Zu früh eingeknickt (II)

Der Fiskalpakt kommt, doch nun wackelt der neue Euro-Rettungsschirm ESM. Das Bundesverfassungsgericht hat Bundespräsident Gauck um einen Aufschub gebeten, um den Vertragstext und einen bereits angekündigten Eilantrag der Linken gegen den ESM prüfen zu können. Damit wankt nicht nur die geplante Einführung des ESM zum 1. Juli (und die damit verbundene Stützung Spaniens). Damit wackelt auch Merkels Zeitplan – die Opposition ist zu früh eingeknickt.

Merkel hatte aus taktischen Gründen ein Junktim zwischem ESM und Fiskalpakt hergestellt: Beide sollten gleichzeitig vom Bundestag abgesegnet werden, damit die ESM-Kritiker in den eigenen Reihen mundtot gemacht werden können. Eine Zeitlang hatte die Opposition dieses Junktim angezweifelt – schließlich soll der Fiskalpakt erst 2013 in Kraft treten, es eile also nicht mit der Ratifizierung.

Doch heute Morgen haben SPD und Grüne ihre Zustimmung gegeben – voreilig, wie sich nun zeigt. Wenn der ESM später kommt, muss auch der Fiskalpakt nicht durch den Bundestag gejagt werden. Dann kann man Merkel unter Druck setzen, damit sie beim EU-Gipfel nächste Woche weitere Zugeständnisse macht. Ob SPD-Fraktionschef Steinmeier und sein grüner Kollege Trittin diese Chance ergreifen?

Zweifel sind angebracht. Erstmal liegt der Ball nun bei Gauck, der das ESM-Gesetz stoppen müsste. Ob er dies tut und so den ersten Krach mit Merkel wagt, bleibt abzuwarten. Und selbst wenn – Steinmeier und Trittin traue ich es im Moment nicht zu, einen taktischen Schwenk zu vollziehen und die Zustimmung zu Merkels Euro-Paket auf Eis zu legen. Sie denken in innenpolitischen Kategorien, nicht in europäischen. 

Dabei steht aus EU-Sicht großer Nachbesserungsbedarf. Der ESM-Vertrag ist nicht nur undurchsichtig und in mancher Hinsicht suspekt, er ist auch überholungsbedürftig. Zum Beispiel könnte man die ESM-Regeln so ändern, dass auch eine direkte Bankenstützung möglich ist – und nicht eine indirekte zu Lasten des Staates, wie derzeit in Spanien geplant. Zudem werben EU-Kommission und EU-Parlament für Bankenunion und Schuldentilgungsfonds – auch das könnte die Opposition der Kanzlerin abringen.

Aber dazu muss man auch mal Nein sagen können, oder sogar offenen Widerspruch wagen, wie derzeit die Linke. Und darf sich nicht insgeheim schon auf eine große Koalition einstellen, wie Steinmeier…

 

P.S. Die „SZ“ meldet, Gauck habe schon entschieden, Karlsruhe mehr Zeit zu geben und das ESM-Gesetz vorerst nicht zu unterschreiben. Offenbar gab es dazu schon seit Tagen einen regen Austausch zwischen dem BMF und dem Präsidialamt – natürlich hinter den Kulissen. Da liegt die Vermutung nahe, dass die Bundesregierung Steinmeier und Trittin reingelegt hat, denn die wußten offenbar von nichts…