beschreibt eine Welt, wie sie einmal werden könnte, so sich diese Art Marktsozialismus durchsetzt. Ich hatte es vor 30 Jahren gelesen und fand es äußerst zutreffend und erschreckend, wo das hinführen könnte. Lese es gerade jetzt zum zweiten mal und entdecke viel Neues. Vorallendingen entdecke ich, mit was für großen Schritten wir uns darauf zubewegen.
Sie haben natürlich Recht, die Großkonzerne sind aus dem Grenzenlosen Kapitalismus entstanden. Sie haben die Freiheit des freien Marktes dazu benutzt um so groß zu werden, daß sie so eine Dominanz entfalten können, daß sie nun für uns gedenken einen Marktsozialismus einzuführen, der uns auf’s schrecklichste versklaven würde, während er ihnen die absolute Freiheit bescheren würde da sie die Regeln bestimmen können, so grotesk diese auch wären. So kann sich der Staat gerade mittels der Negativverzinsung durchs Schulden machen entschulden. Grotesk, vollkommen kriminell, aber durch den Staat legalisiert. Schöne neue Welt halt.
Hella-Maria Schier
26. September 2016 @ 02:53
@Peter Nemschak
Für Sie fällt offenkundig alles Negative unter die Rubrik „Sozialismus“. Selbst Merkels überaus kapitalfreundliche Politik. Wie sich in der Unterstützung von TTIP und CETA, Machtinstrumente der Konzerne, ausgerechnet ein „sozialistisches Hackebeil“ manifestieren soll, ist wohl Ihr Geheimnis.
so what
24. September 2016 @ 23:42
dankbar habe ich alles Für und Wider gelesen. Parallel geht mir der Syrien-Krieg, die westlichen Werte, der gebrochene Waffenstillstand mit entsprechenden Fotos und Kommentaren in den Sinn. Die Eu der Merkel kann auch alleine wegen der politischen Haltung zu Kriegen in westlicher Allianz – und diese nehmen überhand in der eu – iemals wieder ein Friedensprojekt sein. Mit Merkel zieht diese eu in jeden Krieg, welche man von dieser als schwaches Weib – mit Macht ausstaffiert – bietet. Sie verkauft einen Krieg lispelnd als westlichen Wert.
GB: das wird Merkel billig für Wirtschaft regeln.
Deutsche Bank wird Merkel zur Chefsache erklären.
Flüchtlinge : Merkel meint, Mensch zu sein, wenn diese Menschen innerhalb der eu per ERlass verteilen kann.
Die Ost-Pomeranze, macht große Politik…und die eu wirft diese als Bewährungstest mal kurz über den Haufen. Alle haben das Ossi-Experiment zu bestehen….jaul…
Peter Nemschak
24. September 2016 @ 12:14
ebo Flüchtling und Einwanderer zu trennen wird umso schwieriger je länger ein Krieg oder Bürgerkrieg dauert.
Argonautiker
24. September 2016 @ 00:17
@Peter Nemschak
Zur Alternative zur Alternativlosigkeit:
Merkel hätte sich nie zur Speerspitze Europas gegen den Osten machen lassen dürfen, sondern hätte Eigenständigkeit erwirken sollen. Eigenständigkeit erlangt man aber indem man sich nicht einseitig abhängig von Washington macht, sondern indem man eine Europäische eigene Verteidigung aufbaut, und mit eigenem Standpunkt wirtschaftlich mit allen in Kontakt tritt und dadurch einen eigenen Standpunkt bekommt, und dadurch in der Lage gewesen wäre, diplomatisch zwischen Ost und West vermitteln zu können. Dann hätte es gar keine Flüchtlinge geben brauchen, die es ja nur deshalb gibt, weil Washington ihr gescheitertes Modell auf alle Anderen übertragen will, und das nur über Rußland geht, sodaß es dies zerstören muß, und Europa vorgeschoben hat.
