Deckel ohne Wumms, Kern ohne Zugkraft – und Schweigen zu Cosco
Die Watchlist EUropa vom 26. Oktober 2022 –
Ein europäischer Gaspreisdeckel lässt weiter auf sich warten. Bei einem Treffen in Luxemburg stellten die 27 EU-Energieminister das umstrittene Thema, das schon den EU-Gipfel am vergangenen Freitag beschäftigt hatte, zunächst zurück. Im Vordergrund stand der gemeinsame Einkauf von Gas zu günstigeren Preisen.
Der deutsche Energieminister Robert Habeck (Grüne) sprach sich für einen verpflichtenden gemeinsamen Gaseinkauf aus. Dies sei “der effizienteste Weg”, um die Preise zu senken, sagte Habeck zu Beginn des Ministertreffens. Europa habe “eine große Marktmacht“, betonte er. Einkaufsgemeinschaften “bringen die Preise nach unten“.
Ein fixer Preisdeckel sei hingegen “nicht das richtige Instrument”, so Habeck. Deswegen sollte zunächst lediglich an dynamischen Obergrenzen gearbeitet werden, die spekulative Ausschläge an den Börsen verhindern könnten. Für diesen Ansatz hatte sich beim Gipfeltreffen bereits Bundeskanzler Olaf Scholz ausgesprochen.
Allerdings ist unklar, wie ein solcher „dynamischer“ Deckel funktionieren soll. Bisher hat die EU noch nicht definiert, was sie mit spekulativen Ausschlägen meint und ab wann der Gaspreis gedeckelt werden soll. Zudem hat es die Politik derzeit nicht mehr eilig, da der Gaspreis an den Märkten deutlich gesunken ist.
An der niederländischen Gasbörse TTF war der Preis am Montag unter die 100-Euro-Marke pro Megawattstunde gesunken. Noch im August hatte er zeitweise bei deutlich mehr als 300 Euro gelegen. Allerdings schlägt der sinkende Marktpreis nicht sofort auf die Verbraucher nieder.
Keine Abhilfe für die Bürger
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Im Gegenteil: Solange es keine verbindliche Obergrenze gibt, müssen Bürger und Unternehmen weiter mit extrem hohen Energierechnungen leben.
Der sinkende Großhandelspreis sei „für die Verbraucher erst eine mittelfristig gute Nachricht, weil die hohen Preise aus dem letzten Jahr im nächsten Jahr noch anfallen werden”, räumte Habeck ein. Für die Märkte sei dies allerdings dennoch ein starkes Zeichen. Man habe zuletzt einen regelrechten Preissturz erlebt.
Unklar ist, wie lange dieser positive Effekt anhält. Im Dezember tritt das bereits im Sommer beschlossene europäische Ölembargo gegen Russland in Kraft, Anfang 2023 auch ein Importverbot für Diesel.
Doch beim Diesel gehen die Preise jetzt schon in die Höhe. Auch der Gaspreis kann schnell wieder steigen, etwa wenn es zu einem ersten winterlichen Kälteeinbruch kommt.
Das “Iberische Modell”
Angesichts dieser Unsicherheit hatten sich viele EU-Staaten beim Gipfeltreffen am vergangenen Freitag für einen verbindlichen Gaspreisdeckel eingesetzt. Im Gespräch war auch das „Iberische Modell“, bei dem der Gaspreis für die Stromerzeugung begrenzt wird, was zu einem niedrigeren Strompreis beiträgt.
Die EU-Kommission wurde beauftragt, eine Ausweitung auf die gesamte EU dieses Modells zu prüfen. In einem „Non-Paper” erhebt die Brüsseler Behörde jedoch Einwände gegen den Plan, der in Spanien und Portugal bereits erfolgreich umgesetzt wird.
Ein allzu rigider Preisdeckel könne dazu führen, dass der Energieverbrauch steigt, statt wie gewünscht zu fallen, heißt es in dem Papier. Effizient wäre dieses Modell außerdem nur, wenn sich Drittstaaten wie Großbritannien oder die Schweiz anschließen.
Die Suche geht weiter
Dies ist jedoch unwahrscheinlich: Beide Länder gehören nicht der EU an und sind nicht an EU-Beschlüsse gebunden. Die Suche nach wirksamen Maßnahmen gegen die Energiekrise geht also weiter.
