Der Gipfel des Frusts, ein Deal mit Trump – und zu viel Vitamin B aus China

Die Watchlist EUropa vom 19. November 2020 –

Diesen EU-Gipfel hätte sich Kanzlerin Merkel gewiß gern erspart. Wenn sie am Donnerstagabend in die Videoschalte mit ihren Amtskollegen geht, gibt es keine guten Nachrichten und noch weniger Hoffnung.

Die Coronalage, das ursprüngliche Thema der virtuellen Runde, ist dramatisch. In Deutschland muß der “Wellenbrecher-Lockdown” wohl verlängert werden, Österreich und Luxemburg mußten die Notbremse ziehen, Italien droht schon wieder unterzugehen.

Gleichzeitig bricht die Wirtschaft immer mehr ein. Die EU-Kommission hat den zunächst für 2021 erhofften Aufschwung längst abgesagt. Am Mittwoch warnte sie auch noch vor steigender Arbeitslosigkeit, vor allem bei Jugendlichen. Die Unsicherheit wächst, die Unzufriedenheit auch.

Der als Rettungsanker konzipierte Corona-Aufbaufonds steht nun auch noch auf der Kippe. Nach Ungarn und Polen hat sich auch Slowenien gegen die Freigabe der 750 Mrd. Euro ausgesprochen, solange dies an den umstrittenen Rechtsstaats-Mechanismus gebunden ist.

Eine Lösung des Streits ist nicht in Sicht, in Brüssel stellt man sich auf eine lange Hängepartie ein. Merkel hat offensichtlich keinen Plan B – dabei sagen Diplomaten, man habe mit Widerstand aus Ungarn gerechnet und nie an einen “Bluff” geglaubt.

Zu allem Unglück rückt nun auch noch der “No Deal” beim Brexit-Anschlußvertrag in greifbare Nähe. Optimisten hatten mit einem Deal bis Donnerstag gerechnet. Doch diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt.

Nun erwägen einige Staats- und Regierungschefs schon, beim Videogipfel die Notbremse zu ziehen und die EU-Kommission aufzufordern, ihre Schutz-Maßnahmen für einen “No Deal” zu aktivieren.

Bleibt eigentlich nur die Hoffnung, dass dies ein Wink mit dem Zaunpfahl an den britischen Premier Johnson ist – mit dem Ziel, ihn doch noch zu einem Kompromiß zu bewegen.

Ansonsten droht wohl ein Gipfel des Frusts...

Watchlist

Werden die Sanktionen gegen das Regime in Belarus ausgeweitet? Darüber beraten die EU-Außenminister. Weil die bisherigen Strafen, die auch Diktator Lukaschenko treffen, nichts bewirkt haben, denkt man in Brüssel nun über Wirtschaftssanktionen nach. Die würden aber auch das Volk treffen, das die EUropäer ja eigentlich unterstützen wollen. Zudem stehen die Minister vor dem Problem, dass noch härtere Strafen unweigerlich dazu führen, Lukaschenko noch mehr in die Arme von Zar Putin zu treiben…

Was fehlt

Der “Hummer”-Deal mit den USA. Es geht um US-Einfuhren “von lebenden und gefrorenen Hummerprodukten” in Wert von auf 111 Millionen Dollar. Sie sollen künftig von Zoll befreit werden, im Gegenzug gibt es Vergünstigungen für EU-Produkte. Der Deal war noch mit der Trump-Administration ausgehandelt worden, nun gaben die EU-Staaten grünes Licht. Es ist auch ein Signal an Trump-Nachfolger Biden, mit dem die EU gern ganz groß ins Geschäft kommen würde. Sogar von einem neuen TTIP ist die Rede…

Das Letzte

Die Abhängigkeit von China nimmt ungeahnte Ausmaße an. Dies zeigt eine Studie des Berliner Mercator Institute for China Studies. Demnach besteht in 103 Produktkategorien – darunter Elektronik, Chemie, Minerale/Metalle und Arzneimittel/Medizin – eine “kritische Abhängigkeit” von Importen aus China. Besonders hoch sei die Abhängigkeit bei Vitamin B, wo der Importanteil 97,9 Prozent betrage. Beim Breitbandantibiotikum Chloramphenicol sind es 97,4 Prozent. Zum Glück plant die EU nun ja die “strategische Autonomie”…

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