All das hat Merkel nicht gemacht, sondern sie wollte sich an das militärisch starke Washington binden, hat deren Willen ausgeführt, und nun ist es durch die gegenseitige Sanktionspolitik, die die USA ja selbst nie mitgemacht haben, und die sie ohne Washington im Rücken zu wähnen, nie hätte ausüben können, so destabilisiert und isoliert, daß Europa wankt. Zusätzlich wird es seit neuestem seitens Washingtons immer dann, wenn es nicht pariert, wirtschaftlich via VW, Deutsche Bank, Bayer, angegriffen.
Ich würde mal sagen, doch, da ist Merkel die treibende Kraft gewesen, und es sieht so aus, als wäre das kein Irrtum ihrerseits gewesen, sondern als wolle sie Europa weiter in einer Globalisierung unter Anführerschaft Amerikanischer Großkonzerne und der Hochfinanz aufgehen lassen, denn anders ist das Festhalten an TTIP und Konsorten nicht zu verstehen, die Handelsrecht über Nationales Recht stellen, und Menschenrechte gleich vollkommen im Unerreichbaren verschwinden.
Mit den durch Sanktion und Waffenlieferung erzeugten Flüchtlingen, und deren Aufnahme, versucht man das Gewachsene Europa nun noch mehr zu zerstören. Man könnte sagen, man macht Hackfleisch aus Europa, und Merkel führt das sozialistische Hackebeil, um es dann mit dem Gehackten der USA besser vermischen zu können.
S.B.
23. September 2016 @ 16:54
„Seit dem “No” aus der Downing Street versucht die Kanzlerin nur noch, den Status quo zu retten und die Südländer in Schach zu halten. Aber sie führt nicht mehr, sie kann nicht mehr führen.“
Merkel hat noch nie geführt. Dazu ist sie absolut unfähig. Das Einzige, was sie bisher gemacht hat, ist aktionistisch auf (selbstgemachte) Krisen zu reagieren. In allen Fällen (Energie“wende“, Euro“rettung“, „Flüchtlings“krise) ging das heftig daneben. Merkel ist ein Totalausfall sondergleichen. Sie hat Deutschland deafcto aufgelöst (deshalb nur noch „Schland“). Ein aufgelöstes Land kann natürlich auch nicht mehr führen. Da beißt sich die Katze in den Schwanz.
Peter Nemschak
23. September 2016 @ 16:06
@ebo Nicht heute sondern schon lange vor damals hätte die EU legale Einwanderungsmöglichkeiten schaffen können. Sie hat es verabsäumt. Sie haben immer argumentiert, dass eine Grenzschließung aus geografischen Gründen in Griechenland nicht möglich wäre. Die Geografie hat sich im Unterschied zu Ihrer Meinung nicht geändert. Hätte Merkel einen Stau der Flüchtlinge am Balkan zugelassen, wäre eine ohnedies politisch labile Region weiter destabilisiert worden. Dass die EU seit zumindest 20 Jahren keine sinnvolle Einwanderungspolitik geschafft hat, können Sie nur zum Teil Merkel anlasten. Die solidarische Aufteilung der Flüchtlinge (nicht Wirtschaftsmigranten!) ist nicht an Deutschland gescheitert. Selbst die sich so human gebärdende Grande Nation hat aus kleinlicher Furcht vor dem FN ausgelassen.
ebo
23. September 2016 @ 16:21
@Nemschak Sie können Länder mit kolonialer Vergangenheit und zahlreichen Einwanderern wie UK, Frankreich oder Belgien nicht mit Deutschland oder Österreich vergleichen. Merkel ist durchaus schuldig, denn sie wurde seit Jahren von Hollande, Renzi, Barroso etc. bedrängt, etwas für die Migrationskrise in Südeuropa zu tun. Derzeit wird sie von der SPD bedrängt, ein Einwanderungsgesetz zu schaffen. Stattdessen will sie Flüchtlinge nach Griechenland zurückschicken! Sie macht in weiten Teilen schon die Politik der AfD, nachdem sie letztes Jahr kurzzeitig die Anarchie eingeführt hatte.