Während sich die Deutschen auf den „Doppelwumms“ durch die bis zu 200 Milliarden Euro teure nationale Gaspreisbremse freuen dürfen, müssen die meisten EU-Länder weiter mit einem vagen europäischen Deckel ohne Wumms auskommen.
Denn das deutsche Hilfsprogramm können sie sich schlicht nicht leisten…
Mehr zur Energiekrise hier
Watchlist
Ziehen Macron und Scholz noch an einem Strang? Dies ist die Frage, wenn sich der Präsdient und der Kanzler am Mittwoch in Paris zu einem Arbeitsessen treffen. Ursprünglich sollte es einen deutsch-französischen Gipfel geben, doch der wurde angesichts zahlreicher Meinungsverschiedenheiten abgeblasen. Nun droht eine Kernschmelze – ohne den deutsch-französischen “Kern” ist die EU kaum noch kompromiss- und arbeitsfähig…
Was fehlt
Eine klare EU-Position zum umstrittenen Einstieg Chinas in den Hamburger Hafen. Trotz mehrfacher Nachfragen wollte sich die EU-Kommission nicht zu dem geplanten Deal äußern. Wie AFP meldet, ist eine sog. “Teiluntersagung” geplant, die dem chinesisxchen Staatskonzern Cosco eine Beteiligung in Höhe von maximal 24,9 Prozent an einem Terminal ermöglicht. Damit werde “eine strategische Beteiligung verhindert“.
HINWEIS: Die Watchlist EUropa macht Herbstferien. Weiter geht es am 08.11.22
european
26. Oktober 2022 @ 08:56
So ist Deutschland. Wenn es “uns” nützt, verpflichten wir die anderen. Das gilt auch für den Binnenmarkt. Der ist gut, solange wir den Vorteil daraus ziehen und die Nachteile bei den anderen liegen.
Ansonsten ist uns Europa egal und die anderen wissen das auch. Siehe Frankreich und unser Sondervermoegen für Militär, das wir nahezu vollständig in USA ausgeben.
Beschämend, peinlich, unmöglich, dumm.
Aber mit Leadership Anspruch.
Man kann gar nicht so viel essen wie man k*tzen könnte.
Holly01
26. Oktober 2022 @ 09:26
Bei den jetzigen Größenordnungen ist das ganz klar.
Es ist egal wofür die USA aus der EU Geld bekommen, denn wenn dieses Geld nicht dort ankommt, wird die US monetär kollabieren.
Was wollen Se da kaufen?
Das überteuerte Flüssiggas haben wir gekauft, ohne das es Schiffe gäbe oder das es entsprechende Verladekapazitäten gäbe.
Waffen haben wir gekauft und kaufen wir.
IT?
Software?
Kaufen wir, produzieren wir nicht selbst und bei Software haben wir Mietprodukte, da erwerben wir gar nicht, da nutzen wir nur noch.
Cum Ex?
Corona?
Da überweisen wir bereits, egal ob direkt oder via “0,1%” und dann in den US Kapitalmarkt, die US Banken erhalten monatlich eine hohe 11 stellige Summe.
Trotzdem kommen die USA weder aus dem Außenhandelsdefizit, noch aus dem Zinsdefizit und schon gar nicht aus dem Haushaltsdefizit.
Tatsächlich sind die USA längst in der selben Situation wie das UK, die Notenbank finanziert direkt, weil das monetär gar nicht anders geht und die EZB wird sehr bald auch da sein und hat den Punkt bereits erreicht.
Es gibt nur ein Problem:
Ja, eine Notenbank kann in der eigenen Währung NIE Bankrott gehen.
Ja, zwei Notenbanken (FED-EZB) können dafür sorgen das beide in der jeweiligen Währung NIE Bankrott gehen.
NEIN, eine Wirtschaft betreiben kann man so nicht, die wird genau wie die Gesellschaft zerstört.
thats it
Die “Wertegemeinschaft” denkt die hätten einen Schuss: Krieg.
DAS ist nicht sicher.
Die “Wertegemeinschaft” ist bei Krieg auf Importe angewiesen und dazu muss sie monetär funktionieren und DAS ist gerade nicht mehr gegeben.
