Warum Italien?
Der Stab war schon vor drei Jahren gebrochen. Die PIGS, also Portugal, Griechenland, Italien und Spanien seien die schwachen Glieder der Eurokette, analysierten Finanzexperten aus London und New York bereits 2009. Wer sie attackierte, konnte auf hohe Gewinne und maximale Wirkung hoffen. Kurz darauf begann die Schuldenkrise in Griechenland, da musste niemand nachhelfen.
Doch seither sind es jedesmal die Märkte, die einem PIGS-Land mit völlig überzogenen Renditeforderungen den Todesstoß versetzen (während sie die hochverschuldeten USA, UK und Japan schonen).
Bei Spanien gab es wenigstens noch einen Anlaß, die Bankenkrise. Weil Madrid sie nicht in den Griff bekam und die EZB jede Hilfe verweigerte, konnten Anleger die Risikoprämien solange in die Höhe treiben, bis die Politik kapitulieren musste. Aber in Italien? Nichts, aber auch gar nichts hat sich in Rom in den letzten Tagen geändert. Der Schuldenberg, das schwache Wachstum, die relativ niedrige Neuverschuldung – alle Kennziffern sind gleich geblieben, und Kanzlerin Merkels Liebling Monti ist auch noch da.
Geändert hat sich nur eins: die Wahrnehmung – und die Berichterstattung. Plötzlich gilt Monti als lahme Ente, als Enttäuschung. Dabei macht er genau das, was Berlin und Brüssel von ihm verlangen. Doch Märkte und Medien treiben ihn plötzlich in einer unheiligen Allianz vor sich her – wohl wissend, dass die Eurozone einen Bailout Italiens nicht mehr verkraften könnte. Das ist keine objektive Beurteilung mehr, da sind offenbar massive Interessen im Spiel, glaubt ARD-Korrespondent Troendle in Rom:
Ich meine: Es reicht! Man kann ein Land nämlich auch in die Pleite reden und genau das passiert hier zurzeit. Noch nie war so offensichtlich, von welchen Interessen die Berichterstattung gesteuert wird: aus dem Lager der Börsen-Spekulanten, der Heuschrecken-Hedgefonds, der Ratingagenturen, von den Zockern also, die mit derartigen Spekulationsluftblasen jede Menge Geld verdienen.
Der Mann hat Recht. Wenn überhaupt, dann lässt sich die plötzliche Sorge um Italien nur aus der Krise in Griechenland erklären. Doch die müsste – wenn es mit rechten Dingen zuginge – auch andere Euroländer erschüttern. Holland zum Beispiel, das mit einer ähnlichen Immobilienkrise zu kämpfen hat wie Spanien, und dessen Banken stark in Madrid engagiert sind. Oder Belgien, das fast eine so hohe Staatsverschuldung aufweist wie Italien – und ein ähnlich schwaches Wachstum.
Warum Italien? Ich finde keine rationale Antwort auf diese Frage – außer jener, dass das Land auf einer Abschussliste steht. Und warum tut keiner was gegen diese seit Jahren bekannte Todesliste, warum empört sich niemand gegen die dreisten Attacken auf Italien? Weil dies bedeuten würde, den „irrationalen Überschwang“ der Märkte zu begrenzen. Vor ein paar Jahren haben die Investoren die Club-Med-Länder noch mit Geld zum Niedrigzins überschüttet, heute machen sie sie kaputt.
Doch die Märkte haben einen Schutzpatron: Kanzlerin Merkel. Sie profitiert von der Eurokrise, und sie schützt die Märkte vor Eurobonds und ähnlichem Teufelszeug. Solange die Anleger Deutschland das Geld hinterherwerfen wird sich, so fürchte ich, wenig ändern…
P.S. …insofern ist es vielleicht eine gute Nachricht, was SPON gerade meldet: Aus Sorge um die Eurokrise stößt Pimco deutsche Staatanleihen ab. Ob das die Kanzlerin ein wenig aufrüttelt?
Alex W.
14. Juni 2012 @ 07:46
Niemand zwingt „die Märkte“, also die Verwalter unserer Pensionen, Sparkonten, Geldanlagen, irgendwem Geld zu leihen. Wenn sie es nicht tun, oder nur zu hohen Zinsen, dann ist das noch keine Spekulation, sondern eine Risiko-Abwägung. Pimco ist Italien einfach zu riskant, zumal ja noch gar nicht klar ist, ob der Euro überlebt. Spekulieren tun die CDS-Händler, die übrigens auf eine Verbesserung der Lage genauso wetten können wie auf eine Verschlechterung. Dass man die südlichen Euroländer noch vor einigen Jahren mit billigem Geld versorgt hat, scheint an einem Missverständnis zu liegen:Man hat darauf vertraut, dass der Maastricht-Vertrag eingehalten werden, man hat an den Euro geglaubt. Und man hat die No Bailout-Klausel insgeheim nicht ganz ernst genommen und gedacht, kein Euroland kann Pleite gehen, da springen die anderen schon ein, wenn es hart auf hart kommt. Schließlich wären die Austrittskosten viel zu hoch.Und jetzt weiß man nicht mehr so genau. Man hat dieses kaputte System und niemand entscheidet, es „um jeden Preis“ zu retten oder es teuer sterben zu lassen. Ich möchte nicht, dass meine Rentenbeiträge in italienischen Staatsanleihen angelegt werden. Denn das wäre SPEKULATION.
