Warum diese Europawahl eine Mogelpackung ist
Der Europa-Wahlkampf nimmt langsam Fahrt auf. Die Parteien versuchen, mit dramatischen Appellen zur Wahl im Juni zu mobilisieren. Dabei haben die Wähler diesmal weniger zu melden als früher.
Vor fünf Jahren sollten wir das Klima retten, die Europawahl wurde zur Klimawahl hochstilisiert. Diesmal geht es um Krieg oder Frieden, Wohlstand oder Niedergang, Demokratie oder Populismus und Putinismus.
Diesen Eindruck erweckt die schrille Rhetorik, mit der deutsche Politiker zur Wahlschlacht im Juni antreten.
Europa stehe vor einer „Schicksalswahl“, sagt der CSU-Politiker Manfred Weber, der die mächtige Europäische Volkspartei (EVP) leitet. Angesichts des russischen Angriffskriegs gehe es um die Verteidigung Europas und der westlichen Werte.
Verbal aufgerüstet hat auch Katarina Barley, die Spitzenkandidatin der SPD. Die EU müsse über eine eigene Atombombe nachdenken, sagt die Vizepräsidentin des Europaparlaments. Zudem warnt sie vor einem Rechtsruck: Die Demokratie sei in Gefahr.
Die Grünen wollen den „Green Deal“ retten, die FDP möchte die Ukraine aufrüsten und Russland schlagen. Die Linke sorgt sich um die Flüchtlinge und den Sozialstaat, die AfD will Sozialleistungen für Flüchtlinge kürzen und die „Massenmigration“ stoppen.
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Gemeinsam ist allen Appellen, dass sie nicht nur dramatisch klingen, sondern demokratische Endzeitstimmung verbreiten. Wenn sich die Bürger bei dieser Wahl nicht richtig entscheiden, so suggerieren unsere EU-Politiker, dann ist Europa dem Untergang geweiht.
Sogar das Europaparlament greift tief in die rhetorische Mottenkiste: Diese Wahl sei ein „einmaliger Moment“, bei dem „wir alle kollektiv über die Zukunft der Europäischen Union entscheiden“, heißt es auf der Wahl-Website der Straßburger Kammer.
Doch der allzu bemühte Versuch, die Bürger aufzurütteln und die Wahlbeteiligung zu erhöhen (2019 waren es EU-weit nur 50,6 Prozent), ist wenig überzeugend. In Wahrheit haben die Wähler diesmal weniger zu melden als bei früheren EU-weiten Abstimmungen.
Dies ist ein Auszug aus meinem Wahl-Report für den “Cicero” (Magazin). Leider steht er noch nicht online! Siehe auch Warum diese Europawahl eine Mogelpackung ist (2) und Von der Leyens zweite Amtszeit: Ein abgekartetes Spiel
european
3. April 2024 @ 08:58
“Angesichts des russischen Angriffskriegs gehe es um die Verteidigung Europas und der westlichen Werte.”
Es fällt schwer, nicht über diesen Nonsens zu lachen, aber wenn man sieht, wohin unser großer Bruder und Freund gerade strebt, können einem die Tränen in die Augen steigen. Ukraine-Reloaded, könnte man sagen. Nur noch ein bisschen größer aber nun sind wir ja alle solidarisch in einem Boot. Was soll da schon schiefgehen?
Ben Norton berichtet in seinem neuen Geopolitical Economy Report darüber, wie die USA gerade Taiwan mit Truppen und Waffen massiv aufrüsten, das nach wie vor chinesisches Hoheitsgebiet ist. Er stellt nicht zu Unrecht die Frage, wie sich die USA dazu stellen würden, wenn China plötzlich Florida aufrüsten würde.
https://youtu.be/sWWABuHjSvU?feature=shared
Das passt zum Interview mit General Kujat, welches ich gestern gehört habe. Er erwähnt darin, dass die aktuelle Militärstrategie der USA ausschliesslich auf China ausgerichtet ist und nicht auf die Ukraine und Russland, was einmal mehr darauf hindeutet, dass die USA sich aus der Ukraine völlig zurückziehen werden. Ganz besonders, wenn Trump im November an die Macht kommen sollte. Heißt also, dass der Scherbenhaufen Ukraine den Europäern überlassen und man zum nächsten Land weiterziehen wird, um ein weiteres Krisenfeuer zu entfachen. Frau von der Leyen wartet bestimmt schon auf ihren Ruf nach Washington.
https://youtu.be/sQXbSJdH4ME?feature=shared
Stoltenberg hat übrigens auch gerade einen 100 Milliarden Sonderfonds für die Ukraine vorgeschlagen. Sieh an. Was für ein Zufall. Und weil wir ja jetzt alle so glücklich in der NATO vereint sind, dürfen wir gespannt sein, welches Ereignis uns bevorsteht um wieder einen Bündnisfall auszurufen. Vermutlich wird man Pässe chinesischer Terroristen finden oder so etwas ähnliches 😉
Helmut Höft
3. April 2024 @ 09:30
@european
Danke für’s Link zu Ben Norton.
“Die USA sehen offenbar den Job die EU schwer beschädigen die Ukraine ihr ans Bein binden als erledigt an und wendet sich nun wichtigeren „Aufgaben“ den Wertewesten® zu verteidigen:” https://www.hhoeft.de/mythos/index.php/2024/04/03/zwischenruf-03042024-kommt-heute-nicht-voran-ueberrennt-uns-morgen-ben-norton-das-imperium-und-der-rest-der-welt/
Thomas Damrau
2. April 2024 @ 09:37
@Helmut Höft
“Ja wat denn nu?”
