Warum die EU die Türkei umwirbt

Beim Flüchtlings-Krisengipfel rückt überraschend die Türkei in den Mittelpunkt. Die EU will sogar neue Milliarden-Hilfen freigeben – doch warum eigentlich?

Hilfen? Auf den ersten Blick ist dies überraschend. Schließlich kommen aus der Türkei seit Wochen die meisten Flüchtlinge nach Griechenland und dann über die Balkan-Route nach Österreich und Deutschland.

Bis vor kurzem unternahmen die türkischen Behörden nichts, um die Menschen von der Flucht nach Europa zurückzuhalten. Dabei wären sie dazu nach dem Ende 2013 vereinbarten Rücknahmeabkommen mit der EU eigentlich verpflichtet.

Als EU-Beitrittskandidat müsste die Türkei sich auch an die Grundregeln der EU-Außen- und Asylpolitik halten. Brüssel könnte Ankara also eigentlich zur Ordnung rufen – oder sogar die Marine zum Kampf gegen Schlepper schicken, wie vor der Küste Libyens.

Doch daran denken die EU-Politiker nicht einmal im Traum. Schließlich ist die Türkei ein wichtiger Nato-Partner; allein schon die Rücksicht auf die USA verbietet Sanktionen.

Aber auch die Dimension des Flüchtlingsproblems spricht für Zurückhaltung. Während sich die EU nur mit größter Mühe auf die Aufnahme von 160.000 Menschen einigen konnte – beim Treffen der Innenminister am Dienstag stimmten vier EU-Staaten dagegen, die Slowakei will klagen -, beherbergt die Türkei rund zwei Millionen Flüchtlinge aus Syrien.

Präsident Recep Tayyip Erdogan scherzt denn auch gerne über das europäische Quoten-System.„Wir stehen voll hinter der Quote“, sagte er bei einem Treffen mit EU-Ratspräsident Donald Tusk. „Allerdings sollte auch die Türkei mitmachen dürfen.“

In Brüssel wurde dies nicht nur als Seitenhieb auf die aus türkischer Ansicht völlig ungenügenden Hilfsbemühungen Europas verstanden, sondern auch als versteckte Drohung:  Erdogan könnte, wenn er nur wollte, noch mehr Flüchtlinge über die Ägäis nach Griechenland schicken.

Genau das will die EU verhindern – und biedert sich deshalb bei Erdogan an. Nicht nur Gipfelchef Tusk bemüht sich um Schönwetter.

Auch die EU-Kommission umwirbt den AKP-Politiker, den sie wegen seiner ständigen Angriffe auf die Meinungsfreiheit und seines unerklärten Kriegs gegen die Kurden eigentlich scharf verurteilen müsste.

Der für die Erweiterung zuständige EU-Kommissar Johannes Hahn will sogar eine Milliarde Euro freigeben.

Eigentlich war das Geld zur Vorbereitung auf den EU-Beitritt gedacht, nun wird es für die „Flüchtlingshilfe“ umfunktioniert – oder besser: dafür, dass die Türkei die Syrer von der Weiterreise nach Europa abhält.