Viel “Green”, wenig “Deal”
Fast ein Jahr nach dem Amtsantritt von Kommissionschefin von der Leyen – und kurz vor dem Ende der deutschen Ratspräsidentschaft – ist der “European Green Deal” immer noch nicht in trockenen Tüchern. Das hat Gründe – eine Zwischenbilanz.
“Was bleibt vom Green Deal in der Krise?” Das wollte die Böll-Stiftung in Paris wissen – für eine Online-Debatte am 24. November habe ich noch einmal ins Archiv geschaut. Die Bilanz war ernüchternd.
Denn bisher steht der “European Green Deal” nur auf dem Papier. Die EU-Staaten haben sich nicht einmal auf das Zwischenziel für 2030 verständigt, und die EU-Kommission ist die wichtigen Legislativakte schuldig geblieben.
Das Team von der Leyen will die nötigen EU-Gesetze erst im Juni 2021 vorlegen, und der Rat will erst beim Gipfel im Dezember über das 2030-Ziel sprechen. Doch der Entwurf der Schlußfolgerungen lässt nicht viel erwarten.
The target will be delivered collectively by the EU in the most cost-effective manner possible. All Member States will participate in this effort, taking into account considerations of fairness and solidarity. The new 2030 target needs to be achieved in a way that preserves the EU’s competitiveness and takes account of Member States’ national circumstances. The European Council acknowledges the need to ensure security of energy supplies at an affordable price, and to respect the right of the Member States to decide on their energy mix.
Entwurf der Ratsschlußfolgerungen für den EU-Gipfel am 10. und 11. Dezember
Die EU-Staaten wollen das 2030-Ziel demnach “kollektiv” erreichen – nicht individuell. Das lässt für Staaten wie Polen und Tschechien, aber auch für Deutschland eine Hintertür offen.
Zudem werden die “nationalen Bedingungen” und die “Wettbewerbsfähigkeit” betont. Auch die Energieversorgungs-Sicherheit wird herausgestellt – das klingt nach Ausnahmen für Gas und Kohle.
Im Europaparlament sieht es leider nicht viel besser aus. Es hat zwar gefordert, die CO2-Ersparnis bis 2030 auszuweiten, auf 60 Prozent. Doch CDU/CSU und andere Konservative ziehen nicht mit, der Konsens ist futsch.
Last but not least ist der deutsche EU-Vorsitz in der Klimapolitik abgetaucht. Berlin hat keine eigenen Initiativen ergriffen, sondern sich mit der Coronakrise herausgeredet. Die Agrarreform wurde in den Sand gesetzt.
Dies lässt nichts Gutes für 2021 ahnen. Dann, nach dem Ende der EU-Präsidentschaft, könnte Deutschland wieder auf der Bremse stehen – und sich zum Beispiel bei den CO2-Vorgaben für Automobile querstellen. Die Debatte ist schon voll entbrannt.
Hoffnung macht eigentlich nur die Bundestagswahl im Herbst 2021 – ähnlich wie bei der Europawahl 2019 dürften die Parteien unter Druck der Zivilgesellschaft kommen, mehr fürs Klima zu tun.
Auch der Machtwechsel in Washington könnte den “European Green Deal” fördern. Bisher haben wir mehr “Green” als” Deal” – aber eine andere Klima- und Wirtschaftspolitik in den USA könnte vieles ändern…
Alles zum Green Deal hier
P.S. Obwohl sie noch amtierende EU-Ratsvorsitzende ist, schmiedet Merkel schon ein Bündnis gegen die künftige Abgasnorm Euro 7. Dies bestätigt meine Einschätzung, dass der deutsche Ratsvorsitz den “Green Deal” nicht ernst (genug) nimmt – und Berlin 2021 dagegen arbeiten wird!