Machtkampf mit Merkel
In der EU-Kommission ist ein Machtkampf um die Wirtschaftspolitik entbrannt. Dabei geht es nicht nur um Austerität. Umstritten ist auch das Investitionsprogramm, mit dem Brüssel das Wachstum ankurbeln will. In der Pole Position: Kanzlerin Merkel. Dabei bremst sie nach Kräften…
Wie schwer der Streit ist, wurde am Montag deutlich: Weil sich der deutsche Kommissar Oettinger und sein französischer Amtskollege Moscovici nicht einigen konnten, wurde die Stellungnahme zum französischen Budgetentwurf für 2015 um vier Tage verschoben – auf den kommenden Freitag.
Es geht um die Frage, ob Frankreich mehr sparen muss, um die EU-Vorgaben zu erfüllen. Oettinger fordert Härte für den “Wiederholungstäter”, Moscovici hält sich bedeckt.
Gleichzeitig kündigte eine Sprecherin von Kommissionschef Juncker intensive Debatten über das weitere Vorgehen an. Am Mittwoch will Juncker seinen Investitionsplan vorlegen.
Nach ersten durchgesickerten Details bleibt er jedoch weit hinter den Erwartungen zurück. Das Europaparlament zeigte sich enttäuscht und warnte Juncker davor, sein Versprechen zu brechen.
Juncker will nämlich offenbar kein „frisches“ Geld einsammeln, sondern nur bereits bestehende EU-Töpfe anzapfen. Zudem sieht sein Fonds mit dem blumigen Titel „Invest in Europe“ nicht etwa wie angekündigt 300 Mrd. Euro, sondern wohl nur 20 Mrd. Euro vor.
Den Rest – immerhin 280 Mrd. Euro – sollen private Investoren hinlegen, die durch großzügige Garantien und wohlklingende Projekte angelockt werden.
„Mit einer Verlustgarantie wird aus jedem Land in Europa ein Land mit bestem Kreditrating“, frohlockt Brüssel. Demgegenüber fürchtet der SPD-Europaabgeordnete U. Bullmann, dass es nur um einen riesigen Etikettenschwindel geht.
“Das Investitionspaket muss kräftig ausgestattet sein – eine schlichte Um-Etikettierung laufender Projekte darf es nicht geben.“
Mahnende Worte kommen auch Paris. Wirtschaftsminister Macron warnte bereits letzte Woche, dass Junckers Plan „enttäuschend“ ausfallen könnte. Einen weiteren Flop könne sie die EU aber nicht leisten.
Macron spielt damit auf den Wachstumspakt an, den Staatspräsident Hollande nach seiner Wahl 2012 gefordert hatte – und der ohne sichtbare Wirkung blieb. Schon damals stand Berlin auf der Bremse.
Auch diesmal funkt Kanzlerin Merkel dazwischen. Deshalb geht es hier nicht “nur” um die (überfällige) Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik. Es geht auch um die Frage, wer die Macht in Brüssel hat – Juncker oder Merkel?
Peters
26. November 2014 @ 17:05
Ist doch nur ein weiterer Meilenstein in der Ausrichtung: Risiken verstaatlichen und Gewinne privatisieren. Mitspieln darf selbstverständlich nur derjenige, der an sich auch in der Lage wäre die Risiken selbst zu tragen. In was dann investiert wird ist doch fast egal, ob es der Allgemeinheit nutzt, die ja letzlich die Risiken trägt oder aber nur die besten Gewinnaussichten verspricht. Hauptsache es wird investiert. Hier sollte doch angesetzt werden und wenigstens Schwerpunkte sind zu bilden, in welchen Feldern eine Investition notwendig bis wünschenswert wäre, so dass diese Investitionen zumindest positive Folgewirkungen entfalten kann. Dieselbe Diskussion die auch bei Schäubles Masterplan geführt wird, jedoch aufgrund der unterschiedlichen Interessensgruppen kein zufriedenstellendes Ergebnis erzielen wird.
