Bankenkrise? Ach was, wir haben Regeln!
Italien warnt. Blackrock warnt. Die Deutsche Bank warnt. Doch für Eurogruppenchef Dijsselbloem gibt es keine Bankenkrise in Europa. Und der Brexit ist natürlich auch kein Problem.
Zwar dürfte der britische EU-Austritt das Wachstum in Euroland um 0,5 % dämpfen, sagt die EU-Kommission. Doch Dijsselbloem hält an seinen Plänen zum Schuldenabbau fest, er will Portugal und Spanien strafen.
Und zwar sind die Finanzmärkte seit dem Brexit in Aufruhr; ausgerechnet den Euro-Banken droht der Ausverkauf. Doch Dijsselbloem klammert sich an die neuen Bail-in-Regeln, er schließt nationale Gegenmassnahmen aus.
Dabei muss man taub und blind sein, um nicht zu erkennen, dass der Brexit die Regeln geändert hat. UK ist jetzt ein aggressiver, unberechenbarer Gegenspieler, kein Partner mehr, die EU-Regeln greifen ins Leere.
Dass diese bittere Wahrheit ausgerechnet von den Finanzhaien der Deutschen Bank und von Blackrock ausgesprochen wird, ist kein Grund, sie zu ignorieren – oder? Dijsselbloem tut es, er will auf Stresstests warten…
Hella-Maria Schier
14. Juli 2016 @ 04:22
Ist mir ja immer noch nicht klar, warum immer automatisch jeder, der kein Fan dieser real existierenden EU (mehr) ist, automatisch ein Rechtspopulist sein soll. Es gibt nämlich eigentlich eine Menge gute Gründe für linke EU-Skepsis! Früher waren sie auch noch öfter zu hören. Dem wollte man wohl entgegenwirken.
Heute wird Euro-Skeptikern die rechte Orientierung ja geradezu aufgedrängt. Hallo! Das ist Propaganda! Und sie schafft Rechte,Denken Sie doch mal nach. Sie sagt: “Hallo, du bist ein Kritiker der EU? Dann gehörst du dort hin,da drüben rechts”
Ein Groß-Teil der kritischen Bürger hält dann den Mund um nicht “rechts” zu sein. Auch die meisten Linken scheuen diesen Ruf, wie der Teufel das Weihwasser. Übrig bleiben also diejenigen, die nichts dagegen haben, als rechts gesehen zu werden, also Rechte und bisher Unpolitische. Sie bedanken sich für die Orientierungshilfe und .gehen ins rechte Eckchen, welches bald mächtig anwächst und die ursprünglich pure Behauptung, EU-Kritik sei per se rechts.(oder versponnen)nun zu bestätigen scheint. Eine selffulfiling prophesy.
Sie könnte der EU Rechtfertigung liefern immer mehr Macht in Brüssel zu konzentrieren um der (selbstgeschaffenen) nationalistischen Gefahr entgegenzuwirken.
Aber es wäre keine Flucht in Demokratie,. die scheint in Brüssel nicht mehr vorgesehen zu sein. Es könnte eine Falle sein.. .
Peter Nemschak
12. Juli 2016 @ 18:05
@ebo Letztlich wird es mit Italien zu einem Kompromiss kommen. Irgendwann muss man beginnen, die Gläubiger in die Haftung zu nehmen. Die nachrangigen Gläubiger bieten sich dazu an. Das kann man auch einem breiten Publikum erklären. Nur wegen der Rechtspopulisten darf die EU keine weiche, prinzipienlose Wirtschaftspolitik verfolgen. Sollten die Rechtspopulisten kommen, werden sie auch nicht ewig an der Macht halten können. Dann gibt es halt für eine Zeit weniger europäische Integration, bis die Menschen merken, dass das auch keine Lösung ist. Demokratie wirkt eben nicht nur in eine Richtung.
ebo
12. Juli 2016 @ 18:12
Die Rectspopulisten sind jetzt in Ungarn, Polen und Uk an der Macht, sie halten sich mithilfe von Merkels EVP ganz gut…
Peter Nemschak
12. Juli 2016 @ 21:05
Das nennt man angewandte Demokratie, auch wenn es nicht allen in den Kram passt. Unglaublich, schon wieder ist Merkel an allem schuld. Sie müssen einen Merkel-Komplex haben. Irgendwann werden die Bürger der Versprechungen der Rechtspopulisten, auch in Osteuropa, überdrüssig und zu einer Veränderung bereit sein. Das ist der Vorteil gegenüber totalitären Regimen. Man muss demokratische Entscheidungen (je nach Naturell zähneknirschend oder gelassen) akzeptieren, auch wenn man selber anders entschieden hätte – oder auswandern.
