Angst vor Unruhen

Ein neues Gespenst geht um in Europa: soziale Unruhen könnten die Euro“rettung“ gefährden, heißt es unisono in Brüssel und Berlin.  Die Angst ist so groß, dass sich Finanzminister Schäuble heute sogar mit seinem Erzfeind trifft – dem griechischen Linken-Führer Tsipras.

Das hätte sich Sozialkommissar Andor wohl nicht träumen lassen: sein Sozialbericht, der letzte Woche in Brüssel veröffentlicht wurde (siehe: „Das Armutszeugnis“), hat die Chefetagen von Politik und Wirtschaft mobilisiert. Die wachsende Kluft zwischen Krisenländern im Süden und Profiteuren im Norden sowie die steigende Arbeitslosigkeit in Euroland haben die Angst vor sozialen Unruhen genährt.

Ganz offen räumen dies die Experten vom Ifo-Institut ein. Die größten Gefahren für die erhoffte wirtschaftliche Erholung lägen in möglichen sozialen Unruhen im Zuge der harten Sparpolitik oder in einer erneuten Eskalation der Schuldenkrise, heißt es in einer kürzlich veröffentlichten Studie, an der auch französische und italienische Forscher beteiligt waren.

Auch die Anleger des Pimko-Fonds machen sich im gerade erst von Brüssel ausgerufenen „Jahr der Bürger“ Sorgen um die soziale und politische Stabilität. In einem Interview mit der „Zeit“ nannte Anlagestratege Bosomworth neben den Wahlen in Italien auch die soziale Lage in Griechenland. Zitat:

Griechenland setzt die Reformen um, aber der Preis ist hoch: Die Arbeitslosigkeit ist auf einem Rekordhoch. Kommt es zu Unruhen in der Bevölkerung, könnte das langfristig eine große Gefahr für das Land bedeuten. Mit einem Schuldenstand von 170 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ist die öffentliche Verschuldung einfach zu hoch. Es wird wahrscheinlich irgendwann zu einem Schuldenerlass kommen.

Diese Sorge wird offenbar von der Bundesregierung geteilt. Man möchte es zwar nicht laut sagen, doch auch in Berlin fürchtet man Proteste, die sich irgendwann auch direkt gegen das deutsche Spardiktat richten könnten.

Finanzminister Schäuble entschloss sich daher zu einem ungewöhnlichen Schritt: Heute empfängt er den griechischen Linken-Führer Tsipras in Berlin. Das Gespräch mit dem lange Verfemten ist auf Tsipras Wunsch zustande gekommen, soll aber laut BMF die griechische Linke ausbremsen.

Der Blog „keeptalkinggreece“ zitiert das BMF mit diesen Worten: 

“During the meeting of the two political leaders, Mr. Schaeuble is likely to convey a message “that the course that has been charted by the government of Samaras and the implementation of the Memorandum of Understanding is the only way to put the Greek economy durably back on in its feet,” said the official.

Dass Schäuble diese Message ‚rüberbringen will, klingt aus seiner Sicht plausibel. Doch dass diese Botschaft auch in Griechenland und den anderen Krisenstaaten ankommt, scheint mir ziemlich unwahrscheinlich.

Schließlich machen die sozialen Bewegungen schon mobil. Rund um den EU-Frühjahrsgipfel im März planen sie europaweite Proteste. Bei diesem Gipfel wollen Merkel und Schäuble übrigens ihren neuen Plan für mehr Wettbewerbsfähigkeit präsentieren.

Wie üblich stehen Arbeitsmarkt“reformen“ und Sozialabbau im Mittelpunkt (siehe „Hartz IV für alle?“). Doch genau dagegen wollen die sozialen Bewegungen protestieren. Da prallen Welten aufeinander…