Wie wär’s mit Türkei-Sanktionen?
Eigentlich wären sie schon bei der Niederschlagung der Proteste am Gezi-Park fällig gewesen. Doch nun stellt sich die Frage erneut: Warum verhängt die EU keine Sanktionen gegen die Türkei?
Denn was dort im Moment, kurz vor der Wahl am 1.11., abgeht, ist schlimmer als in Russland. Und mit den Werten der EU und den Verpflichtungen eines Beitrittskandidaten hat es gleich gar nichts zu tun. Zitat AFP:
In Istanbul verschaffte sich die Polizei mit Kettensägen Zugang zum Hauptsitz der Mediengruppe Koza-Ipek. Vor laufenden Kameras besetzten die Einsatzkräfte die Regieräume der beiden Sender Kanaltürk und Bugün, wie Live-Bilder im Internet zeigten. Die Polizisten gingen zudem mit Tränengas und Schlagstöcken gegen Angestellte vor, die sich ihnen entgegenstellten. Die Justiz hatte das Unternehmen am Montag unter Zwangsverwaltung gestellt. Die Staatsanwaltschaft begründete dies mit dem Verdacht der “Terrorfinanzierung” und “Propaganda”.
Doch wie reagiert die EU-Kommission in Brüssel? “Besorgt”. Gleichzeitig weist sie den Verdacht zurück, sie halte kritische Berichte über die Zustände im Reich von Sultan Erdogan zurück.
Kommissionspräsident Juncker werde über den “geeigneten Zeitpunkt” der Veröffentlichung entscheiden, so sein Sprecher. Vermutlich am 2.11., nach der Wahl… – Mehr zur Türkei hier
Peter Nemschak
29. Oktober 2015 @ 06:36
@Der Dicke Machtpolitik ist eine Realität, ob man das mag oder nicht: wer nicht herrscht wird beherrscht. Das wollen die Wenigsten.
ebo
29. Oktober 2015 @ 09:03
Schön, und wir lassen uns von Sultan Erdogan “beherrschen”. Genau das hat Österreich ja immer schon gewollt, nicht wahr?
Peter Nemschak
29. Oktober 2015 @ 11:54
Seien Sie realistisch. Auf der einen Seite brauchen wir die Türkei in Sachen Flüchtlinge, auf der anderen Seite brauchen wir uns nicht vor ihrem baldigen EU-Beitritt fürchten, da sich die Türkei auf Grund ihres Verhaltens bis auf weiteres ohnehin selbst disqualifiziert. Würde man alle Staaten sanktionieren, welche die Menschenrechte verletzten, gäbe es weit dringendere Kandidaten dafür.
Peter Nemschak
28. Oktober 2015 @ 18:47
Realpolitik statt Sanktionen. Nach den Wahlen wird man weitersehen. Das Moralisieren hat die Welt noch nie besser gemacht.
ebo
28. Oktober 2015 @ 18:56
Im Fall Russland haben Sie genau das Gegenteil vertreten. Der entscheidende Unterschied: Die Türkei ist Beitrittskandidat und muss sich den EU-Bedngungen anpassen – Russland nicht.
Peter Nemschak
28. Oktober 2015 @ 20:34
Das habe ich nicht aus moralischen sondern aus machtpolitischen Gründen getan. Im übrigen ist es bis zum Beitritt der Türkei noch weit. Bis dahin hat sich auch die EU gewandelt – in Richtung Zweckgemeinschaft, um im Weltmaßstab nicht unterzugehen.
DerDicke
28. Oktober 2015 @ 21:26
Ja, die machtpolitischen Gründe, dass messen mit zweierlei Maß…
Aus machtpolitischen Gründen kreuzt gerade ein Zerstörer der USA in Gewässern, die aus machtpolitischen Gründen von China beansprucht werden. Die Australier wollen nicht nachstehen und schicken wohl aus machtpolitischen Gründen auch ein paar Schiffe hin.
Vielleicht hat China dann aus machtpolitischen Gründen die Schnauze voll und versenkt ein oder zwei Schiffe. Und aus machtpolitischen Gründen kommt dann eins aufs andere, und wir haben aus machtpolitischen Gründen ein paar Jahrzehnte den nuklearen Winter.
Aber das war es uns doch wert, oder? Wäre ja noch schöner. Wenn man seinen machtpolitischen Gründen nicht mehr nachgehen könnte.
DerDicke
28. Oktober 2015 @ 16:38
Ne, die brauchen wir noch, damit sie die Flüchtlinge zurückhalten, Kritik geht da gar nicht. Ebenso wie Saudi Arabien, da schleimen wir uns regelmäßig ein und liefern die Waffen, mit denen gerade der Jemen in die Steinzeit zurückgebomt wird – und hier schweigen fast alle Medien. Überhaupt die Golfstaaten… Frauenrechte nada, Gastarbeiterrechte nada, dafür die Todesstrafe für die Teilnahme an Demos, erst köpfen dann kreuzigen den Minderjährigen.
http://www.spiegel.de/politik/ausland/saudi-arabien-will-ali-al-nimr-koepfen-und-kreuzigen-a-1054464.html
Nein, Sanktionen werden gegen unkooperative Staaten verhängt – egal ob da eine Militärdiktatur oder eine Vorzeigedemokratie herrscht. Hätten die USA nicht die Schweiz sanktioniert, wenn die am Bankgeheimnis festgehalten hätten?
Wer spurt wird unterstützt – wiederum unabhängig davon, ob Militärdiktatur oder Demokratie.