Johannes
26. November 2014 @ 09:28
Den Investoren und Milladären sollen jegliche Risiken abgenommen werden???????
Wie unverschämt ist das denn bitte? Mir fehlen die Worte.
Wieviel Mist haben die Herrschaften in Brüssel eigentlich im Hirn?
Ich als Kleinunternehmer bin der Dumme, meine Risiken bei Investitionen um die 10.000 Euro werden mir von der EU nicht abgenommen. Investiere ich falsch, ist das Geld weg, investiere ich richtig, winken Gewinne. Das nennt man Marktwirtschaft und all das gilt für die Superreichen nicht mehr, ist das Image der EU noch nicht genug beschädigt, will man Vorurteile, die EU diene nur noch den Reichen, weiter bekräftigen? Scheint so.
Wir Kleinunternehmer müssen bluten damit die Großinvestoren eine 100% Verlustschutz von der EU bekommen können. Es ist unfassbar, wie die Demokratie von diesen Juncker Typen in Brüssel mit Füßen getreten werden / wird.
Einfach nur dreist, wie das EU-Parlament, Journalisten, SPD und Grüne gegen uns kleine Bürger Politik betreiben.
Deutschland hat sich fit für den Euro gespart, Frankreich und Italien sind dazu zu faul und werden von der SPD noch noch belohnt, wiederlich.
Tim
26. November 2014 @ 11:20
Ja, es besteht ein Zusammenhang zwischen Subventionen, zunehmender Regulierung sowie teilweise sogar auch laxer Geldpolitik auf der einen Seite und Monopolisierungstendenzen in vielen Branchen auf der anderen Seite. Dies führt dazu, daß Wettbewerbsmechanismen ausgehebelt werden und größere Firmen einen Vorteil erhalten.
Dieser Kampf contra Marktwirtschaft und pro “big capital” wird interessanterweise im Schulterschluß von Linken und konservativen Staatswirtschaftlern geführt – ersteren ist das aber leider oft nicht bewußt.
Ich glaube seit langem, daß die politische Linke eigentlich der ideale Bündnispartner der Neoliberalen sein müßte. Von den Freunden des crony capitalism sind keine Impulse zur Wiederbelebung der Marktwirtschaft zu erwarten, die Eigeninteressen sind natürlich viel zu dominant. Zur Zähmung des Großkapitalismus (um mal einen Kampfbegriff zu verwenden) gibt es nichts Besseres als Wettbewerb. Aber bis die Linke den Wettbewerb als wunderbaren Kontrollmechanismus begreift, wird noch viel kontraproduktive Quatschpolitik aus ihren Reihen kommen …
ebo
26. November 2014 @ 11:26
Zumindest Herr Münchau sieht das völlig anders: http://www.ft.com/intl/cms/s/0/48e6fa76-70bd-11e4-8113-00144feabdc0.html?siteedition=intl#axzz3K4XAEyOd
Tim
26. November 2014 @ 13:42
@ ebo
Hinsichtlich der Umschuldung hat er ja auch vollkommen recht. Die Linke war in Deutschland (neben einigen Neoliberalen) die einzige Partei, die schon früh gegen die Banken-Bail-outs war. Auch beim Thema Überwachung vertritt die Linke sehr plausible liberale Positionen.
