Der Hype um die Impfung, der Streit um die Deadline – und grünes Licht für Google

Die Watchlist EUropa vom 18. Dezember 2020 –

Es kommt nicht alle Tage vor, dass es Kommissionschefin von der Leyen in die “Tagesschau” schafft. Am Donnerstagabend war es endlich so weit – mit der Corona-Impfung. Sie soll am 27. Dezember in ganz Europa starten, verkündete die CDU-Politikerin. “Das ist Europas Moment”, fügte sie pathetisch hinzu. Die ARD war begeistert, Kanzlerin Merkel auch.

Dabei hat von der Leyen schon mehrfach “Europas Moment” beschworen – gekommen ist er nie. Die ersten Europäer wurden auch nicht in der EU geimpft, sondern in UK.

Zudem ist es nicht von der Leyens Aufgabe, einen Impftermin zu nennen, solange die Europäische Arzneimittelagentur in Amsterdam kein grünes Licht gegeben hat.

Doch das scheint niemanden zu interessieren. Was zählt, ist die gute Nachricht. Hurra, der deutsche Impfstoff kommt, heißt es in Brüssel – pünktlich zu Weihnachten!

Dummerweise hat das Biontech/Pfizer-Präparat einige Schwächen. Es muß nicht nur bei minus 70 Grad aufbewahrt werden, sondern auch noch zweimal verabreicht werden, um zu wirken.

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Es ist auch nicht so leicht und so schnell zu fabrizieren, wie angekündigt. Die Pfizer-Fabrik im belgischen Puurs kommt kaum hinterher, in Großbritannien gab es deshalb schon Lieferprobleme.

Zudem mehren sich die Meldungen über allergische Reaktionen. Eine Frau wurde nach der Impfung zum Notfall. Woran das liegt ist, lässt sich noch nicht sagen; beunruhigend ist es allemal.

Das Hauptproblem ist aber, dass nicht genug Impfstoff bestellt wurde und die Impfstrategien keine schnelle Wirkung erwarten lassen. Die deutschen Pläne laufen darauf hinaus, dass das Gros der Bevölkerung erst im Sommer geimpft wird.

Gegen die zweite Welle wird das Wunder-Präparat deshalb nichts mehr ausrichten, wohl auch nicht gegen die dritte. Die ist schon im Anmarsch, kurz nach Weihnachten könnte das “Infektionsgeschehen” erneut eskalieren.

Das hat sogar Merkel eingeräumt. Januar und Februar würden hart, sagte sie. Das Ende des gerade erst begonnenen “harten” Lockdowns am 10. Januar scheint schon jetzt zu wackeln.

Da braucht es dringend gute Nachrichten, um durchzuhalten. Der Hype um die Impfung kommt also wie gerufen. Was würde Merkel nur machen, wenn sie von der Leyen nicht hättte…?

Siehe auch “Impfstoffe: Don’t believe the hype und “Macron positiv getestet- Gipfelteam in Sorge

Watchlist

Nach der EU-Kommission hat nun auch das Europaparlament eine (neue) Deadline für einen Brexit-Deal genannt. Am Sonntag soll endgültig Schluß sein, sonst werde man das Handelsabkommen in diesem Jahr nicht mehr ratifizieren, drohen die Abgeordneten. Allerdings beeindruckt das kaum jemanden. Denn am Verhandlungstisch stehen die Zeichen nun plötzlich wieder auf Sturm. Man habe sich beim Thema Fischerei verhakt, räumte Kommissionschefin von der Leyen ein. – Mehr hier

Was fehlt

Die unverständliche Entscheidung der EU-Kommission zu Fitbit. Die Brüsseler Behörde hat Google grünes Licht dafür gegeben, den Fitnessgerätehersteller zu übernehmen – und damit seine ohnehin schon überwältigende Marktmacht auszuweiten. Google habe ausreichende Garantien gegeben, erklärte Wettbewerbs-Kommisarin Vestager. Einen Tag zuvor hatte die Dänin noch angekündigt, die Marktmacht von Google & Co. begrenzen zu wollen. War wohl nicht so ernst gemeint, oder?

Das Letzte

Nach den Sanktiönchen folgen die Milliönchen – oder genauer: sechstausend Millionen. So viel hat die EU mittlerweile im Rahmen des Flüchtlingsdeals mit der Türkei an Hilfsorganisationen ausgezahlt. Beide Seiten hätten “einen wichtigen Meilenstein hinter sich gebracht”, sagte EU-Botschafter Meyer-Landrut (ein Merkel-Vertrauter) in Ankara. Das Eigenlob lässt erwarten, dass bald noch mehr Geld nachgeschossen werden soll – trotz der ständigen Provokationen von Sultan Erdogan

Dies ist der letzte Newsletter vor der Weihnachtspause. Weiter geht’s am 6. Januar 2021 – frohes Fest und Bonne année!