Wo Grass recht hat

Seine Polemik trifft auch die Europäer

G. Grass hat mit seiner Kritik an Israel einen Nerv getroffen, wie die heftigen Reaktionen im In- und Ausland zeigen. Nur die EU stellt sich taub. Dabei zielt die Polemik des Dichters auch auf die europäischen Außenpolitiker: Schweigend sehen sie zu, wie Israel einen Krieg gegen Iran vorbereitet. Bei einem Strategie-Treffen der EU-Außenminister im März in Kopenhagen würde die Gefahr nicht einmal erwähnt.

Zwei Tage lang diskutierten Bundesaußenminister Westerwelle und seine 26 Amtskollegen über Sanktionen und Strategien, über Syrien und die Lage im Nahen Osten. Doch das brisanteste Thema – die drohende Eskalation zwsichen Israel und Iran – stand nicht einmal auf der Tagesordnung. Selbst die EU-Außenbeauftragte Ashton wagte es nicht, vor einem Krieg zu warnen.

Auch jetzt schweigt Ashton – wie so oft, wenn ihre Stimme gefragt wäre. Gewiss, es ist nicht unbedingt Aufgabe der EU-Vertreterin, auf Dichter und Denker zu antworten. Was gesagt werden muss, sollte die Britin von sich aus tun, auf diplomatischem Wege. Doch genau hier liegt das Problem: Ashton und ihre 27 EU-Amtskollegen schweigen beharrlich zu dem drohenden Krieg zwischen Israel und Iran. 

Ashton versucht zwar, noch ein letztes Mal im Atomstreit zu vermitteln. Am 13. April sollen die Gespräche starten. Um die Iraner zum Einlenken zu bewegen, hat die EU massive Sanktionen gegen den iranischen Ölsektor verhängt, die ironischerweise vor allem angeschlagene EU-Staaten wie Griechenland und Italien treffen. Doch auf Israel üben die Europäer – zumindest öffentlich – keinen Druck aus.

Dabei machen Verhandlungen nur Sinn, wenn die EU als ehrlicher Makler auftreten kann – und nicht als getreuer Vasall Israels und der USA, wie sie Präsident Ahmadinedschad gerne darstellt. Ashton sollte also Mut fassen und Israel vor unilateralem militärischen Vorgehen warnen – genau, wie dies auch US-Präsident Obama getan hat. Schließlich würde Europa die Folgen eines Krieg viel unmittelbarer zuspüren bekommen als die weit entfernten USA.

Doch die Wahrscheinlichkeit, dass es tatsächlich so kommt, ist überaus gering. Zum einen lässt die Regierung in Jerusalem keine Gelegenheit aus, Ashton zu schwächen und verächtlich zu machen. Zum anderen verhindert die deutsche Bundesregierung jede Kritik an Israel. Wegen der besonderen historischen Verantwortung stimmt Deutschland in der EU immer wieder gegen Entschließungen, die die militärischen Angriffe in Gaza, die umstrittene Siedlungspolitik oder die so genannte Schutzmauer thematisieren.

Womit wir wieder bei Grass wären: So überzogen seine Kritik an Israel sein mag, so berechtigt ist seine Kritik an der Bundesregierung. Denn diese versucht systematisch, die Nahost-Politik dem öffentlichen Diskurs zu entziehen. Und dabei denke ich nicht nur an die U-Boot-Lieferungen, wie die oben genannten Beispiele zeigen…


kostenloser Counter

Twittern