Umsturz in Syrien: Kallas fehlen die Worte
Es war der erste außenpolitische Test für die neue EU-Kommission: der Umsturz in Syrien und seine möglichen Folgen für EUropa. Die neue Außenbeauftragte hat ihn nicht bestanden.
In Syrien wird Geschichte geschrieben. Islamistische Kämpfer und andere Regime-Gegner ziehen vom Norden, offensichtlich mit Rückendeckung der Türkei, durch das Land und stürzen Machthaber Assad.
Assads “Schutzmächte” Iran und Russland sehen tatenlos zu und erleiden eine enorme taktische, wenn nicht strategische Niederlage. Derweil ist Israel in Lauerstellung gegangen; die Armee könnte jederzeit intervenieren.
Und was macht die EU? Tagelang unternimmt sie gar nichts – Schweigen im Walde. Und dann, kurz vor dem historischen Umsturz, kommt diese magere Erklärung der neuen EU-Außenbeauftragten Kallas:
The European Union is closely monitoring the fast-moving and volatile situation in Syria. With fighting between armed groups escalating throughout the country, we urge all parties to protect civilians and ensure the safety of humanitarian aid workers.
We reiterate our call for a political solution consistent with UN Security Council Resolution 2254.
Zu gut deutsch: Wir beobachten die Lage. Zum Vorgehen unserer “Freunde” Türkei und Israel wollen wir uns nicht äußern. Zum Vormarsch der (plötzlich westlich gewendeten) Islamisten fehlen uns die Worte.
Immerhin reichte sie dann heute (Sonntag) noch dies nach:
The end of Assad’s dictatorship is a positive and long-awaited development. It also shows the weakness of Assad’s backers, Russia and Iran.
— Kaja Kallas (@kajakallas) December 8, 2024
Our priority is to ensure security in the region. I will work with all the constructive partners, in Syria and in the region.
Aber viel mehr als Schadenfreude kommt da nicht zum Ausdruck. Erneut fehlt jedes Wort zu den neuen, islamistischen Herrschern. Man darf gespannt sein, wie es weiter geht. Wird die EU den USA folgen, der Türkei, oder Israel?
Oder wird sie doch noch eine eigene Haltung entwickeln, wie dies einer “geopolitischen Kommission” anstünde? Bisher ist davon nichts zu sehen. Dabei droht eine neue Flüchtlingswelle; sie würde EUropa treffen, wie üblich…
Siehe auch Update Syrien: Von der Leyen fährt Kallas in die Parade und Syrien: Plötzlich sind Islamisten keine Gefahr mehr
P.S. Wenn das neue Regime hingegen sog. “westliche Standards” erfüllen sollte, stünde der Rückkehr der syrischen Flüchtlinge nichts mehr im Wege. Was sagt eigentlich die deutsche Bundesregierung?
Axel Wartburg
9. Dezember 2024 @ 14:04
Westler scheinen keine Ahnung von taktischer Kriesgführung zu haben. Man geht nicht mit den Vollen in eine Schlacht die nicht zu gewinnen ist. Da wird der Rückzug gesichert und beraten wie es weiter geht. – Siehe Kursk.
Wieso wohl steht Putin mit allen Parteien in Syrien im Kontakt? Er schaut was sich entwickelt und wird sich erst dann massiv einmischen, wenn es von der Mayorität in Syrien, die im Idealfall die Regierung oder eben auch die Opposition ist, dazu aufgefordert wird. Wieder nichts aus der Geschichte gelernt? – Sie letzter Syrienkrieg.
Armin Christ
9. Dezember 2024 @ 10:33
„Der Westen“ hat seine islamistischen Höllenhunde losgelassen.
Helmut Höft
9. Dezember 2024 @ 08:07
„In Syrien wird Geschichte geschrieben.“ Huch, ich dachte „Geschichte schreiben“ war Afghanistan?
Btw.: Das ist ja nix Neues, die Geheimdienste haben das alles schon längst gewusst, die wissen nämlich alles!
Monika
8. Dezember 2024 @ 16:47
…Wenn das neue Regime hingegen westliche Standards erfüllen sollte…
welche westlichen “Standards”? US-Standard a la Taliban in Afghanistan? “gegen Russland”gepäppelt, dann im war on terror nach 2021 verraten und die westliche Freiheit am Hindukusch verteidigt, um erst die “Mutter aller nichtnuklearen Bomben in Afghanistan abzuwerfen und dann, irgendwann entnervt, die Brocken einfach hinzuwerfen, um erneut die Taliban, diesmal nicht mehr unterstützt -oder vielleicht doch wieder unterstützt- an die Macht zu bringen?
