Hollandes Offensive kommt zu spät
Frankreichs Staatschef Hollande will eine Wirtschaftsregierung für die Eurozone. Auf einer Pressekonferenz in Paris kündigte er sogar eine Offensive für mehr Europa an. Doch sie enthält wenig Neues, manches ist sogar defensiv.
Kommt das nicht alles viel zu spät? Eine Wirtschaftsregierung hat Frankreich seit Einführung des Euros gefordert. Sie sollte die Eurozone auf Wachstum trimmen und verhindern, dass die Mitglieder auseinanderdriften.
Heute ist die Kluft zwischen Geber- und Nehmerländern, zwischen Nord und Süd und sogar zwischen Deutschland und Frankreich so groß, dass selbst ehemalige Euro-Anhänger daran verzweifeln.
Der deutsche Ökonom Flassbeck glaubt nicht mehr daran, dass sie sich noch schließen lässt – und erwägt eine Rückabwicklung des Euro. Ein “geordneter Ausstieg” müsse möglich sein, fordert er ähnlich wie die AfD (siehe “Flassbecks Economics”).
Doch daran denken die Euro-Chefs nicht im Traum. Merkel will der Eurozone einen deutschen Stempel aufdrücken und ihr eine neoliberale Agenda-Politik verordnen. Ihr Masterplan ist zwar aufgeschoben, aber nicht aufgehoben.
Hollande ist zwar in der Defensive, versucht aber, verlorenes Terrain wettzumachen. Europa müsse die Lethargie überwinden, sagte er auf seiner Pressekonferenz in Paris, sogar von einer “Offensive” war die Rede.
Doch diese Offensive kommt ziemlich defensiv daher. Nach dem Wachstumspakt, der kein Wachstum brachte, fordert der Sozialist nun eine Wirtschaftsregierung, die kaum regieren dürfte, schon gar nicht über die Wirtschaft.
Sie soll nämlich keine Wirtschaftspolitik im klassischen Sinn machen, sondern dafür sorgen, dass Steuer- und Sozialsysteme angeglichen werden – und zwar “nach oben”, also im Sinne höherer Steuern und besserer Absicherung.
Außerdem fordert Hollande einen 6 Mrd. Euro schweren Plan gegen Jugendarbeitslosigkeit, die Schaffung einer europäischen Energiegemeinschaft “für den Übergang” (zu erneuerbaren Energien) und – jetzt kommt’s – eine neue Etappe europäischer Integration.
Die hat es in sich, denn sie soll eine “Budgetkapazität für die Eurozone” und die “schrittweise Möglichkeit, Kredite aufzunehmen”, beinhalten. Ob das auf Eurobonds hinausläuft oder auf einen Schuldentilgungsfonds, lässt Hollande offen.
Klar ist jedoch, dass er damit mal wieder auf Konfrontationskurs zu Merkel geht. Sie hatte ähnliche Ideen schon im Herbst vehement abgelehnt und im Dezember kurzerhand vom EU-Gipfel verbannt.
Klar ist auch, dass sich Paris und Berlin irgendwann irgendwo in der Mitte treffen müssen. Spätestens nach der Bundestagswahl dürfte es so weit sein – egal, wer dann in Berlin regiert.
Dann dürfte von Hollandes Plänen nur der übliche deutsch-französische Kompromiss übrig bleiben – ein bisschen mehr Macht für die Eurogruppe hier, ein bisschen mehr Geld für Wachstum und Jobs da.
Doch ob das reicht, die zersplitterte und lahmende Eurozone dauerhaft zu stabilisieren, ist fraglich. Ich fürchte, Hollandes Vorschläge kommen wirklich viel zu spät, und sie gehen längst nicht weit genug.
Einen Vorteil haben sie immerhin: die Debatte ist wieder eröffnet. Lange war aus Paris nichts zu hören, Berlin dominierte die europapolitische Debatte. Nun muss Merkel erklären, wie sie sich die Zukunft des Euro vorstellt…
Siehe zu diesem Thema auch meine neue Umfrage: “Lassen sich die Probleme der Eurozone noch lösen?”
fufu
17. Mai 2013 @ 09:41
“Klar ist auch, dass sich Paris und Berlin irgendwann irgendwo in der Mitte treffen müssen.” ????
“Klar ist auch …, irgendwann, irgendwo”, so kann nur ein Euro-Fundamentalist argumentieren.
Klar ist mir nur, dass die EU in dieser Form keine Zukunft hat.
Tim
17. Mai 2013 @ 08:40
Oh Gott, Europa auf “französische Weise” auf Wachstum trimmen … Warum nicht gleich die DDR als Vorbild nehmen?
Robert
19. Mai 2013 @ 09:55
Es ist natürlich viel besser Europa auf deutsche Weise auf Rezession zu trimmen. Logisch.
Tim
21. Mai 2013 @ 14:17
@ Robert
Du glaubst also immer noch, Südeuropa habe ein konjunkturelles Problem, das man mit vermehrten Staatsausgaben lösen könnte. O.K., finde ich nicht problematisch.
Problematisch ist bloß, daß es viele einflußreiche Politiker ebenso sehen. So als habe es den Aufbau der Krise ab 2002 (Wirtschaftsblase durch zu billiges Geld) nicht gegeben.
Aber die Leute glauben ja, die Krise gibt es erst seit 2008.
Wer solche Politiker hat, braucht keine Feinde mehr.
Robert
22. Mai 2013 @ 13:25
@Tim
Wie man eine Rezession/Depression, mit all ihren Auswirkungen wie z. B. steigender Arbeitslosigkeit und Unternehmenspleiten, als Lösung ansehen kann, erschließt sich mir absolut nicht.
Bis die Schäden, die dadurch angerichtet werden, wieder überwunden sind, vergehen sehr viel Jahre. Es wäre auf einem allgemeinen Wachstumspfad möglich, nur dann müssten auf deutscher Seite auch Maßnahmen ergriffen werden.
Tim
22. Mai 2013 @ 15:43
@ Robert
Du hast es perfekt formuliert, die Rezession ist tatsächlich die Lösung. Eine so klare Formulierung habe ich noch nirgendwo gelesen, aber sie trifft es. Einige Länder in der Euro-Zone hatte nach den Jahren des billigen Geldes aufgrund der Fehlanreize im Euro-System eine Wirtschaftsblase aufgebaut, die im Falle Griechenlands wohl etwa 40 % des Bruttoinlandsprodukts ausmachte. Es wird erst dann wieder vorangehen, wenn diese Blase zum Großteil abgebaut ist – sei es durch interne Abwertung (besser) oder externe Abwertung/Euro-Ausstieg (wahrscheinlicher).
Robert
23. Mai 2013 @ 07:54
@Tim
Einfach wi-der-lich diese Meinung. Solange es mich nicht betrifft, können die Existenzen der anderen ruhig den Bach runter gehen.
Nur mal so als Frage, bis wohin sollen die Länder denn abwerten? Gibt es da irgendeinen Richtwert.