Peter Nemschak
23. September 2016 @ 17:36
Auf einige hunderttausend Einwanderer im Zuge der Umverteilung käme es bei den traditionellen Einwanderungsländern wohl nicht an. Sie könnten das aus ihren schlechten Integrationserfahrungen Gelernte auf die heutige Flüchtlingssituation anwenden. Solidarität mit Flüchtlingen kommt für niemanden schmerzfrei. Islamistischer Terror ist, wie wir gesehen haben, nicht auf die ehemaligen Kolonialländer beschränkt. Jedenfalls hat die Summe der bisherigen Maßnahmen, u.a. das umstrittene Abkommen mit der Türkei, zu einer Reduktion des Flüchtlingsstroms beigetragen. Dass die EU den Bürgerkrieg in Syrien den Russen und Amerikanern militärisch und politisch überlassen hat, rächt sich jetzt. Dieses Versäumnis kann man nicht Merkel anlasten sondern jenen politischen Kräften in Deutschland, die aus falsch verstandenem und verlogenem Pazifismus eine offensivere Außenpolitik unter Hinweis auf die deutsche Geschichte bisher abgelehnt und sich lieber in ihr Wohlstandsschneckenhaus zurückgezogen haben. Mit dem schrittweisen Rückzug der USA aus unserer Region wird ein Umdenken unumgänglich werden.
Skyjumper
24. September 2016 @ 00:37
@ ebo
Nichts gegen Ihre Meinung. Nichts gegen Ihre Schuldzuweisungen. Nichts gegen Ihre Analyse, ABER:
Sie wäre sinnvoll, wenn Sie die Flüchtlingsproblematik (egal ob nun nach Grundgesetz oder Wiener Konvention) einerseits, und die Einwanderungsproblematik andererseits etwas differenzierter Beurteilen würden und nicht in einem Satz zusammenkleistern.
Gerade diese tagtägliche Nichtunterscheidung erschwert es nämlich den Flüchtlingen auf die Akzeptanz zu stossen die ihnen eigentlich zustehen würde. Und sinnvoll wäre auch wenn alle die sich zu dem Thema äussern, insbesondere die Medien, sich auf die tatsächlichen Grundlagen dessen stützen würden was im Grundgesetz und/oder den Wiener Konventionen dazu als Kriterien festgesetzt ist. Das würde die Flüchtlingsproblematik nämlich weitgehend entschärfen. Zumindest wenn sich die Staaten bei der Handhabung dann auch noch daran halten würden was Rechtsgrundlage ist.
Das Thema Einwanderung, und ein dafür etwaig sinnvolles Einwanderungsgesetz, ist dagegen ein ganz anderes. Da geht es nicht um Humanität, sondern um Demographie und Wirtschaftspolitik.
Ich will nicht abstreiten dass es zwischen Einwanderern und Flüchtlingen auch eine gemeinsame Schnittmenge an Personen gibt, aber unterm Strich hat ein Flüchtling humanitäre RECHTE, und die sollte man nicht ständig mit wirtschaftlichen und/oder politischen INTERESSEN vermengen. Sonst muss man sich nicht wundern wenn Steine und Brandsätze fliegen. Die eigentlichen Brandstifter sind nach meiner Auffassung nämlich nicht die Dumpfbacken die tatsächlich die Brände legen. Die wahren Brandstifter sind diejenigen die aus Wirtschaftsinteressen und/oder aus unrechtmässiger Ausweitung der bestehenden Rechtsgrundlagen Einwanderer unter dem Flüchtlingsettikett in das Land schleusen.
Und die Leidtragenden dabei sind leider weder die einen, noch die anderen, sondern die tatsächlichen Flüchtlinge die so dem Spießrutenlauf ausgesetzt werden.
Wer aus wirtschaftspolitischen Interessen, oder aus Gründen der Demographie, den Bedarf von Einwanderern nach Deutschland sieht, der sollte das politisch und gesellschaftlich zum Thema machen, den Konsens suchen und ggf. mittels eines geeigneten Einwanderungsgesetzes eine entsprechende Rechtsgrundlage schaffen.
