Schäuble treibt Geld für Türkei ein
Der Schmusekurs zwischen Berlin und Ankara kennt keine Grenzen. Deutsche und Türken proben nach dem Attentat von Istanbul nicht nur den (fragwürdigen) Schulterschluss. Nein, man versteht sich auch beim Geld.
So treffen sich die EU-Finanzminister am Freitag Morgen auf deutsche Initiative, um die versprochenen 3 Mrd. Euro für den gemeinsamen “Aktionsplan” zur Flüchtlingskrise zusammenzukratzen.
Bisher liegt nur 1 Mrd. Euro im Pott, aus dem EU-Budget. Den Rest sollen nun die EU-Staaten geben. Da Zypern schmollt und Italien bremst, hat Finanzminister Schäuble die Rolle des Eintreibers übernommen.
Dabei ist er äußerst großzügig. Keine Kriterien (Menschenrechte, Meinungsfreiheit), keine Konditionen (konkrete Hilfe für Flüchtlinge). Was in Griechenland nicht möglich war – in der Türkei geht’s.
Was kommt als Nächstes? Wird sich die “Koalition der Willigen”, die Merkel eigens für die Türkei gegründet hat, in ein Kerneuropa verwandeln? Oder kommt eine deutsch-türkische Achse – wie vor WK 1?
Mehr zur Türkei hier (akt. Umfrage)
Peter Nemschak
15. Januar 2016 @ 21:02
@Ute Plass Sie unterschätzen die Wankelmütigkeit der Volksseele. deshalb haben wir eine repräsentative Demokratie. Sie dürfen die Bürger der EU nicht mit den Schweizer Bürgern vergleichen, die einen etwas rationaleren Zugang zum Gemeinwohl haben und sich daher mehr direkte Demokratie leisten können.
Ute Plass
16. Januar 2016 @ 10:52
Na, wenn das so ist, dann werden wir jetzt alle Schweizer und Schweizerinnen 🙂
Peter Nemschak
15. Januar 2016 @ 11:46
Was hat das Sanierungsprogramm für Griechenland, das Griechenland unter den gegebenen Voraussetzungen im Euro halten soll, denklogisch mit der Flüchtlingsfrage zu tun? Wenn man zu dem Schluss kommt, dass Griechenland zur Sicherung der Außengrenze mehr materielle Unterstützung benötigt, muss man diese unabhängig von Sanierungsprogramm gewähren.
ebo
15. Januar 2016 @ 12:01
Griechenland ist als EU- und Euromitglied an der Grenze zur Türkei wichtig. Nicht nur denklogisch, sondern real. Es war der größte geopolitische Fehler der EU des letzten Jahres, Athen mit harten Auflagen (und neuen Milliardenschulden) zu knebeln, während die Türkei Hunderttausende Flüchtlinge über die Ägäis nach Europa schickte. Während Merkel und Schäuble ihren Griechebnland-Coup vorbereiteten, brach auf dem Balkan eine Welt zusammen. Ist das so schwer zu erkennen?
Ute Plass
15. Januar 2016 @ 10:40
@Peter Nemschack – “Sie vermischen zwei völlig getrennte Dinge, die nichts miteinander zu tun haben.”
Nein, @ebo vermischt keine ‘völlig getrennten Dinge’. Das Problem ist vielmehr das eindimensionale Denken, welches Mensch und Mitwelt auf betriebswirtschaftliche
Kategorien reduziert und diese von den realen Lebensverhältnissen trennt. Diese eingeschränkte Logik beschert uns doch das vorherrschende (Welt)Elend.
Daher kann ich die Skepsis von @GS verstehen, der anzweifelt, dass diese 34 Wirtschaftsinstitute ‘den Blick auf’s Ganze’ haben.
Zu welchen Ereignissen, Herr Nemschack, sollten die Menschen “inneren Abstand halten” und an was genau sollten sie sich orientieren, um klar denken zu können?
Peter Nemschak
15. Januar 2016 @ 12:43
Mit “innerem Abstand” meine ich die Fähigkeit zur Selbstreflexion, konkret die Fähigkeit, sozial und medial vermittelte Wirklichkeit kritisch zu reflektieren. Es ist z. B. unzulässig, aus Anlass der starken Flüchtlingsbewegungen die Notwendigkeit der Sanierung der griechischen Wirtschaft fallen zu lassen und Vereinbarungen zwischen den Gläubigern und Griechenland außer Kraft zu setzen. Das heißt noch lange nicht, dass man Griechenland finanziell und personell bei der Sicherung der Außengrenze nicht unterstützen soll. Es ist wenig hilfreich, wenn sich die verantwortlichen Politiker in ihren Handlungen von Emotionen hinreißen lassen. Diese sollten sie der Volksseele überlassen.
