Der Euro wird (ein wenig) sicherer, die EU-Reform wird vertagt – und Merkel zögert

Die Watchlist EUropa vom 2. Dezember 2020 –

Die lange blockierte Reform des Eurorettungsfonds ESM kommt in Fahrt. Das Finanzinstitut, das in Luxemburg sitzt und von dem Deutschen Klaus Regling geleitet wird, soll mehr Kompetenzen erhalten und künftig auch marode Banken absichern. Dies beschloß die Eurogruppe, nachdem Italien seinen Widerstand aufgegeben hatte. Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire sprach von einem Durchbruch.

„Dieser Einigung kommt strategische Bedeutung zu“, sagte Le Maire. Die Eurozone werde nun das „am besten geschützte“ Währungsgebiet der Welt. Durch die Reform würden sowohl die Staaten als auch die Banken besser abgesichert.

Auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz zeigte sich erfreut. „Wir machen die Eurozone noch robuster gegenüber den Attacken von Spekulanten“, so der SPD-Politiker.

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Allerdings gilt der nun geplante „Backstop“ für Pleite-Banken erst ab Anfang 2022 – womöglich zu spät für die Krise, die die Euro-Währungsunion derzeit durchläuft.

Denn schon bald könnten europäische Finanzinstitute in Schieflage geraten, wie der Internationale Währungsfonds (IWF) warnt. Der „Backstop“ sieht vor, dass der ESM einspringt, wenn dem Bankenabsicherungsfonds SRF das Geld ausgeht.

Mit der Reform könne das Sicherheitsnetz für die Banken auf 68 Milliarden Euro anwachsen, sagte Le Maire. Insgesamt verfügt der „European Stability Mechanism“ über ein Kreditvolumen von 500 Milliarden Euro.

Damit kann er sich mit dem neuen Corona-Aufbaufonds messen, der bis zu 750 Milliarden Euro erhalten soll. „Die EU schützt doppelt vor der Krise“, freute sich der Franzose.

Kritisch äußerte sich dagegen der Europaabgeordnete Sven Giegold. „Der Backstop ist zu klein, zu unpraktisch, zu unverbindlich“, sagte der grüne Finanzexperte. Viel Glaubwürdigkeit werde dadurch verspielt, dass jeder Einsatz erst vom Großteil der Eurogruppe genehmigt werden muss.

Im Ernstfall würden die Finanzmärkte so weiter auf die Pleite von Banken wetten, befürchtet Giegold. Und Deutschland hätte es in den Hand, eine Rettung mit seinem Veto zu verhindern.

Es gibt aber noch ein anderes Problem: Die seit 2012 geplante Bankenunion ist mit der nun beschlossenen Reform immer noch nicht vollendet.

Es fehlt ein zentraler Baustein – die gemeinsame Einlagensicherung. Der Grund: Deutschland will nicht mitmachen und stellt immer neue Bedingungen…

Siehe auch „Das war’s dann wohl mit der Euro-Reform“ und „Von der Coronakrise in die Eurokrise?“

Watchlist

Knickt Kanzlerin Merkel vor Ungarn und Polen ein? Diese Frage könnte sich am Mittwoch entscheiden. Denn an diesem Tag läuft ein inoffizielles Ultimatum des deutschen EU-Vorsitzes an die beiden Länder ab, die das neue EU-Budget und den Corona-Hilfsfonds blockieren. Der Streit kreist um den Rechtsstaats-Mechanismus, an den das EU-Budget gebunden werden soll. Merkel hatte am Montag erklärt, dass sich alle Beteiligten für einen Kompromiß bewegen müssten – doch nun läuft ihr selbst die Zeit davon. Und einen „Plan B“ hat gibt es nicht, wie Ratspräsident Michel erklärte…

Was fehlt

Der Streit um die EU-Zukunftskonferenz. Eigentlich sollte die Konferenz, die das Debakel bei der Europawahl aufarbeiten und Reformen anstoßen soll, unter deutschem EU-Vorsitz beginnen. Doch Berln und das Europaparlament in Brüssel können sich nicht auf einen Vorsitzenden einigen. Der Vorschlag des Europaparlaments, den Belgier G. Verhofstadt an die Spitze zu setzen, stößt auf Widerstand im Rat. Der deutsche Staatsminister M. Roth sagte nach Beratungen mit seinen Amtskollegen, leider seien noch nicht alle Fragen geklärt. Einen Termin für den Konferenzstart nannte er nicht…

Das Letzte

Der Chef der Grenzschutzbehörde Frontex, Leggeri, hat den Vorwurf illegaler Zurückweisungen von Migranten zurückgewiesen. Interne Untersuchungen hätte keine Beweise für „aktive, direkte oder indirekte Teilnahme“ von Frontex-Beamten an sogenannten Pushbacks geliefert, sagte Leggeri im EU-Parlament. Abgeordnete forderten dennoch den Rücktritt des Franzosen. „Es wird deutlich, dass der Exekutivdirektor in vielen seiner Verantwortlichkeiten gescheitert ist und als Konsequenz für sein Handeln zurücktreten sollte“, sagte die SPD-Parlamentarierin B. Sippel.