Ukraine first, Rest-EUropa second – und die digitale Brieftasche kommt

Die Watchlist EUropa vom 09. November 2023 –

Es kommt nicht alle Tage vor, dass sich Ursula von der Leyen der Presse stellt. Noch seltener kommt es vor, dass ich eine Frage stellen darf. Gestern war es so weit. Ihr Amtsvorgänger, Herr Juncker, hält die Ukraine wegen der Korruption für nicht beitrittsfähig. Haben Sie sich mit ihm darüber unterhalten, und halten Sie einen Status unterhalb der Vollmitgliedschaft für möglich?

Das war die erste Frage. Keine Antwort. Dann kam die zweite: Sie empfehlen den Start von Verhandlungen mitten im Krieg, was eine Premiere in der EU ist. Welchen Sinn machen Gespräche mit einem umkämpften Land – halten sie einen Beitritt unter diesen Umständen für möglich?

Auch darauf kam keine direkte Antwort. Die geplanten Verhandlungen seien “ein klares Signal der Unterstützung” bei der Abwehr des “russischen Angriffskriegs”, so die EU-Chefin. Damit machte sie klar, dass Geopolitik wichtiger ist als die lästigen Details der Erweiterung.

Die Beitritts-Gespräche sollen die Ukrainer motivieren, die Zähne zusammen zu beißen und weiterzukämpfen. Und sie sollen Russland zeigen, dass die EU das Land nicht mehr losläßt und die “europäische Perspektive”, für die der Maidan vor zehn Jahren stand, Schritt für Schritt umgesetzt wird.

Erweiterung als Teil des Krieges

Doch damit wird die Erweiterung, die eigentlich den Frieden sichern soll, zu einem Teil des Krieges. Und ausgerechnet die Ukraine, die nicht nur Juncker für alles andere als beitrittsfähig hält, wird zur Nummer eins bei der geplanten großen Beitrittswelle. Es ist eine Ukraine-First-Politik.

Dabei werden nicht nur die Länder des Westbalkans betrogen, die im Gegensatz zur Ukraine einen Krieg beendet und den Frieden gefunden haben. Auch die Länder und Bürger der “alten” EU werden übervorteilt: Sie müssen den Preis für dieses riskante Experiment zahlen. Gefragt hat sie niemand…

Siehe auch “Der Bluff mit dem EU-Beitritt”

News & Updates

  • Der Westbalkan muss weiter warten. Die Ukraine, Moldau und Georgien rücken je ein Feld vor, doch der Westbalkan muß weiter auf den EU-Beitritt warten: In der Erweiterungspolitik herrschen doppelte Standards. Zum Trost hat die EU-Kommission einen „Wachstumsplan“ mit 6 Mrd. Euro bis 2027 entworfen. So viel bekommt die Ukraine in einem halben Jahr… – Mehr im Blog
  • Die Uno wirft Israel Kriegsverbrechen vor. Die Attacken der Hamas am 7. Oktober waren Kriegsverbrechen, genauso wie die andauernde Geiselnahme, sagt der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Volker Türk. “Die kollektive Bestrafung Israels von palästinensischen Zivilisten ist auch ein Kriegsverbrechen, genauso wie die rechtswidrige gewaltsame Evakuierung von Zivilisten.”
  • Belgien fordert Sanktionen gegen Israel. “Es ist Zeit für Sanktionen gegen Israel. Der Bombenregen ist unmenschlich”, sagt Vize-Ministerpräsidentin Petra De Sutter. Die EU müsse das Assoziations-Abkommen mit Israel sofort aussetzen. Doch die macht das Gegenteil – und deckt das israelische Vorgehen, nun auch in der G-7. Siehe auch “Die G-7 machen sich unglaubwürdig.”

Das Letzte

Die digitale Brieftasche kommt – oder der gläserne Bürger? Bürger sollen sich künftig in der gesamten EU digital ausweisen können. Unterhändler von Europaparlament und EU-Staaten haben sich auf letzte Details zu einer digitalen Brieftasche für Smartphones verständigt. Die User sollen damit etwa Bankkonten eröffnen, aber auch Führerscheine oder Arztrezepte speichern können. Auch eine kostenlose elektronische Signatur soll möglich sein. Datenschützer warnen indes vor dem gläsernen Bürger. Die Pläne würden es staatlichen Behörden ermöglichen, die Kommunikation auszuspähen.