2017 – die andere Agenda

Das neue Jahr hat kaum begonnen, da wird es schon zum “Schicksalsjahr” für Europa erklärt. Bei den Wahlen in NL, FR und DE könnte die EU scheitern, fürchten die Auguren. Sie vergessen, was wirklich ansteht.


[dropcap]N[/dropcap]icht die Wahlen sind das Problem (was für ein merkwürdiger Gedanke in einer Demokratie…), sondern die Aufgaben, die die EU ungelöst vor sich herschiebt – und das zum Teil seit Jahren.

Hier die wichtigsten und drängendsten Herausforderungen für 2017 (ohne Anspruch auf Vollständigkeit). Sie tauchen in den meisten offiziellen Analysen nicht auf, dabei sind sie zentral:

  • Schengen reparieren. Spätestens seit der Flucht des Berliner Attentäters A. Amri ist klar, dass das Grenz- und Reiseregime nicht funktioniert. Amri konnte quer durch Europa fliehen und dabei mehrere Grenzen überschreiten, ohne dass er gestoppt wurde. Der “Schutz der Außengrenzen”, den die EU-Granden vorantreiben, reicht nicht aus – auch die Binnengrenzen müssen besser bewacht werden (und zwar nicht nur in Bayern, wie dies Berlin plant).
  • Das Verhältnis zu Russland kitten. Die EU hat die Sanktionen verlängert, doch einen Plan für den weiteren Umgang mit Russland hat sie nicht. Dabei hat Präsident Putin gerade in Syrien Fakten (und Frieden) geschaffen; bald könnte er auch mit dem neuen US-Präsidenten Trump einig werden. Will die EU wirklich zusehen, wie über ihre Köpfe hinweg Weltpolitik gemacht wird? Wenn nein, muss sie schnell umdenken und einen New Deal mit Putin suchen.
  • Die Bankenkrise in Italien (und Deutsdchland) entschärfen. Kurz vor Jahresende hat die EU-Kommission eine staatliche Finanzspritze für die Krisenbank Monte dei Paschi genehmigt. Doch damit ist die Krise nicht gelöst. Auch andere Institute wackeln, selbst die Deutsche Bank ist nicht dauerhaft saniert. Zudem ist durch den Bailout das gesamte EU-System in Verruf geraten. Hier ist Gefahr im Verzuge und schnelles Handeln gefragt.
  • Die Schuldenkrise um Griechenland lösen. Der dritte Bailout von 2015 hat kein einziges Problem gelöst. Zuletzt ist auch noch der Streit zwischen der IWF und der EU-Kommission mit Deutschland hinzugekommen. Im Wahljahr könnte Finanzminister Schäuble versucht sein, die Griechen erneut vorzuführen, vielleicht sogar zu opfern und einen Grexit zu erzwingen. Auch hier geht es nicht nur um ein Land, sondern um die gesamte Währungsunion. Fix it, finally!
  • Das Post-Brexit-Europa vorbereiten. Seit sechs Monaten schieben die EU-Chefs schon das Brexit-Thema vor sich her. Nicht nur die Briten werden langsam ungeduldig, auch die Rest-Europäer fordern Antworten ein. Was Kanzlerin Merkel & Co. bisher geliefert haben (die Bratislava-Roadmap) ist kaum der Rede wert. Beim Jubiläumsgipfel in Rom im März müssen die Chefs endlich Farbe bekennen und sagen, wo die Reise hingeht. Ein “Weiter so!” wäre fatal…

Wenn die EU all diese Themen (und noch einige mehr, siehe Türkei) energisch und entschlossen angeht, dann kann sie sich auch gegen Trump behaupten und wieder Wahlen gewinnen.

Wenn sie sich hingegen darauf beschränkt, den aktuellen Kurs als “alternativlos” zu konservieren und ansonsten auf Merkels Wiederwahl zu warten, dann ist ihr “Schicksal” besiegelt…