Brexit: Jetzt wird es FROSTig
Großbritannien droht der EU mit einem “No Deal”, in London beginnt die nächste Anhörung im Fall Assange – und in Brüssel sieht man noch keine Grundlage für Sanktionen im Fall Nawalny: Die Watchlist EUropa vom 7. September 2020.
Im Streit um den Brexit und ein neues Handelsabkommen mit Großbritannien ist die EU unter Beschuss geraten. Die britische Regierung feuerte am Wochenende mehrere Breitseiten gen Brüssel und drohte offen mit einem „No Deal“, also einem Scheitern. Kurz vor der nächsten Verhandlungsrunde am Dienstag stehen die Zeichen auf Sturm.
Für Irritationen in Brüssel sorgte zunächst ein Bericht des „Express“, wonach EU-Chefunterhändler Michel Barnier abgelöst werden solle.
Die französische Regierung und der deutsche EU–Vorsitz dementierten prompt: „Wer mit der EU beim Brexit vorankommen will, muß mit Barnier ins Geschäft kommen“, erklärte ein deutscher Sprecher.
Am Sonntag legte der britische Chef-Unterhändler David Frost nach: Anders als die Vorgängerregierung unter Theresa May werde London diesmal nicht blinzeln, sagte Frost der “Mail on Sunday”.
Die EU sollte verstehen, “dass wir meinen, was wir sagen, und sie sollten unsere Position ernst nehmen.“ Man sei bereit, die Verhandlungen platzen zu lassen.
Großbritannien werde sich nicht zum „Klientelstaat“ degradieren lassen, sagte Frost mit Blick auf die Forderung, Brüssel eine Art Vetorecht für britische Gesetze einzuräumen.
In London seien bereits viele Vorbereitungen für den „No Deal“ getroffen worden. “Ich glaube nicht, dass wir davor auch nur irgendwie Angst haben.“
Frost widersprach damit der auch in Berlin verbreiteten Auffassung, Großbritannien habe bei einem „No Deal“ mehr zu verlieren als die EU.
Deutsche Diplomaten verweisen gerne darauf, dass der Handel mit Europa für die Briten überlebenswichtig sei, während die Bedeutung Großbritanniens für Deutschland immer mehr abnehme.
Ein „No Deal“ würde jedoch auch das größte EU-Land treffen. “Der deutschen Wirtschaft bereitet es große Sorge, dass die Brexit-Verhandlungen über die künftigen Wirtschaftsbeziehungen noch immer auf der Stelle treten”, sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben. Ohne ein
Handelsabkommen drohe ab Anfang 2021 die Einführung von Zöllen und die Unterbrechung von Lieferketten.
Barnier ist pessimistisch
Pessimistisch äußerte sich auch Barnier. Die Briten zeigten zu wenig Bereitschaft, auf EU-Forderungen einzugehen, erklärte der Franzose.
Neben dem Fischfang sorgt vor allem das sogenannte „Level Playing Field“ für Streit. Die EU fordert von Großbritannien, auch in Zukunft auf Dumping bei Steuern, Löhnen oder im Umweltschmutz zu verzichten.
In London wird dies als Versuch interpretiert, das Land auf Dauer an die Union zu ketten…
Siehe auch “Post-Brexit: Das Ende des Freihandels?” und “Vergiftete Beziehungen”
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Watchlist
Darf Wikileaks-Gründer J. Assange in die USA ausgeliefert werden? Darüber verhandelt ab Montag ein Gericht in London. Es sind nur wenige Beobachter zugelassen, von der EU hört man gar nichts. Dabei müsste Assange eigentlich unter den neuen europäischen Whistleblower-Schutz fallen. Zudem wurden offenbar seine Persönlichkeits-Rechte massiv verletzt – sogar die “Tagesschau” spricht von Total-Überwachung… – Mehr hier
Was fehlt
Der “rauchende Colt”. Anders als im Fall Skripal fehlen bei der Vergiftung des russischen Regimekritikers Nawalny überzeugende Hinweise oder Beweise in Bezug auf die Täter. Bloße “Vermutungen” reichten nach EU-Recht jedoch nicht aus, um gerichtsfeste Sanktionen gegen Personen zu verhängen, sagt der EU-Experte S. Blockmans vom Brüsseler Thinktank CEPS. Das hindert Außenminister Mass freilich nicht, mit Strafen zu drohen… Mehr hier
Das Letzte
Die Türkei setzt ihre Provokationen fort. Nach Griechenland richten sie sich nun gegen Zypern und Frankreich. Am Sonntag begann vor der geteilten Insel eine türkische Militärübung namens “Mittelmeersturm”. Zudem erklärte Sultan Erdogan, Frankreich müsse erkennen, dass die Türkei “die Karten zerreißen kann”. Trotz dieser offenen Drohung telefonierte Ratspräsident Michel mit Erdogan. Kanzlerin Merkel schweigt… Mehr hier
“Ils vont comprendre que la Turquie est assez forte pour déchirer les cartes (…) Ils vont comprendre soit par le langage de la politique et de la diplomatie, soit sur le terrain via d’amères expérience”: le président Erdogan a émis hier de nouvelles menaces envers la Grèce #AFP pic.twitter.com/XU2v7YtaKR
— Agence France-Presse (@afpfr) September 6, 2020
Gerade über den Brexit News Ticker vom Guardian gelaufen.
nach monatelangen “Ne, wir achten das Freitagsabkommen und wollen gleichzeitig die EU Einfuhrregeln einhalten” kommt nun “aber … natürlich nur bis zum 01.01.2021”
Ja Mr.Johnson. Dann wollte die EU auch Freizügigkeit mit dem Uk herstellen. Aber auch nur bis zum 01.01.2021.
Ab da wird jede Hosentasche die in die EU wechselt kontrolliert. Bleibt die Frage: Kontrolliert Irland oder kontrolliert das EU Festland?
Da Frankreich und das UK eine umfassende Überwachung des Kanals verabredet haben und gerade installieren (mit der man auch Schlauchboote finden kann) ist das mit dem Warenverkehr ja in trockenen Tüchern ….
Der Johnson schafft das in die Geschichtsbücher, aber eher so auf Pest Niveau. Die hat auch keiner mehr vergessen.
Immer wieder denkt der, dreist kommt am Weitesten.
(Am 01.01.2021 fällt das UK auf WTO Regeln zurück, das wird die CoL nicht stören, die machen ja höchstens 80%-90% ihrer Geschäfte mit dem Ausland und stehen auch nur für 10% bis 15% BIP …. aber das UK hat ja 3 Handelsabkommen, die für fast 2% des Volumens gelten, was kann da schon passieren …)
Mr wir haben keine Angst. Solltet ihr aber haben, solltet ihr wirklich haben.
vlg