Wackelt jetzt der Brexit?
Was bedeutet die britische Unterhauswahl für den Brexit? Wird die geschwächte Premierministerin May nun herumeiern, könnte der Brexit verzögert oder sogar ganz abgeblasen werden?
Das sind die Fragen, die sich (vor allem) deutsche Politiker stellen. Der Europaabgeordnete E. Brok (CDU), der das Ohr von Kanzlerin Merkel hat, sprach sich sogar für einen Exit vom Brexit aus.
Doch das ist Wunschdenken. In Brüssel bereitet man sich nach wie vor auf die Scheidungs-Gespräche vor. Es könne zwar Verzögerungen geben, aber keine Verlängerung, so Chefunterhändler Barnier.
Zwar hatte man sich bei der EU eine klare Mehrheit für May gewünscht. Dahinter steht die Vermutung, dass dies die Verhandlungen erleichtert hätte, da May keine innerparteilichen Rücksichten nehmen müsste.
Doch Brüssel hat sich wieder einmal getäuscht. Mit dem Wahlerfolg von Labour-Führer Corbyn hat hier niemand gerechnet, nicht einmal die Sozialdemokraten im Europaparlament, die ihm nun lauwarm gratulieren.
Sozialdemokratische Abgeordnete wie J. Leinen hoffen jetzt, dass wenigstens der “harte Brexit” vom Tisch sein könnte: „Der Exit vom harten Brexit erscheint wieder als eine mögliche Perspektive“.
Aber auch das ist längst nicht ausgemacht. Denn eine geschwächte Premierministerin könnte versucht sein, nach außen umso härter aufzutreten. Schließlich sitzen ihr EU-“Fans” wie Außenminister Johnson im Nacken…
Fazit: Die Ausgangslage für die Verhandlungen hat sich für beide Seiten verschlechtert. Deshalb neige ich zu der Ansicht, dass am Ende das Tischtuch zerrissen werden könnte, und man ohne Einigung auseinander geht.
Es wäre das Worst-Case-Szenario – herbeigeführt durch unverantwortliche Tories und eine gutgläubige EU, die nicht einmal im Traum darüber nachgedacht hat, (auch) auf Corbyn zu setzen…
Winston
10. Juni 2017 @ 09:17
Die Tories werden sich wohl mit DUP (Nordirische Unionisten) zusammen tun.
Sollte Boris Johnson May ablösen, was durchaus möglich ist, kommts zum Superbrexit.
Dies wäre wirklich der Worste-Case aus EU sicht.
Die Schottischen Nationalisten (SNP) haben fast die hälfte der Sitze verloren, tja.
Peter Nemschak
9. Juni 2017 @ 18:26
@ebo das ist rotes Wunschdenken. Wenn jemand für den Altlinken Corbyn gestimmt hat, waren es die Nostalgiker aus der älteren Generation und die weniger Gebildeten, die in Großbritannien besonders zahlreich sind, Leute die an den “goldenen” 1960-iger und 1970-iger Jahren festhalten wollen als Labour noch Labour war, das Land über seine Verhältnisse lebte und von den Resten des ehemaligen Kolonialreichs zehrte, die es sich eigentlich nicht mehr leisten konnte. Das Land konnte seine Klassengesellschaft bis heute nicht abschütteln und ein produktives Verhältnis von Staat und Privat herstellen. Im Kern sind sowohl die Tories wie Labour unter Corbyn reaktionär. Frankreich scheint derzeit nach vorne, Großbritannien zurückzuschauen.
ebo
9. Juni 2017 @ 19:53
@Nemschak “Besonders junge Wähler bescherten Corbyn einen Stimmenanteil, der selbst den von Tony Blair bei seinem Wahlsieg 2005 übersteigt.” http://www.zeit.de/news/2017-06/09/wahlen-jeremy-corbyn-der-unterschaetzte-labour-parteirebell-09083804
Peter Nemschak
9. Juni 2017 @ 20:24
Sichtlich hat es nicht gereicht. Die Zukunft ist ungewisser denn je. Baldige Neuwahlen und/oder ein zweites Referendum sind nicht ausgeschlossen. Dass Großbritannien aus seiner historisch gewachsenen Haut heraus kan, scheint mir unwahrscheinlich. Einem Melanchonisten wie Ihnen würde eine Labourregierung unter Corbyn wahrscheinlich besser gefallen als eine Regierung unter Macron.
ebo
9. Juni 2017 @ 20:31
Richtig. Aber ich bin in guter Gesellschaft. Sogar der Handelsblatt Herausgeber Steingart hat sich für Corbyn ausgesprochen
Peter Nemschak
9. Juni 2017 @ 12:55
Johnson ist für alle Varianten von BREXIT zu haben, so ferne es ihm persönlich nützt. letztlich wird, so oder so, die wirtschaftliche Vernunft siegen. Die Eliten im UK sind, wenn es hart auf hart kommt, Kaufleute und Händler.
ebo
9. Juni 2017 @ 13:00
Sie täuschen sich. Ich war eine Woche vor dem Brexit-Votum in London. Niemand hat einen Finger für den Verbleib in der EU gerührt, schon gar nicht die Lobbyisten der City. Keine Plakate, keine Kampagne, nichts. Sie haben sich komplett verzockt, genau wie Cameron gestern und May heute.
Peter Nemschak
9. Juni 2017 @ 13:15
Die jungen Wähler, die beim Referendum fahrlässig zu Hause geblieben sind, haben diesmal gegen den BREXIT gestimmt. Dass es keine Plakate gegen den BREXIT gibt, verwundert nicht weiter. Er ist nun einmal beschlossen. allerdings, ob ganz weich, weich, mittelhart, hart oder steinhart wurde im Wahlkampf nicht kontroversiell diskutiert. Es war ein Fehler von May sich auf hart festzulegen statt zu beteuern, dass sie die bestmögliche Lösung für den nun einmal getroffenen Volksentscheid verhandeln wird. Den Unterschied zwischen den unterschiedlichen Härten können die Wähler ohnedies nicht ausmachen. Auch einen weichen BREXIT kann man als hart verkaufen, wenn es für das Selbstbewusstsein der Nation erforderlich ist.
ebo
9. Juni 2017 @ 13:52
Die jungen Wähler haben für Corbyn gestimmt, und gegen May. Der Brexit spielte doch nur eine Nebenrolle.