“Ukraine nicht bedingungslos unterstützen”

Der frühere EU-Kommissar G. Verheugen wird in Brüssel mittlerweile ignoriert. Dabei hat er in seinem jüngsten Interview wichtige Dinge zur Ukraine-Politik gesagt. Wir kommen daher noch einmal darauf zurück.

Einen willkommenen Anlaß bietet ein Artikel in “telepolis”. Er fasst Verheugens Positionen treffend zusammen. Besonders wichtig scheint mir folgende Passage:

“Es ist doch offensichtlich, dass die Ukraine verzweifelt versucht, dass das Engagement des Westens und der Nato die Grenze zur direkten Intervention überschreitet”, sagte er: Das hätte die direkte Auseinandersetzung der großen Atommächte zur Folge und wäre der Schritt in den Abgrund.

Wir müssen also unsere ganze Kraft einsetzen, um Russland und die Ukraine an den Verhandlungstisch zu bekommen. Ich halte es für einen Fehler, die Strategie der Ukraine bedingungslos zu unterstützen, ohne Verhandlungsbereitschaft zu verlangen, und zwar ohne Vorbedingungen.

Günter Verheugen

Verheugen vertritt hier zwei wichtige Argumente. Zum einen müsse man Russland und die Ukraine an den Verhandlungstisch bekommen. Zum anderen dürfe man die Ukraine nicht mehr bedingungslos unterstützen.

Den ersten Punkt halte ich derzeit für aussichtslos. Beide Länder wollen nicht verhandeln, schon gar nicht miteinander. Verhandlungen sind – wenn überhaupt – nur auf Umwegen möglich. Die USA und China spielen dabei eine Schlüsselrolle.

Die EU drängt China bereits, auf Russland einzuwirken. Sie hat es bisher jedoch versäumt, auch die USA zu Gesprächen zu bewegen. Es ist ein Unding, dass Präsident Biden seit Beginn des Krieges nicht einmal zum “roten Telefon” gegriffen hat.

Hier müsste eine diplomatische Initiative der EU ansetzen. Zudem muss endlich über eine Lockerung bzw. Aufhebung der Sanktionen gesprochen werden. Statt Wirtschaftskrieg brauchen wir wieder Wirtschaftsdiplomatie!

Nur eine Doppelstrategie aus Zuckerbrot und Peitsche verspricht Erfolg. Bisher kennt die EU nur die Peitsche. Doch diese trifft sie selbst – der Wirtschaftskrieg hat vor allem Deutschland geschadet. Versucht endlich das Zuckerbrot!

Die EU braucht eine eigene Strategie

___STEADY_PAYWALL___

Der zweite Punkt ist essentiell. Die EU kann und darf die Ukraine nicht mehr bedingungslos unterstützen. Sie kann es nicht, weil sie sichtlich überfordert ist. Die Europäer verfügen weder über genug Waffen noch über genug Geld.

Und sie darf es nicht, weil sie sonst unweigerlich in den Krieg hineingezogen wird. Bis zur direkten Intervention ist es nur noch ein kleiner Schritt. Polen und Großbritannien sind wohl bereit, ihn zu gehen. Deutschland und die EU müssen Stop sagen!

Statt sich auf die ukrainische Strategie einzulassen, müssen die EUropäer endlich eine eigene entwickeln. Dazu waren sie bisher nicht fähig, wohl wahr. Doch das kann und darf nicht heißen, dass man sich willenlos treiben lässt!

Ein Teil dieser Strategie könnte sein, der Ukraine klar zu machen, dass sie der EU nur dann beitreten kann, wenn der Krieg vorbei und ein Friedensvertrag unterschrieben ist. Dies wäre auch ein guter Anreiz für Diplomatie…

Siehe auch “Verheugen, der Krieg und der unbändige Drang nach Osten”

P.S. Es gibt offenbar eine vertrauliche ukrainisch-deutsche Zusammenarbeit, sogar in mehreren Formaten. Dies hat Botschafter Makeiev erklärt. Die deutsche Hilfe ist nicht nur nicht konditioniert, sondern scheinbar grenzenlos…