Was zu tun wäre

Eine Woche vor dem EU-Gipfel spitzt sich die Eurokrise weiter zu. In Kürze will Spanien unter den Rettungsschirm schlüpfen. Zypern dürfte bis zum Gipfel am kommenden Donnerstag folgen, und Italien warnt vor neuen spekulativen Attacken auf den Euro. Doch die Euro-„Retter“ geben sich ratlos, selbst bei einem Vorgipfel heute in Rom fanden sie keine gemeinsame Strategie Dabei ist ziemlich klar, was jetzt zu tun wäre.

Fangen wir mit dem an, was auf dem Tisch liegt, und vermutlich auch verabschiedet wird: Da wäre vor allem der von Frankreich geforderte Wachstumspakt sowie ein Bauplan für eine Bankenunion. Klingt gut, bringt aber beides wenig. Der 130 Mrd. Euro schwere Wachstumspakt, den Hollande, Merkel, Monti und Rajoy heute in Rom angekündigt haben, wird vor allem aus längst verplanten Mitteln finanziert, er ist also eine wenig stimulierende Mogelpackung.

Außerdem ändert er am im Fiskalpakt angelegten Grundfehler – der einseitigen und undifferenzierten Sparpolitik – gar nichts. Und die Bankenunion hilft erst, wenn sie auch mit einer gemeinsamen Einlagesicherung und Haftung verbunden ist.

Daraus lassen sich die ersten Forderungen ableiten:

– Der Fiskalpakt muss gelockert oder ausgesetzt werden, damit der Wachstumspakt wirken kann (Vorrang für Wachstum bzw. eine „intelligente“, länderspezifische Konsolidierung)

– Die Eurochefs müssen eine Garantieerklärung für die Bankeinlagen abgeben, um den drohenden Bankrun abzuwenden. Das kann zunächst national erfolgen, doch es braucht eine gemeinsame Perspektive.

Nun zu den Forderungen, die diskutiert, aber von Deutschland abgelehnt werden. Es geht im wesentlichen um Gemeinschaftsanleihen (Eurobonds) oder kurzlaufende Schuldtitel, die so genannten Eurobills. Frankreichs Präsident Hollande ist offenbar bereit, die Forderung nach Eurobonds zurückzustellen und auf das deutsche Petitum einzugehen, erst die Währungsunion zu vertiefen. Doch die Märkte brauchen jetzt ein Signal, dass die Euroländer sich nicht auseinander dividieren lassen.

Daher meine Empfehlung:

– Einführung von Eurobills für alle Länder, die sich am Markt finanzieren (also auch Spanien und Italien); ein Teil der Einnahmen könnte zur Aufstockung des Rettungsfonds genutzt werden;

– ein klares Bekenntnis zur Einführung von Eurobonds oder, wenn das nicht durchsetzbar ist, für einen Schuldentilgungsfonds (das Modell kommt vom Sachverständigenrat in Berlin, auch das Europaparlament steht dahinter). Gleichzeitig könnte ein EU-Finanzministerium entstehen, um dem deutschen Wunsch nach mehr Integation entgegenzukommen. 

Kommen wir nun zu den Krisenländern. Spanien soll bis zu 100 Mrd. Euro aus dem Rettungsschirm erhalten, um damit seine Banken zu stützen. Dies führt jedoch dazu, dass die Staatsschulden steigen und die Märkte gegen den Staat spekulieren. Außerdem greifen die Spekulanten nun auch noch Italien an, obwohl es dafür objektiv keinen Grund gibt. Spanien fordert, die EZB müsse eingreifen und Staatsanleihen aufkaufen; Italien möchte, dass dies der Rettungsschirm übernimmt – und zwar ohne neue Auflagen für sein Land. Und dann ist da natürlich noch Griechenland, das zwei Jahre mehr Zeit für Reformen fordert.

Meine Schlussfolgerungen:

– die Regeln für den Rettungsschirm müssen so geändert werden, dass auch eine direkte Bankenstützung möglich ist (natürlich mit strikten Auflagen für die Geldinstitute) – dies fordert sogar der IWF;

– die EZB sollte wieder aggressiver in den Markt intervenieren, um vor allem Italien vor spekulativen Attacken zu schützen. Offenbar gibt es dazu bereits erste Pläne in Frankfurt, wie die FAZ meldet.

– Nicht nur Griechenland, auch die anderen Krisenländer sollten mehr Zeit erhalten (Irland und Portugal können den Zeitplan ohnehin nicht einhalten). Außerdem sollten sie vorrangig im neuen Wachstumspakt berücksichtigt werden. Nachverhandlungen sollten keine Ausnahme sein, sondern die Regel, wenn sich die Rahmenbedingungen ändern!

Schließlich wären da noch die „unkonventionellen“ Ideen, die vermutlich nicht einmal diskutiert werden. Hollande hat z.B. im französischen Wahlkampf ein neues Mandat für die EZB oder eine Banklizenz für den Rettungsschirm vorgeschlagen. Aus der EU-Kommission kam die Idee, Ratings für von EU und IWF gestützte Länder zu verbieten. Und der Brüsseler Thinktank Bruegel plädiert dafür, Deutschland und Nordeuropa müssten ein wenig mehr Inflation hinnehmen, um die laufende Deflation in Südeuropa auszugleichen.

All das dürfte an der dogmantischen deutschen Haltung scheitern. Dabei gehen selbst diese Ideen nicht weit genug. Letztlich wird man die Krise erst dann überwinden können, wenn die fatale Symbiose zwischen Banken und Staaten beendet wird, denn sie führt immer wieder zu Teufelskreisen wie in Irland oder derzeit in Spanien.

Außerdem müssen die Euro-„Retter“ endlich aufhören, die Staaten und ihre Bürger zu disziplinieren, während Banken unkonditioniert gerettet werden. Wohin dies führt, sehen wir in Griechenland. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Wir müssen die Staaten und ihre Bürger schützen, und die Banken und die Märkte in die Schranken weisen.

Nach dem Zusammenbruch der Lehman Brothers war dieser Gedanke einmal populär, sogar auf EU-Gipfeln wurde er offensiv vertreten. Doch spätestens seit Dezember letzten Jahres gilt in Euroland eine neue „Wirtschaftspolitik paradox“: Den Banken werden die Milliarden ohne Bedingungen hinterhergeworfen („LTRO“), die Staaten werden in ein autoritäres Sparkorsett gezwängt (Merkels „Fiskalpakt“). 

Kaum sechs Monate später ist klar, dass dieser Ansatz gescheitert ist. Doch eine Wende ist nicht in Sicht, schon beim G20-Gipfel in Mexiko hat Deutschland die meisten Alternativen blockiert


 

 

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