Wer aus humanitären Gründen der Meinung ist, dass das Grundgesetz und die Wiener Konvention nicht ausreichend für die Beurteilung des Flüchtlingsstatus sind, weil sie nur ein zu kleines Feld an anerkannten Fluchtgründen beinhalten (es sind viel weniger als die meisten zu wissen glauben), der sollte das politisch und gesellschaftlich zum Thema machen, den Konsens suchen und ggf. mittels einer Änderung des Grundgesetzes oder über ein nationales Flüchtlingsgesetz eine entsprechende Rechtsgrundlage schaffen.
ebo
24. September 2016 @ 10:36
@Skyjumper Es sind doch Merkel und die Regierungsparten/medien, die Flüchtlinge und Einwanderer permanent vermischen. Berlin fordert nun sogar, dass sich die Flüchtlinge integrieren sollen, am besten gleich auf dem Arbeitsmarkt. Auf den Gedanken, dass sie nach Ende der Kriege in Syrien, Afghanistan, Sudan etc. zurück in ihre Heimat gehen könnten, kommt niemand.
Claus
23. September 2016 @ 18:32
@Peter Nemschak: „Dass die EU seit zumindest 20 Jahren keine sinnvolle Einwanderungspolitik geschafft hat, können Sie nur zum Teil Merkel anlasten.“ (???)
Hier meine Leseempfehlung: „Manche unserer Gegner können es sich nicht verkneifen, uns in der Zuwanderungsdiskussion in die rechtsextreme Ecke zu rücken, nur weil wir im Zusammenhang mit der Zuwanderung auf die Gefahr von Parallelgesellschaften aufmerksam machen. Das ist der Gipfel der Verlogenheit und eine solche Scheinheiligkeit wird vor den Menschen wie ein Kartenhaus zusammenbrechen. Deshalb werden wir auch weiter eine geregelte Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung fordern.“
Wer hat’s gesagt? Gauland? Oder gar Höcke? Das hätte für mindestens 10 öffentlich-rechtliche Talkshow-Tribunale gereicht. Vorgetragen hat dies aber Frau Merkel auf dem 17. CDU-Parteitag im Jahr 2003. Bis 2015 hätten sinnvolle Zuwanderungs-Regelungen national oder EU-weit längst stehen wie auch durchgesetzt werden können, falls politisch gewollt.
Peter Nemschak
24. September 2016 @ 08:35
Proaktive Politik ist in demokratischen Systemen eher die Ausnahme als die Regel, weil sie kurzfristig bei den nächsten Wahlen nicht honoriert wird. Mit schnellen (Schein)lösungen von realen Problemen lassen sich leichter Stimmen einfangen. Am leichtesten funktioniert es, wenn man den Unzufriedenen eine Stimme gibt und ihnen das Blaue vom Himmel verspricht – eine Methode, die sich seit der Antike, wahrscheinlich schon seit es Menschen gibt, stets bewährt hat. Wenn man lügt und damit Erfolg haben will, darf man nicht halbherzig lügen. Trump ist das jüngste Beispiel dafür.
Argonautiker
23. September 2016 @ 16:03
Da sprechen Sie das Problem des durch ein Mehrheitsprinzip entstehendes Parteiensystem an. Eine Alternative wird nicht erst dann zur Alternative, wenn sie eine Mehrheit darstellt, und eine Dummheit bleibt auch dann eine Dummheit wenn es viele machen.
Eine Mehrheit ist durchaus in der Lage falsch zu liegen und eine Minderheit könnte die Alternative darstellen.
Das ist ja auch geschehen, denn anfänglich sind in der Politik ja nahezu alle im Gleichschritt in das Desaster mitmarschiert, erst als die Klatsche durch den Brexit und die AfD ausgeteilt wurde, hat man sich von Merkel distanziert.