Schon Orwells Schorsch hat erkannt, das 2+2 nur manchmal 4 ist – und manchmal eben auch 5 oder 3 oder alles zusammen. Insbesondere das “alles zusammen” ist im Zeitalter der Quanten-Computer très chic.
Wer das nicht rafft, ist – “so leid es mir in tiefster innerer Seele tut, das so deutlich sagen zu müssen; und es wird mir auch schlaftlose Nächte bereiten” (um mal hier den Habeck zu machen) – leider nicht auf der Höhe der Zeit.
KK
2. April 2024 @ 16:13
Kommentieren geht bei mir weiterhin nur in Gestalt von Antworten, daher hier etwas zum zweiten Teil:
„Von der Leyen soll an der Spitze der EU-Kommission bleiben…“
Bei laufenden Ermittlungen wegen ihres fortgesetzten und eigentlich schon gewohnheitsmässigen Fehlverhaltens… ja klar, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Transparenz… alles nur noch für die Tonne!
Helmut Höft
2. April 2024 @ 09:24
“Angesichts des russischen Angriffskriegs gehe es um die Verteidigung Europas und der westlichen Werte.”
Nur wenige wundern sich über diese Ächzperten die, ohne rot zu werden, heute belegen(!), dass die russische Armee nicht “voran” kommt (aka “keinen Schuss Pulver wert ist”). Im gleichen Atemzug “expertisen” diese Knilche, dass, wenn “der Russe”, wenn Putin nicht gestoppt wird er morgen uns alle überrennen wird. *kopfkratz* Ja wat denn nu?
Kerstin
2. April 2024 @ 08:39
Wer inhaltlich eine Behauptung aufstellt (hier:, die Wähler hätten diesmal noch weniger zu melden), sollte dies, auch in einem so kurzen Text, begründen.
ebo
2. April 2024 @ 09:11
Selbstverständlich. Können sie gern im “Cicero” nachlesen. Oder im angegebenen Link.
Ich komme sicher auch nochmal auf das THema zurück 🙂
Kleopatra
2. April 2024 @ 11:55
Wollen Sie damit unterstellen, in früheren Europawahlen hätten die Wähler mehr Einfluss darauf gehabt, wer Kommissionspräsident wird?
Die Theorie vom “Spitzenkandidaten” wurde vom Europaparlament erst zur Wahl 2014 vertreten. Schon 2019 wurde eine Person ernannt, die zwar mit der stärksten Fraktion im Parlament verbunden ist, aber vor der Wahl nicht als “Spitzenkandidatin” benannt worden war. Dass die Regierungschefs das Recht haben, eine beliebige Person für den Kommissionsvorsitz zu benennen und das Parlament lediglich die Option hat, diesen Kandidaten abzulehnen, steht seit jeher in den Verträgen.
Fazit: Nur 2014 wurde ein “Spitzenkandidat” Kommissionspräsident. Und auch hier kann, nachdem die Christdemokratie im Europaparlament traditionell praktisch immer die stärkste Fraktion stellt, nicht wirklich von einer Wahl gesprochen werden.
Dass freilich die EVP mittlerweile Teile des “Green Deal” mit parlamentarischen Mitteln bekämpft, eröffnet Möglichkeiten, immerhin eine politische Richtung zu beeinflussen.
ebo
2. April 2024 @ 12:05
In der Tat.
2014 gab es eine echte Wahl – nicht nur wegen der Spitzenkandidaten Juncker und Schulz, die beide ernst zu nehmende EU-Politiker waren. Sondern auch, weil sie nach der Eurokrise durchaus unterschiedliche Programme vertraten.
2019 wurde eine solche Wahl immerhin noch suggiert, dann aber vom Europäiscen Rat konfisziert. Immerhin hatten die Wähler damals einen spürbaren Einfluß auf die Politik – die “Klimawahl” führte zum “Green Deal”.
Diesmal ist nichts mehr davon übrig. Die Europawahl wird zur Mogelpackung ohne echten Einfluß auf die EU-Politik. Die Programmatik soll sich ebenso wenig ändern wie die Personen. Jedenfalls nicht in Brüssel…
Thomas Damrau
2. April 2024 @ 07:24
Wer inhaltlich wenig zu bieten hat, muss umso mehr die Werbetrommel rühren. Was @ebo als Botschaften der diversen Parteien geschildert hat, lässt sich auf einer übergeordneten Perspektive so zusammenfassen:
— Weiter so! Nur energischer und mit weniger Gedöns!
— Augen zu und durch!
— Die Reihen dicht schließen!
Klingt alles nicht zukunftsfähig.
Helmut Höft
2. April 2024 @ 09:18
@Thomas Damrau
Es geht noch kürzer: “Die Fahne hoch …”
Robby
1. April 2024 @ 11:27
Annalena war zumindest einmal in ihrem Leben ehrlich:
Egal was meine Wähler wollen, ich mach mein Ding.
Sinngemäß.
Und Annalena ist da sicher nicht die einzige.
KK
1. April 2024 @ 17:19
Sorry, eigene Beiträge gehen wieder nicht:
„Diesmal geht es um Krieg oder Frieden“
Wo geht es denn bei der Wahl den etablierten Parteien um FRIEDEN? Es geht doch fast allen nur noch um KRIEG!!!
Und man möchte meinen, es könne manchen gar nicht schnell genug damit losgehen.