Das Trump-Paradox, der Rechtsstaats-Deal – und der Lapsus der Eurogruppe


Die Watchlist EUropa vom 5. November 2020

Das Chaos bei der Präsidentschaftswahl in den USA hat die EU kalt erwischt. Die meisten EU-Politiker hatten auf einen Wahlsieg des demokratischen Herausforderers J. Biden gesetzt. Zumindest hofften sie aber auf einen geordneten Ablauf der Wahl. Dass sich US-Präsident D. Trump vorzeitig zum Wahlsieger erklärte, ist für viele Politiker und Diplomaten in Brüssel das „Worst Case“-Szenario.

Doch nur wenige sprachen das auch offen aus. Kanzlerin Merkel äußerte sich ebenso wenig wie EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen, Ratschef Michel oder Paramentspräsident Sassoli. Die EU-Spitze war komplett abgetaucht.

Nicht so ängstlich war der grüne Europaabgeordnete R. Bütikofer. Der Außenpolitik-Experte und bekennende Amerika-Fan nannte Trumps Verhalten “einen beispielloser Angriff auf die amerikanische Demokratie”.

Ähnlich äußerten sich die Sozialdemokraten. J. Geier, Vorsitzender der SPD-Europaabgeordneten, sprach von einem „inakzeptablen Versuch der Entmündigung“.

Auf Emanzipation von Amerika setzen die Liberalen. „Wie auch immer das Ergebnis der Wahl ausfällt, Europa muss sein Schicksal in die eigene Hand nehmen“, sagte der Belgier G. Verhofstadt.

„Europa muss schnell erwachsen werden“, fordert die niederländische Abgeordnete S. in ‘t Veld, die ebenfalls den Liberalen angehört.

Doch diese Forderung hören wir schon seit Jahren. Sogar Kanzlerin Merkel hat mal erklärt, die EU müsse sich “ein Stück weit” von den USA emanzipieren.

Doch bisher hat sie dafür wenig getan. Eine Priorität des deutschen Ratsvorsitzes war es nicht. Am Mittwoch wagte es die Bundesregierung nicht einmal, das Wahlchaos zu kommentieren.

Keine Impulse aus Berlin

Derweil wirbt Verteidigungsministerin A. Kramp-Karrenbauer unverdrossen für eine neue transatlantische Partnerschaft. Dafür stehen auch die CDU-Kandidaten N. Röttgen und F. Merz.

Auch SPD und Grüne setzen weiter auf die USA. Von Deutschland sind daher keine nennenswerten Impulse für ein unabhängiges EUropa zu erwarten – jedenfalls nicht, wenn Biden die US-Wahl gewinnt.

Nur ein Wahlsieg von Trump könnte – so paradox es klingt – die Emanzipation von den USA befördern. Denn Trump hat Deutschland zum Lieblingsgegner erkoren – er würde sogar Merkel zwingen, sich zu positionieren…

Siehe auch “Last exit Biden”

Watchlist

Kommt der neue Rechtsstaats-Mechanismus? Das dürfte sich am Donnerstag entscheiden, wenn der deutsche EU-Botschafter mit den Unterhändlern des Europaparlaments zusammentrifft. Der Kompromiss sieht eine Lockerung der Bedingungen für Budget-Kürzungen vor, sowie eine schnelle Beschlußfassung. Ungarn und Polen können angeblich nicht mehr dazwischenfunken. Sicher wäre ich mir da allerdings nicht…

Was fehlt

Der Austritt der USA aus dem Klimaschutzabkommen von Paris. Die Kündigung trat am Mittwoch um Mitternacht New Yorker Ortszeit in Kraft. “Höchst bedauerlich”, sei das, sagte Regierungssprecher Seibert – zu mehr konnte sich Merkels Adlatus nicht durchringen. Immerhin ein Gutes hat die Sache: Niemand ist dem schlechten US-Beispiel gefolgt, China und Russland kündigen sogar mehr Klimaschutz an!

Das Letzte

Die Eurogruppe hat sich gegen neue Konjunkturhilfen ausgesprochen. Obwohl Südeuropa erneut in die Rezession rutscht und der Corona-Aufbaufonds sich verzögert, soll es keine neuen Maßnahmen geben. Auch ein Abschied von den suspendierten – und längst überholten – Defizitregeln ist nicht geplant. Das könnte sich noch als schwerer Fehler erweisen, Frankreich kann die Regeln bis 2030 ohnehin nicht halten…