Politiker wie z.B. Frau Wagenknecht, die beständig dagegen gehalten hat, wird aber auch jetzt nicht zum Zuge kommen, denn mit ihrem populistischen Wankelmut steht Merkel in der Politik nicht alleine. Man wird die Inhalte übernehmen und so tun, als hätte eine Frau Wagenknecht das nie gesagt.
Es werden nicht die weiter machen, die von Anfang an recht hatten, sondern die, die unrecht hatten. Es wird halt wohl diesmal nicht bei einem Bauernopfer bleiben können, sondern die Königin wird geopfert, es sei denn, es entstehen in Kürze so große Unruhen im Land, daß der Ausnahme- oder Kriegszustand ausgerufen wird, und Merkel den Erdogan macht. So ganz abwegig ist das nämlich nicht.
kaush
23. September 2016 @ 14:57
Merkel und Führen ist doch ein Widerspruch in sich.
Merkel hat nie geführt, sie hat ausgeführt. Und zwar das, was ihr transatlantische Netzwerke vorgegeben haben.
Argonautiker
23. September 2016 @ 14:13
Alternativlosigkeit spaltet, weil sie implementiert, daß es nur einen Weg gibt. Da es offensichtlich nicht nur einen Weg gab, erzeugt Alternativlosigkeit die Spaltung. Die Spaltung von denen, die an die Alternativlosigkeit geglaubt haben, und den Anderen die andere Wege nicht nur gesehen haben, sondern auch andere gehen wollten.
Da Merkels Alternativlosigkeit durch ein politisches „auf Linie bringen“ erzeugt wurde, was schon stark an Sozialismus erinnerte, fand die Spaltung zwischen Politik und Volk statt, mit dem Ergebnis des Aufkommens der AfD, wobei die AfD nun ihrerseits wieder die Politik spaltet. Ursprung dieses Desasters ist jedoch Merkels diktatorische Haltung.
Erzeugt man in einer auch Polar angelegten Welt eine Singulare, oppositionslose, auf Linie gebrachte Politik, zwingt das geradezu dazu einen Gegenpol wo anders als in der Politik hervorzurufen.
In einer polaren Welt gib es immer mindestens zwei Meinungen, und dann unterhält man sich, ob, und wenn ja, welchen Weg man gemeinsam geht. Merkel hat diese Diskussion nie geführt, sondern sie hat die Befehle aus Washington hier alternativlos umgesetzt, und damit hat sie Europa gespalten.
Europa hat heute weniger inneren Zusammenhalt, als es das vor der Gründung der EU hatte. Europa ist zwar durch wesentlich mehr Europäische Mechanismen durchzogen, aber inhaltlich ist es, weil es diese Mechanismen eher als Zwang empfunden hat, weiter auseinander gerückt.
Man muß allerdings auch dazu sagen, daß man schon ein menschlicher Idiot sein muß, wenn man gewachsene Demokratie gewohnte Staaten unter Ausschluß eines inhaltlichen Wachstumsprozess, mittels Zwangs Ehen zu einen versucht. Das kann nur im Sozialismus enden.
Die europäischen Staaten sind bis auf Verwerfungen durch Kriege durch seine Menschen gewachsene Staaten. Diese ohne einen Wachstumsprozesses in ein EU Konstrukt sperren zu wollen, ist einfach nur unfähig die Wirklichkeit zu erkennen.
Die EU ist so was wie ein Container bei Big Brother geworden. Ein Experiment, in das man nicht Zusammengewachsenes zusammenpfercht. Inszeniert durch die USA, die in der EU gerne ein Spiegelbild ihres eigenen mißlungenen Konstruktes erzeugen würden, mit dem Unterschied, daß die USA eben nie etwas anderes als ein Big Brother Container war, und Europa nicht.