Diese maximalen “Erhaltungsmaßnahmen” halten die “Flut” nicht auf. Es wird jeden Tag schlimmer.
european
26. Oktober 2022 @ 10:47
Sie haben völlig Recht.
Michael Lueders nennt die USA eine Kultur im Niedergang, die den Krieg zur Abwendung eben jenes Niedergangs brauchen und forcieren.
In a nutshell ist es das.
harry_muc
27. Oktober 2022 @ 08:26
Ihre Aussage halte ich tatsächlich für korrekt:
„.. eine Notenbank kann in der eigenen Währung NIE Bankrott gehen.“
Ihrer anderen Aussage würde ich allerdings nicht zustimmen:
„egal wofür die USA aus der EU Geld bekommen, denn wenn dieses Geld nicht dort ankommt, wird die US monetär kollabieren.“
Das halte ich für komplett falsch: Für Dollars gibt es weltweit (immer noch) alles zu kaufen, und die erzeugen die USA bzw. die FED – wie Sie erwähnt haben – in theoretisch unbegrenzter Menge selbst. Man braucht keine Euros, um die USA zu finanzieren.
Trotzdem hat es sicherlich Vorteile für die USA, teures Flüssiggas nach Europa zu verkaufen, und auf diese Weise die Handelsbilanz zu verbessern. Aber der finanzielle Zusammenbruch würde auch andernfalls nicht drohen. Wichtiger ist den USA vermutlich, dass Russland draußen gehalten wird.
Und zum Abschluss noch: Budgetdefizite sind auch in sehr „solide“ wirtschaftenden Ländern praktisch immer die Regel. Und Staatsschulden werden nie zurückgezahlt. Hier am Beispiel eines seeehr soliden Landes, nämlich Deutschland: Zwischen 1949 und 2011 stiegen die Schulden jedes Jahr an. Und damals war auch noch vielen bekannt, dass diese Verschuldung kein Problem ist.
Link s.u.: Grafische Darstellung der Staatsschulden von Deutschland 1949 bis 2012 (und ja, ich weiß, dass Wikipedia nicht immer eine gute Quelle ist; was diese Grafik betrifft, ist diese sicherlich korrekt)
https://de.wikipedia.org/wiki/Staatsverschuldung_Deutschlands#Entwicklung_der_Staatsverschuldung
Und nein: ich bin nicht dafür, dass Großkonzernen sinnlos Milliarden in den Rachen geworfen werden, nur weil der Staat es kann. Und auch der Zusammenhang zur Inflation nicht so direkt ist, wie das viele vermuten. Angebliches Stichwort ist hier: Geldmenge bestimmt direkt die Inflation, nach der Formel
Geldmenge x Umlaufgeschwindigkeit des Geldes V = Preisniveau P ⋅x Volkseinkommen Y
(https://de.wikipedia.org/wiki/Monetarismus)
Kurz gesagt ist diese Formel nichtssagend, weil niemand die Umlaufgeschwindigkeit kennt. Durch geeignete Annahme der Umlaufgeschwindigkeit lässt sich jede Geldmenge mit einer beliebigen Inflation in Übereinstimmung bringen. Die üblicherweise getroffene Annahme einer konstanten Umlaufgeschwindigkeit ist unzulässig. Tatsächlich hat Inflation mehrere Faktoren, einer davon ist kann sicherlich die Geldmenge sein.
Beliebtestes Beispiel ist Japan: Hier sieht man, dass die Inflation offenbar wenig mit den Staatsschulden zu tun hat. Und den Zinssatz wählt die japanische Zentralbank selbst (so wie die die FED und die EZB das auch machen, weshalb es in den USA und in Europa bis vor Kurzem ebenfalls einen Leitzins von Null gab, eben weil die FED / die EZB das für angebracht hielten).
Inflation Japan
http://www.aboutinflation.com/_/rsrc/1369732516464/inflation-rate-historical/japan-inflation-rate-historical-chart/Japan_Inflation_Rate_Historical_1956_2012.png
Staatsschulden Japan
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/152666/umfrage/staatsverschuldung-japans-in-relation-zum-bruttoinlandsprodukt-bip/
Leitzins Japan
http://aruberusan.altaica.net/wp-content/uploads/sites/3/2014/09/japan-interest-rate-1984-2014.png