sozialdemokraten gegen den Fiskalpakt
14. Juni 2012 @ 06:24
Die Märkte sind völlig irrational. Es braucht keinen tieferen Grund um gegen Italien zu spekulieren. Die könnten morgen auch gegen Luxemburg spekulieren. Die Ursache liegt einfach darin, dass die Euroländer über keine Zentralbank verfügen, die der Spekulation entgegentritt. US/UK/Japan haben solche Zentralbanken, die eben auch Staatsanleihen aufkaufen, um die Zinsen zu drücken. Deshalb spekuliert auch keiner gegen sie, weil man gegen einen Gegner, der soviel Geld drucken kann, wie er will, schlicht nicht spekulieren kann. Diese ganze Zinskrise erklärt sich allein dadurch. Das könnte morgen vorbei sein, aber eine intervenierende Zentralbank passt eben nicht ins Leitbild der „marktkonformen Demokratie“
Das Häschen
14. Juni 2012 @ 05:59
Eric B. – Wohl wohl. Die Wettbewerbsfähigkeit Italiens war nie berauschend. Wohl aber ist Italien in den Fundamenten ähnlich wie Frankreich mit einer zarten Kostenreduktion selbst für Exporte nach Deutschland wieder auf Vordermann zu bringen. Der Antrieb ist ganz klar eine Spekulation auf Staatsanleihen, altes U.S. Prinzip billiges Geld erzeugen und bitte mit 5% bis 6% Differenz kann man ganz gut wirtschaften. Das ist unbestritten. Warum da aber dann die Medien mitmachen ist verwunderlich. Es geht allein um das Bankensystem das ist klar, mit Realwirtschaft selbst hat das alles wenig zu tun, Asien ist systemisch spannend in 10 bis 15 Jahren … Italien hat ja durchaus fähige Leut, Fremdsprachen sind deren Problem in Wahrheit … meines auch, aber es reicht in der IT … alles kann man verbessern.Dass wir den Sozialstaat nicht mehr halten können, wenn selbiger über Pump wurde finanziert – Sicht 15 bis 25 Jahre – das Modell auslaufen lassen bzw. umgestalten, respektive eher in die Richtung mehr Menschen im staatsfernen Umfeld beschäftigen. Ähnlich wie bei der Arbeitslosigkeit, jeder Kopf der ins ‚richtige‘ Eck fällt zählt doppelt. Deutschland ist etwas anfällig, Österreich indirekt über die Kopplung der Zuliefersturktur im Osten an den ‚Motor‘ .de…. das wirkt bei unsa) Überschüsse in der Dienstleistung gegenüber .deb) Ostrisken, die wirklich da sind und bei weitem die Leistungsfähigkeit Österreichs übersteigen … Ich will den Teufel an die Wand malen und diesem Titel, wer das hinterfrägt und zum Schluss käme, dass hier ein Zusammenhang bestünde der maßgeblich destabalisierend wirkte, dem liefe es kalt den Rücken hinunter. Nicht viel anderes gilt für Niederlande, Belgien usw…
Eric B.
13. Juni 2012 @ 19:48
Die Wettbewerbsfähigkeit Italiens hat sich nicht verändert. Sie kann also nicht der Grund sein, warum die Spreads nun so ansteigen. Ich vermute, dass es die Angst vor einem „Grexit“ ist – und ein allgemeiner Vertrauensverlust in den Euro und seine „Retter“. Doch er wird auf dem Rücken Italiens ausgetragen, nicht auf dem Frankreichs, oder Österreichs, das auch herabgestuft wurde. Deshalb mein These: Italien steht auf der Abschussliste…
Das Häschen
13. Juni 2012 @ 19:19
Italien hat genau wie Frankreich ein Problem mit der Wettbewerbsfähigkeit. Aber da sind sie nicht alleine. Selbstverständlich treten just den Moment die Meldungen auf den Plan, wenn die Staaten die höheren Refinanzierungsbedarf haben und Italien hat einen hohen beginnend mit jetzt. Angriffsfläche sollte man wenig bieten … Deutschland ist anders zu sehen. Die Urgenz der Situation liegt bei den Exporten. Aber das ist allein eine Frage der Zeit und die Exporte gehen in andere Teile der Erde, da bin ich zuversichtlich, ob der schöpferischen Kraft der Deutschen Unternehmen Angeblich hängen 30% der Jobs, lt. Medien, am Export. Die werden nicht alle keinen Job mehr haben, aber ein Drittel reicht und mit Nettozahler ist es vorbei. Wer zahlt dann? Österreich kann das nicht leveragen:) Selbst gemeinsam mit Belgien und Finnland … Ok von den Finnen den Russischen Vodka, den brauchen wir dann wirklich.