GS
12. Juli 2016 @ 17:23
Ich sehe es etwas anders. Die italienischen Banken sind ja schon lange marode (die deutschen aber offensichtlich auch). Neulich las ich irgendwo (weiß leider nicht mehr wo) die spannende Geschichte der italienischen Bankenlandschaft. Im Grunde war es so, dass es seit Jahrzehnten in Italien Banken gibt, die in schwerer Schieflage stecken. Die Schieflagen wurden jeweils dadurch gelöst, dass Banken fusionieren. Und das ginge nun aus wettbewerbsrechtlichen Gründen nicht mehr.
Naiv ist freilich die Vorstellung, dass man bei einer großen Bank in einem großen Land wie Italien tatsächlich einen Bail-in politisch durchsetzen könnte. Und der normale Bankkunde, der für alle möglichen Zusammenhänge überhaupt keine Verantwortung trägt, ist der Blöde. Hier zieht die Karte “Eigenverantwortung”, wie oben in den Kommentaren eingefordert wird, nicht. Wo soll man schon noch hin mit seinen paar Kröten? Außer unter das Kopfkissen.
Aber andererseits sehe ich es auch überhaupt nicht ein, dass jetzt die Steuerzahler der anderen Länder (lies: Deutschlands) zur Kasse gebeten werden sollen, um die Einlagen in Italien bei zum Großteil hausgemachten Problemen zu sichern. Vor allem, wenn man sich die Situation in Deutschland anguckt. Erstens kommt der Bailout für die Deutsche Bank auch immer näher, zweitens läuft hier schon wieder mit einer unglaublichen Nonchalance die nächste Steuererhöhungsdebatte, natürlich wieder losgebrochen von unseren grünen Freunden (wer wählt die???). Uns geht es ja allen ach so gut in Deutschland – komisch, mal dafür sorgen, dass nicht alles beim Staat landet, damit tatäschlich mal jemand merken könnte, wie gut es uns geht, darauf kommt hier keiner. Die Normalbevölkerung wird hier ausgepresst wie eine leere Zitrone. Mir reicht’s langsam. Ich denke zunehmend über meinen eigenen Exit nach.
Fazit mal wieder: Was für eine katastrophale Konstruktion, dieser Euro. Alle denkbaren “Lösungen” produzieren systematisch Verlierer. Wie kann man das verteidigen?
ebo
12. Juli 2016 @ 17:40
@GS Wer sagt denn, dass der dt. Steuerzahler zahlen soll? Niemand! Renzi will den italienischen Staat belasten, also die italienischen Steuerzahler, damit sie die Banken stützen, an denen sie die meisten Aktien halten. Und das will Deutschland verhindern, das bereits die Commerzbank und diverse andere Pleiteinstitute mit Steuermilliarden gestützt hat und bei einer Schieflage der Deutschen Bank nicht eine Sekunde zögern würde, wieder in die Tasche zu greifen!
GS
12. Juli 2016 @ 17:49
Das sagt in der Tat noch niemand. Aber ich denke schon mal weiter. Ich frage mich nämlich, was wohl die Finanzmärkte zur Kreditwürdigkeit Italiens sagen werden, wenn die Italiener ganz allein anfangen, ihren Bankensektor zu stützen.
ebo
12. Juli 2016 @ 17:55
Deshalb bitten sie ja um das Banking der EU, und das verweigert der Deutsche. Schon Monti wurde nicht unterstützt, soll nun auch noch Renzi dran glauben? Danach kommen die fünf Sterne, und dann gute Nacht…
Peter Nemschak
13. Juli 2016 @ 10:00
Ein Blick auf die Target-Salden wird sie eines Besseren belehren, oder hat Professor Sinn etwa unrecht mit seiner Argumentation?
ebo
13. Juli 2016 @ 10:15
Professor Sinn ist jetzt pensioniert, seinen Unsinn müssen wir nicht mehr ertragen.
