Asselborns Vermächtnis, Camerons Comeback – und Scholz plant für 2029
Die Watchlist EUropa vom 14. November 2023 –
So hat sich Jean Asselborn seinen Abgang wohl nicht vorgestellt. Ausgerechnet beim letzten Ratstreffen in Brüssel, an dem der scheidende Außenminister Luxemburgs teilnehmen durfte, hat sich die Weltlage apokalyptisch zugespitzt.
In der Ukraine tobt ein Krieg ohne Ende. In Israel schlagen Raketen ein. In Gaza müssen die letzten Krankenhäuser nach Bombardements schließen. Und der EU fällt nicht mehr ein, als “Waffenpausen” fordern.
“Hier sind Babys, die ersticken, weil kein Sauerstoff mehr da ist. Es sind Menschen, die in der Intensivstation liegen und keine Chance haben”, sagte Asselborn zu der verzweifelten Lage in Gaza-Stadt.
Die letzte Mahnung
Das unendliche Leid, das in Israel geschehen sei, dürfe sich nicht in Gaza wiederholen, mahnte der dienstälteste Chefdiplomat der EU. Krankenhäuser dürften nicht zum Schlachtfeld werden.
Dabei ist genau das eingetreten – unter den Augen der Weltöffentlichkeit. Doch niemand regt sich, um die Kriegsverbrechen auf beiden Seiten zu beenden. Deutschland lehnt sogar einen Waffenstillstand ab!
“Die Geschichte wird uns das nicht verzeihen”, mahnt Asselborn, der nach der Wahlniederlage seiner letzeburgischen Sozialdemokraten bald die Regierung verlassen wird. Man dürfe das Undenkbare nicht geschehen lassen.
Seine Welt geht unter
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Was für ein bitteres Vermächtnis! Er war der offenste, ehrlichste und wohl auch menschlichste Außenminister, den die EU in diesen dunklen Jahren hatte. Nun muß er hilflos mitansehen, wie seine Welt untergeht.
Zwar haben seine Amtskollegen nun doch noch eine “sofortige Waffenpause” gefordert. Doch der dringende Appell, den EU-Chefdiplomat Borrell formulierte, verhallte ungehört.
Regierungschef Netanjahu hört nicht mehr auf die EU. Die Union, die im Nahen Osten einst für ihre “Soft Power” gerühmt wurde, hat nichts mehr zu melden. Asselborn bald auch nicht mehr…
Siehe auch “Die neue EU-Krise: Das Ende der Soft Power”
P.S. “Spiegel”-Reporter Severin Weiland zitiert Baerbock mit den Worten: “Wenn solche besonders geschützten Orte wie Krankenhäuser als Abschussbasen oder Kommandozentren genutzt würden, könnten diese besonderen Orte ihren Schutz verlieren.” Wenn das stimmt, dann hat sie sich als Anti-Asselborn geoutet!
These are the sounds of the final gasp from Gaza’s collapsing healthcare system. @nadaabashir reports. pic.twitter.com/IbPzi3LUH7
— Christiane Amanpour (@amanpour) November 13, 2023
News & Updates
- Scholz plant schon für die Zeit nach der Europawahl. Bundeskanzler Scholz ist am Montagabend mit einer exklusiven Gruppe von Staats- und Regierungschefs zusammengetroffen, um über die Zukunft der EU zu beraten. Bei dem Gespräch im Kanzleramt sollte über die “politischen Leitlinien” für die fünf Jahre nach der Europawahl 2024 diskutiert werden. – Das Wahlergebnis will man offenbar nicht abwarten – ist eh egal!?
- Baerbock will Ukraine-Hilfe massiv ausweiten. Deutschland positioniert sich mehr und mehr als Militärmacht. Nun hat Außenministerin Baerbock eine massive Ausweitung der Ukraine-Hilfe angekündigt. Auf EU-Ebene hingegen gibt sich Berlin knausrig. – Mehr im Blog.
- Was Barley in EUropa vorhat. Trotz zäher Jahre und schwacher Bilanz kandidiert Katarina Barley erneut für das Europaparlament. Die SPD-Politikerin sieht sich als Gegenpol zu EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. – Mein Porträt im “Cicero” steht hier.
Das Letzte
Camerons bizarres Comeback. Der ehemalige britische Premier, der sein Land in den Brexit führte, ist wieder da: als Außenminister! Das ist das Ergebnis einer überraschenden Kabinettsumbildung von Regierungschef Sunak. Damit wird Cameron, der bis zuletzt von Ex-Kanzlerin Merkel gehätschelt wurde, für die Neuordnung der nach dem Brexit ziemlich zerrütteten Beziehungen zur EU zuständig. Verrückter geht es wohl kaum noch…
Godfried van Ommering
14. November 2023 @ 16:16
Asselborn muß den Karlspreis 2024 bekommen! Dafür zu plädieren hätte mich vor Jahren noch begeistern können, als ich noch nicht wußte, welcher Geist im Karlspreis-Kuratorium das Sagen hat. Jetzt betrachte ich es als die größere Ehre von diesem nicht gekürt zu werden! Ich kann übrigens schon ahnen in welche Richtung die Suche nach den kommenden Preisträger geht.