Oder Standards a la Türkei, je nach kurzfristiger Laune strategisch jedermanns Mädchen, das die Kurden im eigenen Land unterjocht und in deren nichttürkischen Siedlungsgebieten bombardiert, straflos, sowohl NATO-Partner als auch die EU und ebensowenig die USA fallen den Türken da in den Arm, nicht einmal sagen tun sie etwas dazu…
oder Standards a la Treu-Deutschland: ich sage nur Staatsräson…
oder Standards a la Francais, auch nicht ohne “Charme” wenn man sich die Afrika -“Politik” der grande nation anschaut…
oder gar Standards a la völkermordende Regierung in Israel (ok ist nicht europäisch)
oder reichen schon ukrainische Standards, müssten ja eigentlich, wenn die Ukraine sogar den EU-Beitritt angedienert bekommt, trotz Regierungsbeteiligung zu tiefst nazistischen Klüngels samt Krieg und Korruption bis auf den letzten Blutstropfen der Ukrainer…
Solche “Standards” erfüllt der HansDampf in allen radikal-islamischen Rebellengruppen Abu Muhammad al-Dschaulani, oder wie der Mann sich gerade nennen mag, auf jeden Fall.
Bin also gespannt, wie es die Bundesregierung mit den Kriegsflüchtlingen aus Syrien “halten wird”.
Aber dabei immer schön “woke bleiben” und hochmoralische Reden schwingen! Die Haltungsnoten zählen, es ist Wahlkampf in Deutschland…
Helmut Höft
9. Dezember 2024 @ 08:18
@Monika
„welche westlichen “Standards”?“ *lol* und: FACK!
@european
Soisses, man wird’s abwarten müssen bevor man Purzelbäume schlägt.
Ric
9. Dezember 2024 @ 22:48
Erinnert uns Alte sehr an die “Ablösung” des iranischen Schahs durch den Ajatollah Chomeini 1979. Was waren wir froh, und was wurde dann daraus?
So zynisch es klingen mag, die Grausamkeiten des Schahs waren zumindest einschätz- und dadurch vermeidbarer als das spätere Regime es war und bis heute ist. Fragt vor allem die Frauen!
Möge das zukünftige Syrien mich Lügen strafen!
Guido B.
8. Dezember 2024 @ 14:13
Die geopolitische Mission der EU lässt sich auf einen Satz reduzieren: Alles tun und unterstützen, was Russland und China schadet. Darum wurde Kallas in die Kommission bestellt. Die Äusserungen Kallas’ werden an vorhersehbarer Langeweile nicht zu überbieten sein.
european
8. Dezember 2024 @ 12:08
Interessant ist der Anführer der islamistischen “Rebellen” – Abu Muhammad al-Dschaulani, der auf Wikipedia als tief religiöser Kämpfer beschrieben wird, der in Syrien die Scharia einführen will – was auch sonst 😉 . Er hat eine durchaus abwechslungsreiche Vita, in der er auch als Untergruppenführer von Al Qaida gedient hat.
https://de.wikipedia.org/wiki/Abu_Muhammad_al-Dschaulani
Unsere westlichen Politiker und Medien jubeln etwas von Freiheit und Demokratie. Wer jedoch genau hinsieht und sich aktuelle Podcasts von Michael Lüders oder ältere Interviews mit Peter Scholl-Latour ansieht, der kann hier große Ähnlichkeiten mit Libyen und/oder Afghanistan sehen und damit nichts gutes für das Land und noch weniger Gutes für die Frauen.
Ulla
8. Dezember 2024 @ 17:14
Die Frauen, die in Syrien jubeln, tragen doch schon Kopftuch, mehr braucht man scheinbar nicht zum Leben. Kinder kommen von selbst, ansonsten sagt der “heimische” Rebell wo’s lang geht.
Da die “Westler” mit Kino-Rebellen grossgeworden sind….
Marlon Brando, “Rebell und Frauenheld”
James Dean, “der Rebell” und jede Menge “zaertliche Rebellen” in Buechern duerfte die Verwandlung der “HTS Terroristen zu “demokratischen Rebellen” ja kein Problem mehr sein, sie haben sich um
um 180 Grad gedreht oder vielleicht sogar um “360 Grad”?
Frau Baerbock wird es uns demnaechst sagen!
Freiheit, Gleichheit, Bruederlichkeit, Schwesterlichkeit(?) neue Schlagwoerter im Nahen Osten??