Eskalation im Schuldenstreit – Showdown beim Brexit
Die EU hat zwei Krisen vom Zaun gebrochen, für die sie keine Lösung weiß, schrieben wir im Oktober. Nun kommen beide – der Schuldenstreit mit Italien und das Brexit-Drama – zur Entscheidung. Damit es voran geht, wird getrickst.
Beim Schuldenstreit drückt die EU-Kommission aufs Tempo. Bereits am kommenden Mittwoch will sie ein Defizitverfahren gegen Italien einleiten. Als Begründung sollen die Altschulden herhalten – und nicht der neue Budgetentwurf.
Normalerweise kann die EU-Kommission erst dann aktiv werden, wenn ein Budgetentwurf in Kraft tritt und zu Verstößen gegen die EU-Regeln führt – im Falle der neuen Regierung in Rom wäre dies nicht vor dem Frühjahr 2019 möglich.
Doch so lange möchte die EU nicht warten. Deshalb greift sie in die Trickkiste – und prüft ein Verfahren nach Artikel 126(3) des EU-Vertrags.
Dabei geht es um ein „übermäßiges Defizit“ – also um die 130 Prozent Altschulden, die weit über dem erlaubten EU-Limit von 60 Prozent des BIP liegen.
Allerdings ist umstritten, ob diese Begründung zieht. Schließlich sitzt Italien schon seit Jahren auf einem Schuldenberg. Er ist auch in den letzten Jahren, als sich die Regierung in Rom noch brav an die Vorgaben aus Brüssel hielt, nicht geschrumpft.
Um die Regeln einzuhalten, müsste das Defizit, das über der erlaubten Quote von 60 Prozent liegt, in 20 Jahren abgebaut werden. Das hieße im Fall Italiens eine Senkung um 3,5 Prozentpunkte im Jahr.
Dies sei jedoch nur bei hohem Wachstum durchzuhalten, warnt der grüne Finanzexperte Giegold. Genau das fehlt in Italien aber – trotz der Strukturreformen, die von den Regierungen Monti, Letta und Renzi durchgepeitscht wurden.
Offenbar ist da irgendwo ein Fehler im System…
Siehe auch “Die Regeln sind das Problem”
WATCHLIST:
- Es ist vollbracht: 585 Seiten umfasst der Scheidungsvertrag für den Brexit. Premierministerin May hat ihn durch ihr Kabinett gebracht – trotz Rücktritts-Drohungen und Warnungen vor einem Misstrauensvotum. Gelungen ist dies aber nur mit massiven Drohungen. Wer sich verweigert, riskierte einen harten Brexit oder – schlimmer noch – Neuwahlen und einen Wahlsieg von Labour-Chef Corbyn. Das zog, die Minister schluckten den Deal – for now…
Siehe auch “Vom Grexit zum Brexit: Wie sich die EU verhärtet”. Der Vertragsentwurf steht hier.
WAS FEHLT:
- Zustimmung zum Migrationspakt der Uno. Nach Österreich und Ungarn hat ihn nun auch Tschechien verworfen. Bulgarien und Polen dürften die Nächsten sein. Die EU-Kommission und die Bundesregierung hatten sich für den Pakt ausgesprochen. Nun geht mal wieder ein Riß durch Europa – wie schon im Streit um die Asylpolitik. Der sollte eigentlich schon seit Juni beigelegt sein. Doch mittlerweile redet man in Brüssel nicht mal mehr über mögliche Lösungen…
Thomas
15. November 2018 @ 13:39
Das Problem ist doch der Euro- was sonst – für D zu schwach für I und alle südlichen Länder zu stark -> Er funktioniert halt nicht :
Sonst gäbe es ja kein Target2 Salden die sich inzwischen auf über 900 Mrd. € für D erhöht haben.
Erst wenn hier wieder Ruhe herrschst, also die Länder Ihre Nationalwährungen wieder haben, werden auch die fiskalischen Probleme der Länder wie I gelöst sein.
Bis dahin wird es aber noch einige Verwerfungen geben …
Peter Eschke
21. November 2018 @ 13:48
Die Verwerfungen wird es auch und insbesonder für D bei einer Einführung der Nationalwährungen geben. Dann fiele hier in D der Vorteil der für D unterbewerteten €-Währung weg. Unser Außenhandelsüberschuss wäre im Nu weg. Für die EU ohne D wäre das vorteilhaft, für die deutschen Arbeitsplätze seh schlecht. Also: die Deutschen können nur verlieren. Aber für die Gemeinschaft EU führt der derzeitige Weg in die Sackgasse..
Baer
15. November 2018 @ 10:22
Lässt uns Brüssel einfach abschaffen.
Es ist so überflüssig wie ein Kropf.
Demokratische Politik sieht anders aus.
Peter Nemschak
15. November 2018 @ 22:12
Nicht Brüssel sondern Frankreich und Italien haben Deutschland aus derem nationalen Interesse gedrängt den EURO zu akzeptieren – möglicherweise eine Fehlentscheidung, die sie Deutschand nicht anlasten dürfen.
Peter Nemschak
15. November 2018 @ 10:01
Die Politik der italienischen Regierung ist nicht strukturreformfreudig. Statt in Forschung und Innovation zu investieren und unproduktive Unternehmen (Alitalia, Großbanken) zu verkaufen oder abzuwickeln, wird das soziale Füllhorn ausgeschüttet. Damit wird langfristig kein Wachstum erzeugt. Kein Wunder, dass andere EU-Mitglieder, die eine nachhaltigere Budgetpolitik verfolgen, nicht zusehen wollen, wie Italien die gemeinsame Währung gefährdet. Durchaus möglich, dass die jetzige Krise eine Reform des Eurosystems beflügelt. Das heißt nicht notwendigerweise, dass die Phantasien der transnationalen Umverteilungsbefürworter Wirklichkeit werden müssen.