Claus
12. Juli 2016 @ 10:11
So, so, „der britische EU-Austritt dürfte das Wachstum in Euroland um 0,5% dämpfen“ sagt die EU-Kommission. Da haben die hochdotierten Experten von Eurostat mal wieder in die Glaskugel geschaut und dann bei den Kommissaren nachgefragt, welcher Grad an Horrorszenario prognostiziert werden soll oder darf. Bei der gegebenen Unschärfe im Reporting bzw. Forecast von 28 (27) Ländern ist dieser Schwachsinn nicht mehr zu überbieten. Spräche man bei „Statistiken“ im Bereich von 0,5%-von Stagnation oder sogar von leichtem Zuwachs statt Dämpfung, käme es in Bezug auf die Authentizität der Prognose und die damit gewonnene Erkenntnis aufs gleiche raus.
ebo
12. Juli 2016 @ 11:42
Der IWF kommt zu ähnlichen Ergebnissen: https://www.theguardian.com/business/2016/jul/08/imf-cuts-growth-predictions-for-eurozone-over-post-brexit-confusion
Peter Nemschak
12. Juli 2016 @ 13:47
http://www.nzz.ch/meinung/kommentare/die-zukunft-der-eu-begrenzung-nach-einer-ueberdehnung-ld.105126
Das wäre eine richtige Antwort auf die Dauerprobleme der EU: differenzierte Integration, um der kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Heterogenität der Mitgliedsländer Rechnung zu tragen. Sie wird, getrieben durch das nationale Interesse der Mitgliedsländer kommen, unabhängig davon ob die EU in der jetzigen Form Bestand hat oder nicht. Portugal abzustrafen ist konsequent, zeigt aber, dass eine Mitgliedschaft im Euro nicht für alle Staaten zweckmäßig ist. Mit dem Euro eine Sozialunion zu erzwingen, wird auf den erbitterten Widerstand jener stoßen, die finanziell dafür aufkommen müssen – eine Illusion unter anderen.
Peter Nemschak
12. Juli 2016 @ 09:38
Man kann nicht so weiter machen wie bisher. Die italienische Misswirtschaft schreit zum Himmel und gefährdet die EU. Angesichts der Systemrisiken wären die Regeln allerdings mit Augenmaß anzuwenden. Aktionäre und nachrangige Gläubiger müssen endlich einmal zur Kasse gebeten werden, auch wenn es manche Kleine trifft. Sonst ändern sich die Mentalitäten des Publikums nicht. Die vorrangigen Gläubiger könnte man dieses Mal noch laufen lassen, ihnen aber die Botschaft geben, dass sie beim nächsten Mal nicht so billig davonkommen werden. Die Menschen müssen an Risiken gewöhnt werden, Zinsdifferentiale signalisieren unterschiedliche Risiken. Das geht nicht ohne Schmerzen. Die Erwartungshaltung der Märkte muss mit geschickter Hand gesteuert werden. Das kann die Politik von den Zentralbanken lernen. Umgekehrt verstehe ich Dijsselbloem. Politik ist nicht schmerzfrei, und Politiker jedweder Couleur sind Schmerzvermeider für ihre Klientel. Wenn jeder ungestraft gemeinsam vereinbarte Regeln missachtet, kommen wir nicht voran.
S.B.
12. Juli 2016 @ 13:05
“Die Menschen müssen an Risiken gewöhnt werden,…” – Der allumfassende Nanny-Staat in Form des Wohlfahrtsstaates, hat leider sehr viel Arbeit geleistet, insbesondere Otto-Normal-Verbraucher jegliches Verantwortungs- und damit Risikobewusstsein für ihr eigenes Handeln abzuerziehen. Die Politik wiegt das Publikum in einer subtilen Scheinsicherheit, dass der Staat schon alles für ihn richten werde. Ein gewaltiger Trugschluss, wie sich beim System-Reset noch überdeutlich zeigen wird. Dieses Muster wieder umzukehren, geht wohl nur auf die harte Tour, sonst tritt kein nachhaltiger Lerneffekt ein.
