Bedrohliche Blockbildung, Sorge ums Gas – und Hilfe beim Weizenexport
Die Watchlist EUropa vom 13. Mai 2022 –
Früher war die EU eine weltoffene Gemeinschaft, die Russland als „strategischen Partner“ sah und mit China einen regen Austausch pflegte. Doch vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs hat eine bedrohliche Blockbildung eingesetzt.
Dies zeigt die rhetorische Aufrüstung, die EU-Kommissionschefin von der Leyen beim EU-Japan-Gipfel in Tokio betrieben hat. Erstmals nannte die CDU-Politikerin Russland und China in einem Atemzug – als gemeinsame Gegner des „freien Westens“.
„Russland ist derzeit die unmittelbarste Gefahr für die Weltordnung, und zwar durch seinen barbarischen Krieg gegen die Ukraine, seinen besorgniserregenden Pakt mit China und seinen Ruf nach neuen und eigenmächtigen internationalen Beziehungen„, sagte sie.
Finnland drängt in die Nato
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Auch faktisch hat die Blockbildung eine neue Qualität erreicht – mit dem nahenden Nato-Beitritts Finnlands. Präsident Sauli Niinistö und Regierungschefin Sanna Marin sprachen sich in einer gemeinsamen Erklärung für einen „unverzüglichen“ Aufnahme-Antrag an das westliche Militärbündnis aus.
Russland reagierte prompt. Die Nato-Erweiterung würde „die Welt und unseren Kontinent nicht stabiler und sicherer machen“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. „Alles wird davon abhängen, wie dieser Prozess vonstatten geht, wie weit die militärische Infrastruktur an unsere Grenzen heranrücken wird.“
Russland sehe einen möglichen Beitritt Finnlands „eindeutig“ als Bedrohung, so Peskow. In Moskau war sogar von „militärisch-technischen Maßnahmen“ die Rede – der russischen Chiffre für Krieg. So weit muß es zwar nicht kommen. Doch die Unsicherheit wächst.
Brisante Beistandsklausel
Finnland verspricht sich durch den Beitritt mehr Sicherheit an der 1300 Kilometer langen Grenze zu Russland. Die Reaktion aus Moskau deutet jedoch auf mehr Unsicherheit hin. Die bisher friedliche Grenze droht zu einem Spannungsgebiet zu werden.
Die EU ist davon direkt betroffen. Denn als EU-Mitglied kann sich Finnland auf eine Beistandsklausel im EU-Vertrag berufen. Das Europaparlament hat sich bei einem Besuch von Nato-Generalsekretär Stoltenberg bereits zu militärischem Beistand bekannt.
Bis zum endgültigen Nato-Beitritt könnte die EU deshalb in einen Konflikt mit Russland gezogen werden. Die Blockbildung wird damit zu einem bedrohlichen Szenario; der 12. Mai könnte als weitere „Zeitenwende“ in die EU-Geschichte eingehen…
Siehe auch „EU erwägt militärischen Beistand für Schweden und Finnland“
Watchlist
Kappt Kremlchef Putin die Gasversorgung für Deutschland? Diese Sorge wächst, nachdem Putin am Donnerstag Sanktionen gegen Gazprom Germania angekündigt und gedroht hatte, die Füllung von Gasspeichern zu verbieten. Die Befüllung ist jedoch ein wesentlicher Teil der Strategie, mit der Energieminister Habeck Deutschland unabhängig von russischem Gas machen will. Die Details hatte der Grünen-Politiker in den letzten Tagen ausgeplaudert, offenbar hat Putin zugehört… – Mehr hier
Was fehlt
Die EU-Hilfe beim ukrainischen Weizenexport. „20 Millionen Tonnen Getreide müssen in weniger als drei Monaten mit Hilfe der EU aus der Ukraine gebracht werden“, sagte EU-Verkehrskommissarin Adina Valean am Donnerstag. Dazu solle eine Logistikplattform eingerichtet sowie die Lagerkapazitäten der Mitgliedstaaten überprüft werden. Derweil kündigte Russland, das die ukrainischen Exporte auf dem Seeweg blockiert, eine Rekordernte beim Weizen an…
european
15. Mai 2022 @ 18:32
Unterdessen verbietet Indien in diesem Jahr die Weizenexporte und G7 regt sich auf. Wie können die Inder nur daran denken, bei den weltweiten Preisexplosionen (nicht zuletzt durch die Sanktionen gegen Russland) ihre Bevölkerung zu moderaten Preisen satt zu bekommen?
https://www.tagesschau.de/ausland/asien/indien-weizen-export-101.html
Burkhart Braunbehrens
13. Mai 2022 @ 09:41
Sollen wir jetzt ein nostalgischer Altherrenverein werden, früher war alles besser?
Ich gehöre zwar Jahrgang 41 eher zu den Älteren und sehe die Entwicklung der parallelen Krisen auch als bedrohlich, aber wir haben sie uns doch alle selbst eingebrockt. Viel zu spät angemessen auf die imperialen rabiaten Aktionen Putins reagiert und die Milliarden in die Bekämpfung unserer Finanzkrisen gepumpt und nicht in Solaranlagen in Afrika. Und jetzt sind wir uns wieder mehr oder weniger gezwungen, weil wir kein Mittel gegen Putin und seine Aggression anders hinbekommen, in einer Allianz mit der imperialen Politik der USA. Zwei marode Imperien und eine neue imperiale Weltmacht China. Europa hat da nicht die Möglichkeit, sich als 4. Imperium einzubringen, sondern hat nur eine Chance, wenn es seine Macht konsequent antiimperial und antikolonial in Zusammenarbeit mit der UNO ausrichtet, und sich ehrlich macht, anstatt immer nur im Windschatten der Mächtigen die besten Wirtschaftschancen zu nutzen, die ja ebenfalls durchaus kolonialer Struktur sind, siehe Afrika, TTIP, CETA. Das wäre die Aufgabe, und ich sehe wenig Kräfte, die sie anpacken.
ebo
13. Mai 2022 @ 11:41
Nein, Nostalgie ist fehl am Platze. Die Zeitenwende kam ja schon am 11. September 2001, seither steckt das Weltsystem in der Dauerkrise. Die EU hat sich ingesamt recht gut geschlagen.
Frustrierend ist allerdings, dass die Politik immer wieder als alternativlos präsentiert wird. Das ist sie aber nicht, auch heute nicht.
Die EU ist keineswegs gezwungen, eine „Allianz mit der imperialen Politik der USA“ einzugehen. Sie könnte sich auch als souveräner „vierter Pol“ in einer multipolaren Welt etablieren, wie es Macron vorschwebt. Auch der Wirtschaftskrieg ist kein Schicksal, die Europäer können die Sanktionsspirale aus eigenen Stücken beenden und auf Länder wie Indien zugehen, statt diese auch noch zu drangsalieren.
Leider wird über diese und viele Alternativen derzeit nicht einmal diskutiert. Das war früher anders…