Warum Italien?

Nach Spanien nehmen die Märkte nun auch Italien ins Visier.Bei einer Anleiheauktion musste Rom heute so hohe Zinsen zahlen wie seit Dezember nicht mehr. W. Münchau und viele andere Wirtschaftsexperten sehen das Land schon am Abgrund. Doch warum eigentlich? Was hat sich in Rom geändert, das diesen plötzlichen Pessimismus rechtfertigt? Sind es nicht vielmehr die Märkte, die ein Land nach dem anderen ruinieren?

Der Stab war schon vor drei Jahren gebrochen. Die PIGS, also Portugal, Griechenland, Italien und Spanien seien die schwachen Glieder der Eurokette, analysierten Finanzexperten aus London und New York bereits 2009. Wer sie attackierte, konnte auf hohe Gewinne und maximale Wirkung hoffen. Kurz darauf begann die Schuldenkrise in Griechenland, da musste niemand nachhelfen.

Doch seither sind es jedesmal die Märkte, die einem PIGS-Land mit völlig überzogenen Renditeforderungen den Todesstoß versetzen (während sie die hochverschuldeten USA, UK und Japan schonen).

Bei Spanien gab es wenigstens noch einen Anlaß, die Bankenkrise. Weil Madrid sie nicht in den Griff bekam und die EZB jede Hilfe verweigerte, konnten Anleger die Risikoprämien solange in die Höhe treiben, bis die Politik kapitulieren musste. Aber in Italien? Nichts, aber auch gar nichts hat sich in Rom in den letzten Tagen geändert. Der Schuldenberg, das schwache Wachstum, die relativ niedrige Neuverschuldung – alle Kennziffern sind gleich geblieben, und Kanzlerin Merkels Liebling Monti ist auch noch da.

Geändert hat sich nur eins: die Wahrnehmung – und die Berichterstattung. Plötzlich gilt Monti als lahme Ente, als Enttäuschung. Dabei macht er genau das, was Berlin und Brüssel von ihm verlangen. Doch Märkte und Medien treiben ihn plötzlich in einer unheiligen Allianz vor sich her – wohl wissend, dass die Eurozone einen Bailout Italiens nicht mehr verkraften könnte. Das ist keine objektive Beurteilung mehr, da sind offenbar massive Interessen im Spiel, glaubt ARD-Korrespondent Troendle in Rom:

 

Ich meine: Es reicht! Man kann ein Land nämlich auch in die Pleite reden und genau das passiert hier zurzeit. Noch nie war so offensichtlich, von welchen Interessen die Berichterstattung gesteuert wird: aus dem Lager der Börsen-Spekulanten, der Heuschrecken-Hedgefonds, der Ratingagenturen, von den Zockern also, die mit derartigen Spekulationsluftblasen jede Menge Geld verdienen.

Der Mann hat Recht. Wenn überhaupt, dann lässt sich die plötzliche Sorge um Italien nur aus der Krise in Griechenland erklären. Doch die müsste – wenn es mit rechten Dingen zuginge – auch andere Euroländer erschüttern. Holland zum Beispiel, das mit einer ähnlichen Immobilienkrise zu kämpfen hat wie Spanien, und dessen Banken stark in Madrid engagiert sind. Oder Belgien, das fast eine so hohe Staatsverschuldung aufweist wie Italien – und ein ähnlich schwaches Wachstum.

Warum Italien? Ich finde keine rationale Antwort auf diese Frage – außer jener, dass das Land auf einer Abschussliste steht. Und warum tut keiner was gegen diese seit Jahren bekannte Todesliste, warum empört sich niemand gegen die dreisten Attacken auf Italien? Weil dies bedeuten würde, den „irrationalen Überschwang“ der Märkte zu begrenzen. Vor ein paar Jahren haben die Investoren die Club-Med-Länder noch mit Geld zum Niedrigzins überschüttet, heute machen sie sie kaputt.

Doch die Märkte haben einen Schutzpatron: Kanzlerin Merkel. Sie profitiert von der Eurokrise, und sie schützt die Märkte vor Eurobonds und ähnlichem Teufelszeug. Solange die Anleger Deutschland das Geld hinterherwerfen wird sich, so fürchte ich, wenig ändern…

 

 

P.S. …insofern ist es vielleicht eine gute Nachricht, was SPON gerade meldet: Aus Sorge um die Eurokrise stößt Pimco deutsche Staatanleihen ab. Ob das die Kanzlerin ein wenig aufrüttelt?