Das Parlament will Johnson an die Kette legen
Das Europaparlament hat seine Haltung zu den Post-Brexit-Verhandlungen festgelegt. Die harten Bedingungen erwecken den Eindruck, dass die Abgeordneten den Austritt immer noch nicht akzeptiert haben – und Premier Johnson nun an die Kette legen wollen.
In seiner Entschließung bekräftigt das Parlament, ohne Wenn und Aber hinter EU-Chefunterhändler Michel Barnier zu stehen, da es ihm gemeinsam mit den Mitgliedstaaten der EU das Mandat für die Gespräche mit der britischen Seite erteilt habe.
Außerdem müsse das Vereinigte Königreich die Verpflichtungen erfüllen, die sich aus der politischen Erklärung ergäben, die Ministerpräsident Boris Johnson unterzeichnet habe und die sowohl von der EU als auch von der britischen Seite ratifiziert worden sei.
Das Problem: Barnier ist mit seiner Verhandlungstaktik gescheitert – in vier Runden hat er kein Ergebnis erzielt. Und die politische Erklärung, auf die sich die Abgeordneten beziehen, hat keine rechtlich bindende Wirkung, es war nur eine Absichtserklärung.
Dennoch klammern sich die MEP daran wie ein Ertrinkender an einen Strohhalm. „Einen Rückfall hinter das Austrittsabkommen, das Nordirland-Protokoll oder die politische Erklärung wird es mit dem Parlament nicht geben„, betont die die grüne Abgeordnete A. Cavazzini.
Mit dieser Kampferklärung an Premier Johnson geben sich die Abgeordneten päpstlicher als der Papst. Denn Kommissionschefin von der Leyen bereitet bereits die Abkehr von den hehren EU-Zielen vor, wie sich beim Videogipfel mit Johnson am Montag gezeigt hat.
Im Gipfel-Statement, das offenbar schon vorab vereinbart wurde, wird auf die politische Erklärung schon kein Bezug mehr genommen. Man mag dies bedauern – doch es entspricht der trauigen Realität, dass sich UK immer weiter von der EU entfernt.
Andernfalls hätte der Brexit ja auch keinerlei Sinn gemacht. Doch das Europaparlament will diese neue Realität nicht anerkennen. Es erweckt den Eindruck, als habe es den Brexit immer noch nicht akzeptiert – und wolle UK nun „sicherheitshalber“ an die Kette legen.
Doch das wird nicht gelingen. Der populistische Premier läßt sich nicht einmal von den eigenen Abgeordneten bändigen. Besser wäre es, unrealistische Forderungen fallen zu lassen und Johnson zu zeigen, was ihm blüht, wenn er vom „Level Playing Field“ abrückt.
Die Abgeordneten könnten mit Zöllen und Quoten drohen und für die Rechte der EU-Bürger in UK kämpfen. Das wäre allemal besser, als politisch korrekt, aber weltfremd geradewegs auf den „No Deal“ zuzusteuern…
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Holly01
18. Juni 2020 @ 19:37
„We can have the cake AND eat it“
Was so viel bedeutet wie: Das UK kann den Binnenmarkt haben ohne sich an seine Regeln zu halten.
Das ist der Traum von Johnson. Dutzende Sonderwirtschaftsgebiete, vollen Zugang zum Binnenmarkt, die City mit Töchtern in der EU voll im Euroraum aktiv und trotzdem ohne Aufsicht durch die EZB.
Das Parlament ist nicht naiv. Die wollen den Traum von Johnson und seinen Buddys nicht akzeptieren.
Die Welfen Prinzessin vdL sieht das nicht so kritisch. Ihr Herr ist im UK gut integriert und mag Johnsons Pläne.
Mal sehen, ob es da jemanden gibt der vdL bremsen kann…..
vlg
ebo
18. Juni 2020 @ 19:47
Das ist – mit Verlaub – Quatsch. Johnson will keinen vollen Zugang zum Binnenmarkt mehr. Er lehnt sich an das CETA-Abkommen mit Kanada an, da gibt es auch keinen Freifahrtschein. VdL ist in dieser Frage pragmatischer und realistischer als das Parlament.
European
19. Juni 2020 @ 12:18
Es ist schon erstaunlich, wie man im Land der elitären Clubs mit strikten Zulassungsbedingungen, inbesondere finanzieller Art, den Menschen erklärt hat, dass man den Zugang zum Club des Binnenmarktes für nichts bekommt.
Warum der Canada-style deal keine Schablone sein kann, erklärt James O’Brien auf LBC hier sehr eindrücklich:
https://www.youtube.com/watch?v=0xm284v0zWY
Mal abgesehen davon hat der Kanada-Deal 7 Jahre Verhandlungen gebraucht. Es lässt sich nicht einfach übertragen. Schon gar nicht bis Ende des Jahres.