Der Balkan und die Glaubwürdigkeit

Deutschland und Frankreich haben den Start von Beitrittsgesprächen mit Albanien und Nordmazedonien vorerst gestoppt. Das schwäche die Glaubwürdigkeit der EU auf dem Balkan, fürchtet Erweiterungskommissar Johannes Hahn. Wirklich?

“Nur mit einer glaubwürdigen Politik wird es gelingen, den Reformprozess am Westbalkan voranzutreiben und unseren Einfluss in der Region zu bewahren”, sagte Hahn. Eine Verschiebung könne dramatische Folgen für die betroffenen Länder und die gesamte Region haben. 

Ähnlich äußern sich die Grünen, aber auch Sicherheitspolitiker wie Wolfgang Ischinger. Sie denken nicht nur an die Region, sondern auch an Russland, die Türkei oder China, die ein Machtvakuum auf dem Balkan für ihre Zwecke nutzen könnten. Es geht also auch um Geopolitik.

Aber wie steht es um die Glaubwürdigkeit der EU? Nun ja, die hat mehrere Facetten. Brüssel muß nicht nur gegenüber den Beitrittsländern kohärent handeln, sondern auch gegenüber den eigenen Bürgern. Und dann ist da noch die Frage, wie glaubwürdig das Urteil der EU-Kommission ist.

Schon daran sind Zweifel erlaubt. Nordmazedonien ist ein zerrissenes Land, der Namensstreit hat tiefe Wunden hinterlassen. Und Albanien hat immer noch mit Korruption und organisiertem Verbrechen zu kämpfen. Zudem kommen weiterhin zu viele echte oder falsche Flüchtlinge.

Dem Land nur vier Jahre nach der Flüchtlingswelle EU-Beitrittsreife zu bescheinigen, ist nicht sehr glaubwürdig. Zudem hatte die Kommission versprochen, keine neue Beitritte einzuleiten und so lange zu warten, bis die EU selbst wieder aufnahmefähig ist. Davon kann aber keine Rede sein.

Eine nennenswerte “Vertiefung” der EU hat unter Jean-Claude Juncker und Hahn nicht stattgefunden, daher kann es auch keine Erweiterung geben. Generell sollte Brüssel seine Erweiterungspolitik überdenken. Ist es noch realistisch, den gesamten Westbalkan aufzunehmen?

Der Dauerstreit zwischen Kroatien und Slowenien zeigt, dass die Erweiterung auf dem Balkan keine Erfolgsgeschichte ist. Auch der Konflikt zwischen Kosovo und Serbien ist nicht lange nicht gelöst. Wenn überhaupt, dann sollten nur jene Länder aufgenommen werden, die nachweislich für Stabilität sorgen.

Alles andere wäre unglaubwürdig…