Ausputzer Draghi
Die EZB fährt große Geschütze gegen Deflation und Kreditklemme auf. Mit Negativzinsen und einem Liquiditätsprogramm für Südeuropa will EZB-Chef Draghi gegen die Spätfolgen der Eurokrise ankämpfen. Doch die meisten Experten sind skeptisch – so auch bei unserem Hangout “Ökonomen live”.
He did it again. Wie schon vor zwei Jahren, als die Politik keinen Ausweg aus der Spekulation gegen den Euro fand, hat sich Draghi auch nun wieder in die Bresche geworfen.
Gegen Deflations-Gefahr und Kreditklemme im Süden fuhr er schweres Geschütz auf. Zwar schwenkt die EZB noch nicht voll auf das umstrittene “Quantitative Easing” ein.
Doch schon jetzt geht sie vielen zu weit. Die Sparkassen fürchten eine “Enteignung der Sparer”, auf SPON wird “das Ende es Kapitalismus” beschworen. Nur die Märkte freuen sich.
Der Dax kletterte kurz über die magische 10.000er Marke. Der Euro erlitt zwar einen kurzen Schwächeanfall, legte dann aber wieder an Wert zu. Doch die Freude dürfte nicht lange anhalten.
Die meisten Experten sind sich nämlich einig, dass Draghis Mittel nun (fast) erschöpft sind. Es ist ein (vor-)letzter verzweifelter Versuch, mitHilfe der Geldpolitik die Probleme zu lösen, die die “Euroretter” hinterlassen haben.
Mit ihrer deflationären Austeritätspolitik haben sie Südeuropa in eine Dauerkrise gestürzt. Zugleich haben sie es versäumt, im Norden für Investitionen und Wachstum zu sorgen.
Mehr dazu im Video, das wir in der Reihe “Ökonomen live” aufgenommen haben. mit von der Partie sind A. Kuster (“Wirtschaftswurm”) und D. Elsner (“Blicklog”). Viel Spaß!
Siehe zu diesem Thema auch “Europe is in a mess” und “Die EZB, der Euro und die Angst”
Peter Nemschak
6. Juni 2014 @ 10:49
Die EZB ist keine Wunderwaffe. Sie kann die Finanzierungsbedingungen für die Unternehmen erleichtern, aber Wirtschaftspolitik der Regierungen nicht ersetzen. Strukturreformen, sei es Verwaltungsreform (Beispiele: Frankreich, Österreich), Pensionsreformen (Beispiel: Österreich mit einem faktischen Pensionsantrittsalter von 58 Jahren für Männer!), Liberalisierung von Zugangsbeschränkungen im Dienstleistungsbereich (Rechtsberufe, Apotheken, Anerkennung von Diplomen etc.), Arbeitsmarktreformen (ein prominentes Beispiel: Italien mit seinem zweigeteilten Arbeitsmarkt!), Bildungspolitik kommen nur sehr langsam voran, weil die Politik Gefälligkeitspolitik (Klientelpolitik) betreibt und nicht imstande ist, ein Gesamtkonzept auf die Beine zu bringen und alle gesellschaftlichen Gruppen an den Lasten zu beteiligen. Allzu gerne wird die EU für etwas verantwortlich gemacht, wenn die Nationalstaaten versagen. Das damals sozialistische Schweden war in den 90-iger Jahren ein vorbildliches Beispiel, wie man den Staatshaushalt sanieren kann. Dass die Regulatoren bei der Kreditvergabe der Banken Staaten zu Lasten von Unternehmen bevorzugen, sei nur nebenbei in Erinnerung gerufen.