Peter Nemschak
23. September 2016 @ 15:14
Im nachhinein lässt sich nicht mehr feststellen, wie die Alternative seinerzeit ausgesehen hätte und welche Mehrheit für welche Alternative zustande gekommen wäre. Auch bei Vorhandensein von Alternativen gibt es unterschiedliche Meinungen darüber, welche Alternative aus europäischer und aus deutscher Sicht vorzuziehen ist. Die beiden Sichtweisen müssen zudem nicht notwendigerweise deckungsgleich sein. Die AfD hat es vor dem Ausbruch der Flüchtlingskrise, bereits gegeben, wenn auch schwächer. Krisen jedweder Art führen stets zu einer Polarisierung der Gesellschaft und Stärkung der politischen Ränder auf Kosten der Mitte.
ebo
23. September 2016 @ 15:42
@Nrmschak Natürlich gibt und gab es Alternativen. Heute könnte die EU z.B. die Grenzen schließen, gleichzeitig aber legale und sichere Wege der Einwanderung schaffen. Merkel könnte auch ein Einwanderungsgesetz vorlegen, wie dies SPD, Grüne und Linke fordern, Teile der CDU auch. Vor einem Jahr hätte sie keine Selfies mit Flüchtlingen machen müssen, sie hätte die Aufnahme von Flüchtlingen aus Ungarn auch von vornherein kontigentieren können. Das Mindeste wäre aber gewesen, vor der Grenzöffnung die EU zu konsultieren und zu informieren. Im Alleingang Dublin auszusetzen und dies auch noch per Tweet mitteilen zu lassen (über das BAMF) war ein klarer Rechtsbruch. Dass die EU-Kommission dagegen nicht vorgegangen ist, zeigt, wie schwach sie schon damals war.
Claus
23. September 2016 @ 17:35
@ebo: „Das Mindeste wäre aber gewesen, vor der Grenzöffnung die EU zu konsultieren und zu informieren.“ (?) Bei den aus der Grenzöffnung resultierenden eklatanten Brüchen deutscher Bestimmungen, Verfahren und Gesetze bis hoch zum Grundgesetz hätte die Sache durch den Bundestag gehen müssen. Das wäre aus meiner Sicht wichtiger gewesen als eine Konsultation mit der EU.
Claus
23. September 2016 @ 13:14
Die aktuelle Merkel-Situation erinnert zunehmend an das Kindermärchen „Des Kaisers neue Kleider“ (Christian Andersen, 1837)
„Aus Furcht um ihre Stellung und ihren Ruf sprechen wider besseres Wissen niemand, nicht einmal die treuesten Minister der Kaiserin (Angela) die offensichtliche Wahrheit aus; vor die Entscheidung „Ansehen und Wohlstand oder Wahrheit“ gestellt, entscheidet man sich letzten Endes gegen die Wahrheit und für die materiellen und ökonomischen Vorteile“ (danke, WiKi)
Ihre „treuesten Minister“? Das komplette Merkel-Kabinett, schwindende Teile des EU-Politbüros und die 9-Minuten-Applaus-Klatschäffchen ihrer Delegiertenversammlungen.
Zunehmend scheint sich der Kleider-Trick zu offenbaren, die Absetzbewegungen „rette sich wer kann“ nehmen zu.
Peter Nemschak
23. September 2016 @ 11:03
Hinsichtlich des BREXIT kann man unterschiedlicher Meinung sein, was die Führung betrifft. Es geht sowohl May wie Merkel darum, die wirtschaftlichen Folgen dieses ökonomischen Unsinns für das UK und die EU so gering wie möglich zu halten. Es wäre für Europa wichtiger, dass der Süden seine mittlerweile sattsam bekannten Hausaufgaben macht statt ständig nach Umverteilung zu Lasten des Nordens, allen voran Deutschland, zu rufen. Der Süden hat ein gesellschaftliches (Mentalitäts-)problem, das er selber lösen muss. Das eigentliche Problem scheint aber zu sein, dass ständig in irgendwelchen Ländern der EU Wahlen bevorstehen, was eine sinnvolle Politik erschwert, heuer das Referendum in Italien, nächstes Jahr Wahlen in Deutschland und Frankreich. In Spanien geht seit einem Jahr nichts weiter. Dafür Merkel verantwortlich zu machen, ist doch wohl weit hergeholt. Eine erfolgreiche Führung eines Staatenverbunds wie die EU ist auf die Qualität der nationalen Führungen angewiesen. Diese im einzelnen kritisch unter die Lupe zu nehmen, wäre eine Aufgabe für jene Medien, die sich europapolitisch verantwortlich fühlen. Derzeit tragen die meisten Medien, insbesondere der Boulevard, aber nicht nur, zur Spaltung der Gesellschaft bei, die sie gleichzeitig anprangern. Weniger Meinungsmache, auch wenn sie sich besser als seriöse Information verkaufen mag, sondern mehr Austausch von Sachargumenten, pro und kontra, wäre angesagt. Das Thema „Roaminggebührenabschaffung“ würde sich, um ein Beispiel zu nennen, dafür anbieten.
