Deutschland führt nicht mehr
Wohin treibt EUropa? Beim Brexit tut sich nichts, die Euro-Reform wurde vertagt, der Gipfel von Bratislava war ein Flop. Klar ist nur eins: Deutschland führt nicht mehr. Es bremst nur noch.
[dropcap]V[/dropcap]or einem Jahr war es in aller Munde, das deutsche Europa. Kanzlerin Merkel hatte Griechenland den Willen von Finanzminister Schäuble aufgezwungen und die Dublin-Verordnung außer Kraft gesetzt.
Ganz Europa sah staunend und fassungslos zu, wie Merkel die Flüchtlingspolitik in die eigene Hand nahm. Heute schaut ganz Europa bestürzt zu, wie Merkel unter den Folgen ihres Alleingangs leidet.
Nicht nur der atemberaubende Aufstieg der AfD markiert den Verfall ihrer Macht. Europapolitisch noch wichtiger war der Brexit – denn Merkel stützte ihre Europapolitik zuletzt vor allem auf London.
Seit dem “No” aus der Downing Street versucht die Kanzlerin nur noch, den Status quo zu retten und die Südländer in Schach zu halten. Aber sie führt nicht mehr, sie kann nicht mehr führen.
Der Gipfel von Bratislava hat dies überdeutlich gezeigt. Von Merkel kam, obwohl sie vorher durch halb Europa getourt war, kein Plan, keine Strategie, kein Ziel. Sie steht sich selbst im Weg.
Italiens Renzi spottete über die “nette Bootsfahrt”, die außer schönen Worten zur Sicherheit nichts gebracht habe. Nicht mal ein neues Führungs-Trio zeichnet sich ab; nur Frankreichs Hollande hält Merkel noch die Stange.
Müssen wir uns deshalb Sorgen machen? Im Prinzip nein, denn Deutschland sollte Europa ja ohnehin nie führen, schon gar nicht allein. Die Initiative sollte bei der EU-Kommission in Brüssel liegen.
Doch da liegt das nächste Problem. Von Juncker und seinem Team kommt auch nichts mehr, niemand nimmt die Kommission ernst. Brüssel ist irrelevant geworden – nicht zuletzt, weil Berlin das so wollte.
Die Legitimation ist futsch
Ob Griechenland, Flüchtlingskrise oder Türkei-Deal: Merkel hat alles allein gemacht und die EU-Kommission immer mehr an den Rand gedrängt. Die sollte nur noch das Ergebnis legitimieren.
Doch nun schwindet die Legitimation gleichzeitig in Brüssel und Berlin. Merkels Trick, ihre eigene Agenda als europäische auszugeben, fällt auf beide zurück: Auf Deutschland und die EU.
Man könnte es einen Teufelskreis nennen…
Dies ist der Auftakt einer neuen Serie über Aufstieg und Fall des deutschen Europa. Mehr nächste Woche!
Argonautiker
27. September 2016 @ 09:04
@Hella Maria Schier
Ich denke Sie meinten mich und nicht Peter Nemschak
Sozialistisches Hackebeil, weil Merkel eben den Großkonzernen dient. Ich tue mich damit auch schwer, aber das was daraus entsteht, ist eine Art Marktsozialismus. Kein Staatssozialismus wie in der DDR, wo der Staat bestimmt, wie der Einzelne dem System dient, sondern wo der Markt der Großkonzerne bestimmt was gut und richtig ist. Hört sich erst mal widersprüchlich an, es ist aber das, auf was da meines Erachtens gerade hingearbeitet wird.
Das Einführen eines “too big to fail”, also das Verweigern, daß auch Großkonzerne pleite gehen können, hat mit der Lehman Krise eingesetzt. Hätte man da nicht Fünfe gerade sein lassen, und die mittels Steuergeldern gerettet, dann hätte die Lehman Pleite eine Kettenreaktion ausgelöst und das komplette Wirtschaftssystem wäre zusammengebrochen, und damit auch alle Staaten.
Dies hat dazu geführt, daß alle Großkonzerne weiter fusionieren was das Zeug hält, bis sie den Status eines “too big to fail” einnehmen. Damit haben sie dann faktisch den Status, den früher der Staat im Sozialismus hatte.
Dadurch können die Großkonzerne jeden Fehler machen den sie wollen, und der Einzelne muß dafür aufkommen, und genau das findet gerade statt. Eine Verschmelzung von Staat und Großkonzernen. Der Staat wird immer mehr eine Firma, und die Großkonzerne erhalten Rechte wie ein Staat.
Und der Ausdruck sozialistisches Hackebeil deshalb, weil das in den USA schon wesentlich weiter fortgeschritten ist, und Merkel nun auch hier ihr Hackebeil schwingt, um alles gewachsene zu zerstören, was Kulturen hervorgebracht haben, darunter eben auch abgegrenzte Länder, um es im Neuen, möglichst globalen Marktsozialismus, aufgehen zu lassen, in dem dann der Einzelne nur noch dann etwas zählt, wenn er den Großkonzernen dient, und ein Mensch dann nicht mehr werden kann, zu was er in sich angelegt ist, sondern das werden muß, was gut für den wachsenden Markt der Großkonzerne ist. Marktsozialismus eben. Die Großkonzerne haben immer recht, was in TTIP und all den aufkommenden sogenannten Freihandelsabkommen, auf der ganzen Welt verankert werden soll.
Falls Sie das Buch von Aldous Huxley “Schöne neue Welt” noch nicht kennen, sei das an dieser Stelle mal empfohlen. Wurde vor dem 2,Weltkrieg geschrieben und beschreibt eine Welt, wie sie einmal werden könnte, so sich diese Art Marktsozialismus durchsetzt. Ich hatte es vor 30 Jahren gelesen und fand es äußerst zutreffend und erschreckend, wo das hinführen könnte. Lese es gerade jetzt zum zweiten mal und entdecke viel Neues. Vorallendingen entdecke ich, mit was für großen Schritten wir uns darauf zubewegen.
Sie haben natürlich Recht, die Großkonzerne sind aus dem Grenzenlosen Kapitalismus entstanden. Sie haben die Freiheit des freien Marktes dazu benutzt um so groß zu werden, daß sie so eine Dominanz entfalten können, daß sie nun für uns gedenken einen Marktsozialismus einzuführen, der uns auf’s schrecklichste versklaven würde, während er ihnen die absolute Freiheit bescheren würde da sie die Regeln bestimmen können, so grotesk diese auch wären. So kann sich der Staat gerade mittels der Negativverzinsung durchs Schulden machen entschulden. Grotesk, vollkommen kriminell, aber durch den Staat legalisiert. Schöne neue Welt halt.
Hella-Maria Schier
26. September 2016 @ 02:53
@Peter Nemschak
Für Sie fällt offenkundig alles Negative unter die Rubrik “Sozialismus”. Selbst Merkels überaus kapitalfreundliche Politik. Wie sich in der Unterstützung von TTIP und CETA, Machtinstrumente der Konzerne, ausgerechnet ein “sozialistisches Hackebeil” manifestieren soll, ist wohl Ihr Geheimnis.