Zweifel am Aufbau, Streit um Schengen – und wann war Baerbock in Brüssel?

Die Watchlist EUropa vom 08. Juni 2021 –

Es soll eine historische Aussprache über ein historisches Ereignis werden. Doch wenn das EU-Parlament am Dienstag über den Wiederaufbaufonds und die nationalen Reformpläne redet, droht eine Generalabrechnung mit der EU. Schon beim Pressebriefing zogen die Europaabgeordneten kräftig vom Leder. Zu viel nationale Schönfärberei, zu wenig EUropa, nicht genug grüne Investitionen – kaum eine Kritik wurde ausgelassen.

„Bei den Plänen der Mitgliedstaaten sind wenig wirklich zusätzliche Investitionen dabei”, sagte Markus Ferber (CSU). “Oft haben die Regierungen nur ohnehin geplanten Projekten einen europäischen Anstrich gegeben, eine echte europäische Dimension ist meist nicht erkennbar.”

Besorgt ist auch Joachim Schuster (SPD): “Dem Wiederaufbaufonds müssen zwei weitere Schritte auf der europäischen Ebene folgen: Die Bereitstellung neuer Eigenmittel, damit der Schuldendienst geleistet werden kann, sowie eine Reform der Investitions- und Verschuldungsregeln, damit der Aufschwung nicht durch eine verfehlte Finanzpolitik in den kommenden Jahren abgewürgt wird.”

Selbst Damian Boeselager von der europabegeisterten Partei VOLT warnt: „Aus unserer Sicht wäre es politisch sehr gefährlich für die Kommission, wenn sie jetzt mit viel Pomp durch die Hauptstädte zieht und Pläne abnickt, von denen sich am Ende rausstellt, dass sie schmutzige, schlecht geplante oder rückwärtsgewandte Investitionen finanzieren.“

Die Tirade galt den nationalen Reformplänen, die die 27 EU-Staten in Brüssel eingereicht haben, um in den Genuß der ingesamt 750 Mrd. Euro schweren Finanzhilfen zu kommen.

Kaum europäischer “Mehrwert”

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Doch viele Pläne schreiben nur die alte Politik fort, die schon vor der Coronakrise geplant worden war. Und viele Investitionen sind nicht neu – sie wurden nur in Brüssel eingereicht, um EU-Mittel anzuzapfen und den eigenen, nationalen Haushalt zu schonen.

Ein “europäischer Mehrwert”, wie ihn der Wiederaufbaufonds bringen sollte, ist kaum zu erkennen. Doch das Europaparlament kann daran nichts ändern – die EU-Staaten haben den Abgeordneten eine echte Mitsprache verwehrt.

Das letzte Wort hat die EU-Kommission – also gut bezahlte Eurokraten, die nach der Pfeife von Behördenchefin von der Leyen (CDU) tanzen. Demokratische Kontrolle findet, jedenfalls in Brüssel, nicht statt.

Deutschland hat die Wahl

Das ist ein Unding – wenn man bedenkt, dass der Wiederaufbaufonds immer noch nicht sauber gegenfinanziert ist, und dass die Rückzahlung der Schulden bis 2058 dauern soll.

Doch immerhin haben die Deutschen die Möglichkeit, über die Zukunft des Fonds – und der EU-Schulden – mitzubestimmen: bei der Bundestagswahl im Herbst.

Sozialdemokraten und Grüne wollen den Wiederaufbau zum Modell für eine neue EU-Fiskalpolitik machen, CDU/CSU und FPD möchten die Schuldenfinanzierung beenden.

Deutschland hat die Wahl…

Siehe auch “Die Stunde der Eurokraten

Watchlist

Back to Schengen: Das hat die EU-Kommission jahrelang gefordert – vergeblich. Frankreich, aber auch Deutschland und andere EU-Staaten haben mit wechselnden Begründungen die Grenzen mehr oder weniger dicht gemacht. In der vergangenen Woche hat Brüssel die Forderung nach Reisefreiheit im Schengenraum bekräftigt und sogar leise mit Vertragsverletzungsverfahren gedroht. Ob das mehr Eindruck macht, dürfte sich am Dienstag beim Treffen der EU-Innenminister zeigen.

Was fehlt

Die nächste Korrektur in Baerbocks Lebenslauf. Die grüne Kanzlerkandidatin war offenbar nicht – wie bisher behauptet – von 2005 bis 2008 als Büroleiterin der grünen Europaabgeordneten Elisabeth Schroedter in Brüssel. Vielmehr hat sie die meiste Zeit in Berlin und Potsdam verbracht. In der korrigierten Fassung des Lebenslaufs heißt es laut “Spiegel” nur noch, Baerbock sei von 2005 bis 2008 Schroedters Büroleiterin gewesen. Ein Einsatzort wird nicht mehr genannt. Nun wachsen die Zweifel an ihrer Europa-Erfahrung… – Mehr hier