Pakt auf Eis

Die Genossen könnten Merkel am Nasenring vorführen – werden sie es wagen?

Die Berliner Regierungskoalition verschiebt die Abstimmung über den Fiskalpakt. Man wolle auf den gestern angesetzten EU-Sondergipfel zum Wachstum Ende Mai warten, heißt es auf Zeit online. Das klingt harmlos, ist in Wahrheit aber ein Zeichen der Schwäche: De facto liegt der Austeritäts-Pakt damit auf Eis. SPD und Grüne haben es nun in der Hand, die Regierung am Nasenring vorzuführen.

Bisher gab sich Berlin kompromißlos: Der Pakt sei von den 25 beteiligten Staats- und Rgierungschefs unterschrieben worden und müsse nun auch eingehalten werden. Wo käme man da hin, wenn EU-Recht nach jedem Regierungswechsel neu verhandelt werden müsse, empörten sich Kanzlerin Merkel und Finanzminister Schäuble über Forderungen des neuen französischen Staatschefs Hollande.

Was Merkel und Schäuble verschweigen: Der Fiskalpakt ist gar kein EU-Recht, im Gegenteil: Er wurde den 27 von Deutschland und Frankreich, das damals noch von Sarkozy geleitet wurde, aufoktroyiert. Großbritannien sträubte sich, auch Tschechien macht nicht mit. Der Pakt ist daher nur ein zwischenstaatlicher Vertrag neben der EU, der von vielen Juristen angezweifelt, vermutlich auch angefochten wird (siehe “Merkels Meilenstein wackelt”). In Kraft tritt er erst, wenn ihn 12 Staaten ratifiziert haben; bisher sind es erst drei. 

Die Unterzeichnung eines solchen Vertrages bindet die Staaten keineswegs, wie das Beispiel Ukraine zeigt. Im April hatten die 27 EU-Staaten, darunter auch Deutschland, ein Assoziierungsabkommen mit Kiew unterzeichnet. Es ist jedoch noch nicht ratifiziert und damit auch noch nicht rechtskräftig. Wegen der Menschrechtsprobleme erklärte Außenminister Westerwelle kurz nach der Unterzeichnung, die Ratifizierung werde ausgesetzt, das Abkommen liege auf Eis.

Ein ähnliches Schicksal könnte nun den Fiskalpakt ereilen. Die Ratifizierung ist de facto ausgesetzt, da nach Paris nun auch Berlin auf Zeit spielt. Vor allem für die SPD ist dies eine Steilvorlage, denn Merkel bracuht ihre Zustimmung im Bundestag. Wenn die SPD es geschickt anstellt, kann sie gemeinsam mit dem Genossen Hollande so lange taktieren, bis Merkel weich geworden ist und ihr Spardiktat aufgibt bzw. ein Wachstumsprogramm auflegt.

Allerdings glaube ich immer noch nicht daran, dass Gabriel und die Stones dazu willens und in der Lage sind. Im Zweifel stimmt die SPD doch immer mit Merkel und nicht mit ihren Partnern. Es wäre erstaunlich, wenn Hollande da eine Ausnahme machte (siehe mein Beitrag “Hollande und die drei ???”). Schließlich wollen sie ja nicht als “Vaterlandsverräter” dastehen, in der “Welt” hat die Kampagne schon begonnen!

Aber lassen wir uns überraschen, die Dinge sind offen, Europapolitik ist wieder spannend geworden…


P.S. Wie man hört, ist nun auch das pünktliche Inkrafttreten des neuen Euro-Rettungsschirms ESM unsicher geworden. Offenbar hat Merkel Mühe, ESM und Fiskalpakt durch das Parlament zu bringen. Bin mal gespannt, wie die von Merkel so geliebten Märkte auf diese Meldung reagieren werden…

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