Corona: Mit überholten Zahlen zu roten Zonen

Ob bei “Beherbergungsverboten” in deutschen Ländern oder bei Reisen ins EU-Ausland: Immer wird der deutsche Grenzwert von 50 Corona-Fällen pro 100.000 Einwohnern zugrunde gelegt. Dabei hat er keine wissenschaftliche Grundlage – und führt zu absurden Ergebnissen.

Berlin und Brüssel feiern es als gute Nachricht: Die 27 EU-Staaten haben sich auf eine Corona-Reiseampel geeinigt. Sie beruht auf der so genannten Inzidenz und setzt den Grenzwert – wie in Deutschland – bei 50 Fällen pro 100.000 Einwohnern an.

Wenn diese angeblich kritische Schwelle überschritten wird und die Positivquote über 4 Prozent liegt, springt die Ampel auf Rot. Reisen sind dann so gut wie unmöglich – denn die geforderten 48-Stunden-Tests sind kaum noch verfügbar, nicht einmal in Berlin!

Das ist aber nicht das einzige Problem. Auch die Schwelle an sich ist fragwürdig. Dies räumen die EU-Experten selbst ein, indem sie ein zweites Kriterium – die Positivquote der Tests – eingeführt haben. Doch in Deutschland arbeitet man weiter mit der “Inzidenz”.

Dabei hat sie keine wissenschaftliche Grundlage. Als die 50er-Schwelle eingeführt wurde, war sie das Ergebnis eines Ringens zwischen Kanzlerin Merkel und den Ministerpräsidenten. Es war ein “politischer Kompromiss”, schreibt die “FAZ”, die Epidemiologen waren von vornherein skeptisch.

Daran hat sich bis heute nichts geändert. Ganz im Gegenteil: In jenen Ländern, da das “Infektionsgeschehen” besonders heftig ist, hat sich die 50er-Schwelle als unbrauchbar erwiesen. Belgien, Frankreich und Spanien liegen längst bei 400 und mehr.

Wissenschaftler wie der Virologe H. Streeck fordern daher, nicht zu sehr auf die Neuinfektionen zu schauen, sondern die stationären Behandlungen und die Auslastung der Intensivstationen bei der Pandemie-Einschätzung stärker zu berücksichtigen, wie n-tv meldet.

20.000 Neuinfektionen pro Tag klinge nach Apokalypse, aber im Grunde sollte uns das keine Angst machen, sagte Streeck bei ARD Extra. “Ein milder Verlauf oder ein Verlauf mit milden Symptomen trägt nicht so stark zum Infektionsgeschehen bei.”

Doch in Berlin wurde Streeck nicht gehört, in Brüssel auch nicht. Der deutsche EU-Vorsitz setzte nicht nur “seine” Schwelle für die Reiseampel durch, sondern erließ zudem noch strengere Grenzwerte für jene Gebiete, in die Reisen ohne Einschränkungen erlaubt sein soll.

Dort darf es künftig nur noch 25 Neuinfektionen pro 100.000 geben. Zu dumm, dass dieser Wert kaum noch irgendwo erreicht wird, selbst nicht in Deutschland. Die “grünen Zonen” schrumpfen täglich, die “roten” weiten sich immer mehr aus.

Und nun kommt noch eine schlechte Nachricht: Für diese “Corona-Hotspots” kann jedes Land seine eigenen Reiseregeln festlegen. Auf gemeinsame Regeln konnten sich die 27 EU-Staaten nicht einigen, der Fleckenteppich bleibt ebenso bestehen wie das Reisechaos…

Siehe auch “Kontrollverlust und Regulierungswahn”

P.S. Luxemburg und Österreich lehnen die neue Ampel vom Start weg ab. Die österreichische Europaministerin Karoline Edtstadler sagte, das Konzept sei bereits von der Realität überholt und basiere auf zu wenig treffsicheren Kriterien. In der Folge würden die meisten Regionen Europas auf der geplanten Risikolandkarte schon jetzt rot gefärbt sein. Und eine Steigerung von rot gebe es nicht…