Winston
24. September 2016 @ 22:40
Nicht die Korruption ist der Grund der Krise in Südeuropa, Frankreich und Finnland sondern die totale Makroökonomische Inkompetenz, Die Kosten/Nutzen Rechnung ist für diese Länder ist nicht positiv sondern tiefrot. Frankreich wählt 2017, die Franzosen haben die Wahl zwischen Le Pen (Euroaustritt) oder Juppè und wenn Juppè seine Wahlversprechen wahr macht wird Frankreich das erleben was Italien mit Monti erlebt hat u.a. ein Einbruch des BIP’s von 9%, dies wiederum ist die Hauptursache der aktuellen Bankenkrise in Italien. In Finnland findet zumindest eine Debatte über den Euro statt, wird aber von den Eliten massivst torpediert.
Die Hoffnung der Französischen und Italienischen Politiker auf eine Transferunion ist an Dämlichkeit kaum noch zu überbieten. 1° jede Partei Rot oder Schwarz die sowas in Deutschland durchsetzt unterschreibt damit ihr Todesurteil, 2° die AfD dürfte zur stärksten Politischen Macht aufsteigen, eine Partei die gerade die Französischen und Italienischen und im weitestem Sinne die Europäischen Euro Sympathisanten verabscheuen. Ohne Transferunion kann allerdings kein Währungsraum funktionieren.
„Conditio-sine-qua-non“ um die Euro-Krise zu beenden ist die Monetäre Souveränität und eine Souveräne Zentral Bank. Alles andere ist leeres Geschwätz.
Belgien hatte 2 Jahre lang keine Regierung, keiner nahm Notiz davon. Passiert sowas in Südeuropa ist das Geschrei gross. Die EU und vor allem die Euro-Zone sind zutiefst dysfunktional, das müsste mittlerweile auch beim letzten angekommen sein. Und natürlich ist Merkels dumme Austeritätspolitik zumindest indirekt für die Politische Krise in Spanien verantwortlich. Hauptverantwortlich ist die Regierung die Merkels Austeritätspolitik durchgeboxt hat. Dumm deshalb weil ein Gläubiger kein Interesse haben sollte an der Zerstörung seines Schuldners. Deutschland ist grösster Gläubiger Spaniens und Frankreichs und einer der grössten Gläubiger Italiens.
Bin gespannt wie lange die USA noch dieses Projekt unterstützen. Den die Einschläge des Euros sind mittlerweile auch ausserhalb Europas spürbar, vor allem in den USA. Der Konkurs eines der grössten Frachtunternehmen Weltweit sollte als Warnung verstanden werden. UK hat sich ja prophylaktisch schon mal vom Acker gemacht. Die Euro-Zone ist kein Wirtschaftlicher Zwerg und wenn die Euro-Zone alles auf den Export setzt wird das Globale Handelsgleichgewicht zwangsläufig unter Stress kommen.
Merkels Alternativlosigkeit ist der Tod der Demokratie. Gut sichtbar in Spanien, Griechenland und auch Frankreich, wo die „loi travail“ ohne Parlamentsvotum durchgeboxt wurde. Selbstverständlich wird eine Französische Agenda 2010 nicht funktionieren.