Ute Plass
15. Januar 2016 @ 15:27
“Es ist z. B. unzulässig, aus Anlass der starken Flüchtlingsbewegungen die Notwendigkeit der Sanierung der griechischen Wirtschaft fallen zu lassen und Vereinbarungen zwischen den Gläubigern und Griechenland außer Kraft zu setzen.
Auch und gerade aufgrund der starken Flüchtlingsbewegungen besteht die Notwendigkeit “die Sanierung der griechischen Wirtschaft”, (genauer gesagt, den bisher geführten Finanzkrieg gegen Griechenland), fallen zu lassen.
Anstatt von “Volksseele” zu sprechen, hielte ich es für angebracht von souveränen BürgerInnen auszugehen, die auch über emotionale u. kognitive Intelligenz verfügen, was auf die vorherrschende Politik oft nicht zutrifft.
Peter Nemschak
15. Januar 2016 @ 07:03
@GS Das Programm ist schlüssig und professionell. Es liegt an der Politik es umzusetzen. Dort ist der Mangel zu suchen. Es scheint, als wäre in der Erregung der Volksseele das klare Denken auf der Strecke geblieben. Zu wenige Menschen halten inneren Abstand zu den Ereignissen um uns und verlieren daher die Orientierung.
Cottin
14. Januar 2016 @ 17:13
Das wird ja immer besser ! Die Berlin /Ankara Achse ist ja voll im Gang! Da kann ja Europa nur abnicken oder sich endlich mal vernünftig wehren. Aber in jeglicher Konsequenz bezüglich der Flüchtlingskrise mit Sultan Erdogan!!!
Die innere Verbundenheit mit der Türkei kann man ja verstehen aus der Historie, aber nun muss endlich Schluss sein mit dem Schmusekurs. Ich verstehe aber auch nicht die EU, die ja weiß was in der Türkei falscht läuft, dem Phantom hinterher zurennen. Meine nette tuerkische Putzfrau, ( integriert) versteht auch nicht mehr was der Sultan da anstellt. Allerdings betont Sie, das der Glaube des Koran wichtig ist. In vielen Diskussionen mit ihr, kommt natürlich verbal heraus, dass Erdogan mit seiner islampolitik recht hat. Die deutschen Türken haben auch eine Sehnsucht zu ihrem Glauben. Ich denke mittlerweile das wir in einem Glaubenskrieg / Konflikt sind. das erinnert an die Ritterzüge..! Die südlichen europaischen Bürger( Mein Kontakte in Portugal) sind verarmt und glauben nicht mehr an die EU! Mitterweile frage ich mich auch, als Befürwohrter der EU, wo soll dies wirklich enden!
Peter Nemschak
14. Januar 2016 @ 18:09
Ohne gemeinsames Wachstumsprogramm wird sich für den Süden Europa nichts ändern. Es gibt ein solches, im Auftrag der EU von 34 Wirtschaftsforschungsinstituten ausgearbeitet. Nur hört man davon wenig. Die Politiker haben offenbar andere Prioritäten.
http://karl.aiginger.wifo.ac.at/fileadmin/files_aiginger/publications/2015/OeNB__Twostagestrategy_2015.pdf
GS
14. Januar 2016 @ 21:03
34 Wirtschaftsforschungsinstitute…als könnte da was Vernünftiges rauskommen…
Peter Nemschak
14. Januar 2016 @ 16:40
Ich fürchte, ohne Mitwirkung der Türkei, die sich diese teuer bezahlen lässt, wird sich der Flüchtlingsstrom nicht so leicht einbremsen lassen. Die lahme Mitwirkung mancher EU-Mitglieder beschleunigt die Desintegration der EU. Derzeit scheint für andere dringende gemeinsame strategische Entscheidungen – Wachstumspolitik – auf EU-Ebene (Kommission) wenig Motivation zu bestehen. Jeder Mitgliedsstaat ist mit sich selbst beschäftigt. Das Problem der Arbeitslosigkeit, vor allem der Jugendarbeitslosigkeit im Süden, wird wieder einmal auf die lange Bank geschoben.
ebo
14. Januar 2016 @ 17:15
Die Flüchtlinge kommen über Griechenland, richtig? Warum muss Griechenland aber dutzende von Auflagen erfüllen, bevor es auch nur eine Mrd. Euro Hilfe bekommt, das Nicht-EU-Mitglied Türkei jedoch keine einzige?
Peter Nemschak
14. Januar 2016 @ 18:01
Sie vermischen zwei völlig getrennte Dinge, die nichts miteinander zu tun haben. Griechenland hat, um im Euro zu bleiben, Auflagen der Gläubiger zu erfüllen. Die Türkei ist nicht im Euro. Sollte Griechenland zusätzliche Hilfe für die Außengrenzsicherung benötigen, wäre diese separat vom Sanierungsprogramm einzufordern. Im übrigen rechne ich damit, dass, sollte Griechenland die gestellten Bedingungen weiterhin erfüllen, es noch heuer zu einem teilweisen Schuldenerlass kommen wird.