Oettinger kann nicht abschalten (Update 26.5.11)

In Fessenheim wird wohl noch viel Wasser den Rhein herunterfließen

Nach langem Streit hinter den Kulissen hat Energiekommissar Oettinger die Regeln für die Stresstests bei den Atomkraftwerken bekannt gegeben. Neu ist, dass neben Naturkatastrophen und technischen Problemen auch menschliches Versagen untersucht werden soll, womit auch Flugzeugabstürze gemeint sind. Zudem sollen EU-Experten die nationalen Stresstests überprüfen. Allerdings wird es selbst bei Problemen keine automatische Abschaltung geben.

„Wir stehen nicht als Abschaltautomatismus bereit“, sagte der Kommissar aus dem Noch-Atomland Baden-Württemberg. Die EU-Kommission habe auch gar nicht das Recht, Kraftwerke abzuschalten, da die Atomaufsicht in nationaler Hand liegt. Immerhin will die EU auf ihrem Dezember-Gipfel eine Zwischenbilanz der Stresstests ziehen und – wer weiß – auch die eine oder andere Entscheidung treffen.  

Ob dann zum Beispiel das AKW Fessenheim abgeschaltet wird, wie dies zunehmend auch französische Kernkraftkritiker fordern, bleibt jedoch offen. Über einzelne Reaktoren wollte Oettinger nicht sprechen. “Ich weiß, dass man mich in Deutschland und Österreich kritisiert, weil ich nicht noch weiter gehe”, räumte der Kommissar ein. Kritik komme aber auch aus anderen EU-Ländern. “Wenn man mittendrin steht, steht man gut”, so sein Fazit. 

Richtig ist, dass zwischen den Atomgegnern in Österreich und Deutschland und den Atomfans in Frankreich und Großbritannien kein weit reichender Kompromiss möglich war. Richtig ist auch, dass noch vor wenigen Monaten niemand geglaubt hätte, dass sich die EU überhaupt Gedanken über die Sicherheit der AKWs macht. Der Gau in Fukushima hat dies grundlegend geändert; Europa hat offenbar dazu gelernt.

Zwar bleiben die Tests, die ohnehin nur auf dem Papier stattfinden, freiwillig und unverbindlich. Doch immerhin sollen die Ergebnisse veröffentlicht werden. Dies gibt der wieder erstarkenden Anti-AKW-Bewegung die Möglichkeit, Druck auszuüben – und am Ende vielleicht doch noch die Schließung maroder Reaktoren zu erzwingen.

Eine andere Frage ist, ob nun alle Länder den strikten deutschen Sicherheitsstandards und womöglich auch noch dem deutschem Atomausstieg folgen sollen. Die Brüsseler Antwort lautet nein – denn dazu hatte die Kommission kein Mandat. Das könnte sich allerdings ändern. Wenn es Merkel ernst meint, müsste sie indes selbst die Initiative ergreifen.

So könnte die Kanzlerin aktiv werden, wenn beim Dezember-Gipfel erste Ergebnisse der Stresstests vorliegen. Sehr wahrscheinlich ist das allerdings nicht – denn dann ist das deutsche Super-Wahljahr mit der Super-Energiewende ja schon wieder vorbei…

Nachtrag 26.5.11

Nun will Merkel die AKW-Stresstests in die ganze Welt exportieren. Eine entsprechende Erklärung soll beim G8-Gipfel in Deauville verabschiedet werden. Vielleicht sollte Deutschland auch gleich noch ein Anti-Stress-Paket für marode Reaktoren anbieten. Das könnte sich zum Exportschlager entwickeln, zum Beispiel in Japan!?

 

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