Im Plankommissariat

Die EU-Kommission hat ihre „Empfehlungen“ zu den „Stabilitätsprogrammen“ vorgelegt. Frankreich, Spanien, Portugal und die Niederlande bekommen mehr Zeit zum Sparen, aber auch neue Reformauflagen. Bei der Vorlage der Papiere geht es zu wie im Plankommissariat. Ist das noch Demokratie oder schon Dirigismus?

Mittwoch um 14 Uhr im Brüsseler Kommissionsgebäude. Dutzende von Journalisten warten auf die Pressemitteilung der Kommission. Doch sie werden aufgehalten – eine Absperrung trennt sie von hölzernen Kästchen.

Darin liegen, wie in einer Poststelle, die „länderspezifischen Empfehlungen“. Fein säuberlich nach Ländern geordnet, für jedes EU-Mitglied ein Kästchen mit Fähnchen. Doch die Journalisten dürfen nicht ran.

Erst muss Kommissionssprecher Bailly nach dem Rechten schauen. Die Journalisten-Meute wird zurückgehalten. Sicherheitskräfte schirmen die Papiere ab. Niemand soll vorzeitig Einblick erhalten.

„Moving Europe beyond the Crisis“

Mittlerweile fühle ich mich nicht mehr wie in einem Pressezentrum, sondern wie in einem Plankommissariat. Alles läuft nach Plan – die Pressemitteilungen, die Budgetsanierung, bald auch die Reformpolitik.

Als die Texte endlich freigegeben werden, sind nicht genug für alle da. Die Länderberichte zu Deutschland, Italien und Spanien sind im Nu vergriffen. Der Videodienst im Internet bricht zusammen.

Drinnen im Pressesaal spricht Kommissionspräsident Barroso vor einer riesigen Leinwand, auf die „Moving Europe beyond crisis“ geschrieben ist. Dass er selbst die EU in die schlimmste Krise ihrer Geschichte geführt hat, sagt er nicht.

Wieso er es besser weiß als die gewählten Regierungen der 27 EU-Länder, sagt er auch nicht. Wieso die „Empfehlungen“ besser sein sollen als die EU-Prognosen, die sich als notorisch falsch erwiesen haben, ebenfalls nicht.

Statt sozialistischer gibt es nun neoliberale Reformpläne

Macht nichts: dank Stabilitätspakt, Fiskalpakt und „Europäischem Semester“ – den von Deutschland forcierten Kontrollmechanismen – hat sich seine Behörde von einer Gemeinschaftsinstitution in ein Planbüro verwandelt.

Mit dem kleinen Unterschied, dass die EU-Kommissare keine sozialistischen, sondern neoliberale Reformen planen. Die Journalisten stürzen sich auf die Papierberge. Sie schimpfen wegen des Mangels, meckern wegen der Verspätung.

Nach ihrer Legitimation fragen sie nicht. Dabei hat die EU einen neuen Schritt in Richtung Dirigismus gemacht…

Siehe zu diesem Thema auch „Sparen oder investieren“ und „Alles falsch“ sowie die aufschlussreiche Website der EU-Kommission „Make it happen“ mit den aktuellen Zahlen zur Planerfüllung – pardon, heute heißt das ja „Wettbewerbsfähigkeit“