Hella-Maria Schier
14. Juli 2016 @ 03:52
@ S.B. Besonders der Otto-Normal-Verbraucher soll Schuld sein? Der Wohlfahrtsstaat? Wo gibt es den denn in Süd-Europa? Wo könnten die Menschen dort eine Versorgungsmentalität gelernt haben? Ihre Sicherheit beruht auf den alten Familienstrukturen, die sie vor dem totalen Absturz retten.
Wie ich sehe und wie ja immer wieder festgestellt wird, sind die kritisierte “finanzielle Verantwortungslosigkeit” und die Mentalität des Leichtsinns in Spanien, Griechenland etc. ausgeprägter als bei uns – aber der “Nanny-Staat” kanns in Ermanglung desselben im Süden nun wirklich nicht sein.
Während schon in unserem Minimal- Wohlfahrtsstaat offenbar verantwortungsvollere Bürger heranwachsen. Wenn man eine Solidargemeinschaft hat, empfindet man nämlich logischerweise mehr Verantwortung für das Ganze, da es einem ja auch etwas zurückgibt.Und handelt also verantwortungsvoller. Während der so dümmlich idealisierte neoliberale Einzelkämpfer-.Staat, natürlich nur die Verantwortung für den eigenen Gewinn antrainiert. Warum sollte man da solide und ehrlich sein?.
Die Fans dieser Mentalität sind einfach verliebt in die “harte Tour”, dann fühlen sie sich “männlich”, auch die Frauen.Sie brauchen diese Reibung, eine Wildwest-Mentalität. Völlig ungeeignet für gemeinschaftliche Projekte, da sie nur Konkurrenzempfinden kennen. Völlig ungeeignet für die EU, die ein Gemeinschaftsprojekt war, bei dem Solidarität eine Rolle spielt…
S.B.
12. Juli 2016 @ 09:24
“Dabei muss man taub und blind sein, um nicht zu erkennen, dass der Brexit die Regeln geändert hat.”
Dieses These verstehe ich nicht. Gab es vor dem Brexit etwa keine aggressiven, unberechenbaren Gegenspieler gegen die EU, welche die EU-Regeln ins Leere laufen lassen haben?
Den Banken in der EU (und nicht nur dort) geht es seit spätestens 2007 grottenschlecht. Sie sind defacto Pleite. Nicht umsonst kauft die EZB den Banken jedweden Finanz-Schrott, der ihr in die Quere kommt ab und lässt damit defacto selbst die Regeln ins Leere laufen. Genützt hat es allerdings nichts, abgesehen von dem Umstand, dass der Zusammenbruch zeitlich nach hinten verschoben wurde. Nun mag der Brexit den beklagenswerten Zustand der Banken noch etwas verstärken. Ganz gewiss ist er aber nicht die Ursache dafür, dass die EU-Banken insolvent sind. Das wissen auch die gelernten Subventionsabgreifer bei Black Rock und Deutsche Bank. Der Brexit bietet ihnen aber erneut die günstige Gelegenheit, um noch mehr Steuergelder einzufordern und so das nicht mehr funktionierenden Geschäftsmodell weiterhin, wenn auch nur als Zombies, betreiben zu können.
ebo
12. Juli 2016 @ 13:12
@S.B. Die Briten wollen ihr Land und speziell die City nach dem Brexit zu einem Steuerparadies nach irischem Vorbild umbauen. Sie werden sich dann auch nicht mehr an die EU-Regeln für Defizite und Banken halten. Schon jetzt lachen sie sich darüber schlapp, dass wir Länder wie Portugal mit 4% Defizit abstrafen – und gleichzeitig Italien mit seiner Bankenkrise allein lassen….
S.B.
12. Juli 2016 @ 17:22
@ebo: Schuld sind aber nicht die Briten, sondern der irre EU-Laden, in dem es hinten und vorne nicht stimmt. Die Briten haben sich nur aus dessen Fängen befreit. Gut so!
ebo
12. Juli 2016 @ 17:38
Aber der Brexit löst nun Verkäufe in Euroland aus, nicht aber in UK, das ist doch auch irre!
S.B.
12. Juli 2016 @ 21:53
@ebo: Das ist nicht irre, sondern zeigt, dass das Modell EU schlicht nicht wettbewerbsfähig ist.