KK
14. November 2023 @ 12:44
„…zitiert Baerbock mit den Worten: „Wenn solche besonders geschützten Orte wie Krankenhäuser als Abschussbasen oder Kommandozentren genutzt würden, könnten diese besonderen Orte ihren Schutz verlieren.““
Unsere sich sonst als gefühlig-moralische Instanz gebende Chefaggressorin outet sich endlich unumwunden als das, was sie tatsächlich ist: Als eiskalte Technokratin, denen menschliche Schicksale derer, die nicht in ihr enges Weltbild passen, am Gesäss vorbei gehen. Während sie um jedes auch nur vermeintlich gestorbene, verletzte oder traumatisierte ukrainische Kind bittere Krokodilstränen vergiesst, hat sie für erstickende Neugeborene in palästinensischen Krankenhäusern nur solche Worte übrig.
WIDERLICH!
Bogie
14. November 2023 @ 14:36
In der Tat, neben Zack-Zack-Irgendwas und Flinten-Uschi, eine der empathielosesten und doppelmoralischsten Politikerinnen der deutschen Nachkriegsgeschichte.
Stef
14. November 2023 @ 11:01
Ich setze keine Hoffnungen mehr auf Parteien, auch nicht auf die von Wagenknecht, für die ich Sympathie hege.
Die Lage ist extrem bitter und Bogie stimme ich vollauf zu.
Baerbock macht sich in einem bisher unerreichten Maße lächerlich, wenn man ihre hier zitierte Aussage mit dem abgleicht, was sie in Sachen Ukrainekrieg erst vor kurzem von sich gegeben hat. Gleichzeitig kommt sie kaltherzig und hart im Fernsehen rüber, das ist genau das Gesicht Deutschlands, das ich nicht mehr sehen will. Israel geht gegenüber dem Gazastraifen und den Palästinensern dieser Tage rücksichtslos vor, dagegen verhalten sich die beiden Kriegsparteien in der Ukraine zurückhaltend. Sowohl die Ukraine als auch die Russen, die ihr Zerstörungspotenzial bis heute nicht annähernd ausgefahren haben und methodisch die Zivilbevölkerung schonen. Israel hat im Gegensatz zu den genannten Ländern keinerlei strategische Tiefe, von daher ist die Rücksichtslosigkeit zwar militärisch erklärbar. Aber sie ist gerade unter menschenrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu rechtfertigen.
Frau Baerbock deckt hier eine rechtsrevisionistische israelische Regierung bei der Anwendung faschistischer Methoden.
Towanda
14. November 2023 @ 09:02
Meine einzige Hoffnung ist die Partei von Wagenknecht.
Ansonsten geht es mir genauso.
Bogie
14. November 2023 @ 08:00
Ich habe mich noch nie derart dafür geschämt ein Deutscher zu sein.
Und im Laufe meines 65 Jahre währenden Lebens gab es wahrlich viele Gründe sich zu schämen. Seien es die Nazis in verschiedenen Regierungen, der völkerrechtswidrige Angriff auf (Rest-) Jugoslawien, die auch ins europäische Ausland (Griechenland) exportierte Austeritätspolitik, der ziemlich heuchlerische Umgang mit den Klimazielen und die unsägliche Verweigerung von Schutz/Unterstützung für Kurnaz, Assange und Snowdon, um nur einige zu nennen.
Diesmal ist es wieder eine sozialdemokratisch geführte Regierung unter Beteiligung der Grünen, die eine militaristische Politik gegen Menschenrechte, gegen unsere Lebensgrundlagen und damit gegen die Interessen der Menschen in diesem Land und Europa macht.
Und dabei triefen ihre Reden und die ihrer willfährigen Unterstützer, um das Wort Helfershelfer zu vermeiden, nur so vor pseudomoralischem Parhos.
Das Schlimmste daran ist die Hoffnungslosigkeit, die mich Angesichts des Mangels an jeglicher Alternative gerade beschleicht.
Herr Asselborn ist also nicht allein.
KK
14. November 2023 @ 12:49
“Diesmal ist es wieder eine sozialdemokratisch geführte Regierung unter Beteiligung der Grünen, die eine militaristische Politik gegen Menschenrechte, gegen unsere Lebensgrundlagen und damit gegen die Interessen der Menschen in diesem Land und Europa macht.”
Wobei ich nun wirklich nicht glaube, dass eine unionsgeführte Regierung derzeit irgend etwas auch nur ansatzweise besser machen würde. Ein Beispiel für Unionspolitik wütet ja derzeit in Brüssel an der Spitze der EUCO.
Vielleicht sehen unsere Nachkommen irgendwann von einem zukünftigen Guido Knopp eine Dokumentation “Hitlers Erben”, wer weiss…
Bogie
14. November 2023 @ 14:32
Ich geben Ihnen unumwunden Recht.
Allerdings habe ich von einer unionsgeführten Regierung noch nie etwas anderes erwartet.
Die SPD wird jedoch gewählt in der Hoffnung, dass sie etwas für die „kleinen Leute“ tun und die Grünen dafür, dass sie sich um den Erhalt unserer Lebensgrundlagen und früher auch um Frieden kümmern.
Deshalb und weil es eben weit und breit niemanden gibt, der diese Ziele ernsthaft verfolgt, bin ich so hoffnungslos.
KK
14. November 2023 @ 14:51
“Die SPD wird jedoch gewählt in der Hoffnung, dass sie etwas für die „kleinen Leute“ tun und die Grünen dafür, dass sie sich um den Erhalt unserer Lebensgrundlagen und früher auch um Frieden kümmern.”
Ja, das hatte ich 1998 tatsächlich noch so erwartet, als ich – zum allerletzten mal – die SPD gewählt hatte (die GRÜNEN waren mir da schon länger suspekt) – aber seitdem müsste doch jeder wahlberechtigte Realist in diesem Land sicher wissen, dass diese Parteien inzwischen für alles andere stehen als für ihre einstigen Ideale.