Der egoistische Herr Rutte
Nach dem gescheiterten Budgetgipfel droht der EU eine neue Krise. Schuld daran ist vor allem der niederländische Premier Rutte. Er gab in Brüssel den Hardliner – und half so Kanzlerin Merkel aus der Bredouille.
Rutte gibt sich gern “gezellig”, freundlich und liberal. Doch beim EU-Gipfel wählte er eine provokative Pose, hinter der sich eine egoistische Politik verbirgt.
Wo auch immer der Niederländer im Brüsseler Ratsgebäude auftrat, hatte er ein Buch unterm Arm – eine Biographie über den Komponisten Frédéric Chopin.
Die Botschaft: “Es gibt nichts zu verhandeln, ich vertreibe meine Zeit lieber mit lesen.” Dabei sollte es bei diesem Spitzentreffen um nichts anderes als Verhandlungen gehen.
Doch Rutte hatte sich von vornherein auf einen harten und kompromisslosen Sparkurs festgelegt. Der EU-Beitrag dürfe nicht über 1,0 Prozent steigen, so sein Mantra – basta.
Damit wurde er zum Wortführer der “frugal four”, der geizigen Vier, zu denen sich auch Kanzlerin Merkel gesellte. Denn auch Merkel will die EU auf Diät setzen.
Damit dies nicht auffiel, rief sie zu den Treffen mit dem Vierer-Club noch Frankreichs Staatschef Macron hinzu. Gemeinsam kürzten sie den Gipfelentwurf von 1,074 auf 1,069 Prozent.
Rutte sicherte sich dabei sogar noch einen Extra-Rabatt, der aus Zoll-Einnnahmen finanziert werden soll. En passant sollte auch noch das Euro-Budget geplündert werden.
Das ist dreist. Schließlich hatte Rutte, Hand in Hand mit der von ihm geführten nationalliberalen “Hanseatischen Liga”, das Euro-Budget ohnehin schon zusammen geschrumpft.
Anders gesagt: Erst hat er verhindert, dass der Euro ein nennenswertes Budget bekommt, das die Wirtschaftsunion stabilisiert. Und nun will er auch noch die EU schrumpfen…
…und den niederländischen EU-Beitrag minimieren. Dabei profitieren die merkantilistischen Niederlande – genau wie Deutschland – mehr als andere vom gemeinsamen Binnenmarkt.
Wer nach einem Grund für die egoistische (und kurzsichtige) Politik sucht, muß nicht lange suchen. Man muß sich nur die niederländische Innenpolitik anschauen.
Rutte hat keine Mehrheit mehr – und steht unter Druck der populistischen, EU-kritischen Rechten. Um diese auszubremsen, klammert er sich an Privilegien.
Eingeführt wurden diese Privilegien im Windschatten von Margret Thatcher. Mit dem Brexit haben sie ihre Berechtigung verloren, wäre da nicht Kanzlerin Merkel…
Siehe auch: “Rutte verhöhnt die Elite (und die Europawahl) “sowie “Merkel tritt in Thatchers Fußstapfen”
Watchlist
Macht die EU endlich gegen das Coronavirus mobil? Nach den Todesfällen in Italien und der sich dort ausbreitenden Panik will sich die EU-Kommission am Montag mal wieder äußern. Bisher hat die EU keine gemeinsame Linie gefunden; auch ein Krisentreffen der Gesundheitsminister blieb ohne Folgen. Jeder macht, was er will – am Sonntagabend kappte Österreich sogar den Bahnverkehr nach Italien… – Mehr hier
Was fehlt
- Außenpolitik: SPD schlägt eigene Streitmacht für die EU vor – Leider bleibt die Frage offen, wo eine EU-Armee eingesetzt werden sollte – etwa in Libyen?
- EU-Krise: The EU is in trouble and Ursula Von der Leyen is the wrong person to rescue it – Ein Kommentar des renommierten Euro-Kritikers A. Modi
- Fake News: EU-Kommissarin Věra Jourová will Desinformation bestrafen – Gemeint ist natürlich nur Russland, Fake News aus Ungarn, UK oder den USA sind kein Thema…
Hinweis: Dies ist die letzte Watchlist diese Woche. Wegen der Winterferien in Belgien geht es erst Anfang März weiter!
Peter Nemschak
24. Februar 2020 @ 09:45
Wird man sich halt beim nächsten oder übernächsten Gipfel einigen. Budgetstreits sind auch auf nationaler Ebene klassisch. Selbst der spektakuläre Shut-down in den USA hat nicht ewig gehalten.