Wahl in Polen: PiS liegt vorn, Tusk feiert Sieg
Bei den Wahlen in Polen zeichnet sich ein Sieg der proeuropäischen Opposition ab, aber noch kein Regierungswechsel. Denn die PiS liegt vorn.
Am Sonntagabend gab es nur Prognosen, keine Ergebnisse. Demnach käme die Opposition auf 248 der 460 Sitze im Sejm. Die PiS bliebe aber wohl mit 200 Sitzen die stärkste Partei. Sie könnte damit auch das erste Wort bei der Regierungsbildung haben.
PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski räumte ein, dass der Ausgang der Wahl ungewiss sei. Er deutete allerdings dunkel an, dass bis zum Endergebnis, das erst am Dienstag erwartet wird, noch einiges passieren könne. Was meint er nur?
Oppositonsführer Tusk sagte, er sei “der glücklichste Mensch auf Erden”. Für ihn scheint klar: “Die Demokratie hat gewonnen. Polen hat gewonnen.” Tusk war früher EU-Ratspräsident, deshalb halten fast alle EU-Politiker zu ihm.
Allerdings war der Jubel in Brüssel zunächst verhalten. Zu ungewiss scheint der Ausgang, zu tief sitzt vielen noch das (unerwünschte) Wahlergebnis in der Slowakei in den Knochen. Dort hatte sich das Ergebnis noch einmal gedreht.
Das kann man auch in Polen nicht ausschließen. Nach Ansicht zahlreicher Beobachter waren die Wahlen nicht frei und nicht fair, da PiS über einen massiven Vorteil in den Medien verfügte. Wird es bei der Auszählung der Stimmen fair zugehen?
Big decision ahead of President Duda. If exit polls are right, PiS is largest party (200 seats), but opposition coalition has majority (248). Who will Duda give first shot at forming government? If he sides with PiS, they could delay opposition taking power for many weeks. 1/
— Stanley Bill (@StanleySBill) October 15, 2023
Arthur Dent
16. Oktober 2023 @ 14:20
Oppositionsführer Tusk sagte, er sei „der glücklichste Mensch auf Erden“. Für ihn scheint klar: „Die Demokratie hat gewonnen. Polen hat gewonnen.“ – Schon eine sehr merkwürdige Vorstellung von Demokratie. Wenn also sogenannte Pro-Europäer die Wahl gewinnen, dann ist Demokratie – wenn die sogenannten Anti-Europäer die Wahl gewinnen, dann ist F…ismus. Anti-Europäer sind immer die, die sich in erster Linie um die Sorgen und Nöte des eigenen Volkes kümmern (also die „nationalistischen“), während Pro-Europäer Milliarden an Steuergeldern des eigenen Volkes in fremde Länder pumpen. Was kümmert es sie, wenn im eigenen Land mehr und mehr Leute in Zelten leben, zur Tafel müssen, keine bezahlbare Wohnung finden, Schulen mehr und mehr Schrottimmobilien gleichen, Krankenhäuser schließen – Hauptsache, man hat genug selbst zu essen und so eine Solaranlage im tiefsten Indien, das ist ihr ganzer Stolz.
Wird Donald Tusk denn umgehend den Euro einführen, wozu sich alle Euro-Länder verpflichtet haben? Ich denke, so dumm wird er nicht sein – dann müsste er ja nach Brüssels Pfeife tanzen ud er hat ja am Beispiel Griechenlands gesehen, wie leicht man erpressbar ist, wenn die EZB einem den Geldhahn zudreht.
Kleopatra
16. Oktober 2023 @ 09:40
Interessant sind in diesem Zusammenhang vielleicht Artikel 154 und 155 der polnischen Verfassung, die das Verfahren der Regierungsbildung beschreiben.
Nach Art. 154 ernennt der Präsident bis 14 Tage nach Zusammentritt des neugewählten Sejms einen Ministerpräsidenten und eine Regierung; der MP stellt sie innerhalb von 14 Tagen dem Sejm vor und bittet um dessen Vertrauen. Wenn ihm das nicht mit Mehrheit (der Anwesenden, mindestens die Hälfte muss anwesend sein) erteilt wird, hat der Sejm 14 Tage Zeit, um mit dieser Mehrheit eine Regierung zu wählen, die der Präsident dann ernennen muss.
Wenn diese Wahl auch fehlschlägt, hat der Präsident nach Art. 155 einen letzten Versuch, eine Regierung zu ernennen. Wenn auch diese nicht das Vertrauen des Sejms erhält, muss das Parlament neu gewählt werden.
Folge: Es kommt ganz darauf an, wer es schafft, eine Regierungsmehrheit im Sejm zu organisieren.
KK
16. Oktober 2023 @ 12:58
“Folge: Es kommt ganz darauf an, wer es schafft, eine Regierungsmehrheit im Sejm zu organisieren.”
Oder wer es schafft, bestimmte Abgeordnete von einer entscheidenenden Abstimmung fern zu halten… wenn nur die Hälfte aller Abgeordneten hierzu anwesend sein muss, dann gibt es ja mindestens ein prominentes Vorbild in der Geschichte, wie auch eine Minderheitenpartei allein an die Regierung kommen könnte.
Helmut Höft
16. Oktober 2023 @ 09:19
Was meint er nur? Könnte er vielleicht meinen: “Unser Sieg wurde gestohlen”!? 😉
Kleopatra
16. Oktober 2023 @ 08:20
Die Wahl unterliegt zwar dem Verhältniswahlrecht, allerdings auf der Ebene zahlreicher Wahlkreise (ohne einen Ausgleich zwischen den Wahlkreisen). Dadurch sind einerseits große Parteien bevorzugt, andererseits ist es schwierig, von landesweiten Ergebnissen auf die Sitzverteilung zu schließen.
Grundsätzlich ist beim Verhältniswahlrecht der Ausdruck „Wahlsieger“ fragwürdig (wie häufig in der Presse die PiS als „Wahlsieger“ bezeichnet wird); außer mit einer absoluten Mehrheit kann auch die stärkste einzelne Partei die Politik nicht unangefochten dominieren, vielmehr kann durchaus gegen sie regiert werden.
KK
16. Oktober 2023 @ 01:38
„PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski räumte ein, dass der Ausgang der Wahl ungewiss sei.“
Nun, die Regierung hat ja über das Aussenministerium die Hoheit über die im Ausland in den Vertretungen abgegebenen Stimmen… damit kann viel passieren, bis die in Warszawa sind.
Auch eine Wahlanfechtung ist denkbar, die Gerichte hat die PiS ja nicht umsonst auf Linie gebracht.