Und das sind ja auch schon die beiden wichtigsten Themen der Zeit.
popper
25. November 2014 @ 11:06
@P. Nemschak
Steuersenkungen, wie Sie sie vorschlagen, sagen nichts über den erzielbaren Ertrag. Ihr unverbesserlicher Glaube an die Angebotspolitik ist geradezu naiv. Und was die Beurteilung durch den Markt betrifft, bewegen Sie sich auch hier auf dünnem Eis. Der in die Neoklassik eingeführte Markt als fiktiven Auktionär und Regulator in Ableitung aus der “Unsichtbaren Hand” von A.Smith, ist nichts als ein Hirngespinst. Ganz zu schweigen von den Gleichgewichtsmodellen. Allein die Tatsache , dass nach dieser Vorstellung alle Marktteilnehmer nur Preisnehmer sind macht deutlich, dass dann keiner mehr übrig bleibt, der das Auf oder Ab bzw. Für und Wider oder den Preis festsetzt. Zu ihrer zweiten Anregung weiß man aus einschlägigen Erfahrungen der letzten Jahre: ÖPP Modelle dienen der institutionalisierten Abzocke durch Private. Das sieht man im vorliegenden Falle ja schon daran, dass Junker mit großzügigen Garantien lockt, die dann von der Allgemeinheit alimentiert werden.
Peter Nemschak
25. November 2014 @ 11:42
Ich bin keineswegs kritikloser Marktanhänger ebenso wenig wie Anhänger eines Nanny-Staates, den Sie zu befürworten scheinen. Wir brauchen eine Mischung aus privat und Staat und müssen zur Kenntnis nehmen, dass das Profitstreben eine starke Antriebskraft der meisten Menschen ist, auch wenn es von Moralisten verächtlich gemacht wird.
thewisemansfear
25. November 2014 @ 22:38
“Wir” brauchen mehr von solchen Moralisten. Die wissen vermutlich, dass Gewinne auf der einen Seite Verluste auf der anderen Seite bedingen (außer man lebt in einer immer fröhlich weiter wachsenden Welt…)
Peter Nemschak
25. November 2014 @ 11:45
Warum wollen Sie die Menschen nicht selbst entscheiden lassen, was sie mit ihrem Geld machen, wenn sie nach einer Steuersenkung mehr davon zur Verfügung haben? Halten Sie die Menschen für blöd?
thewisemansfear
25. November 2014 @ 22:47
Weil “sparen” im Geld (ohne konkretes Ziel wieder zu entsparen) das Grundübel der heutigen Misere ist. Wenn man mal aus dem betriebswirtschaftlichen Kosmos rauskommt und den Blick etwas weitet, würde man erkennen, dass nur so viel gespart werden kann, wie sich an anderer Stelle neu verschuldet wird. Ansonsten wird es einigen Kreditnehmern verunmöglicht, ihre Kredite zu tilgen. Die gehen dann pleite, was für noch mehr Zahlungsausfälle sorgt, usw. usf.
winston
25. November 2014 @ 11:04
Wird immer grotesker, denke die Tage des Euro’s sind gezählt.
Wieso erwähnt Öttinger nicht die Spanier die das Defizit noch deutlicher verfehlen als die Franzosen. Lachhaft das ganze.
Peter Nemschak
25. November 2014 @ 08:41
Die Alternative, Steuern auf Arbeitseinkommen senken und steuerliche Anreize für Private zur thermischen Sanierung zu geben, wurde, so scheint es, bisher nicht diskutiert. Grundsätzlich ist ein Private/Public Modell durchaus vernünftig, damit Projekte nicht nur durch die Politiker beurteilt sondern auch einer Beurteilung durch den Markt unterzogen werden.
DerDicke
25. November 2014 @ 14:00
Der Markt sucht nur nach Rendite. Und genau das ist nicht Sinn staatlicher Investitionen.
Welche Rendite erwirtschaftet eine Schule, eine Bücherei, ein Hallenbad, ein Landstraße zwischen 2 Dörfern?
PPP ist Zeiten von nahezu 0 Zinsen bedeutet nur, dass die Steuerzahler ihr Geld nicht an den Staat – der die Dienstleistung in der Regel zum Selbstkostenpreis anbietet – geben, sondern an einen Investor der eine Rendite will. Falls etwas schief geht werden die Investoren entschädigt, haben also kaum ein unternehmerisches Risiko.