Too little, too late
Keine Vereinigten Staaten von Europa. Keine vollständige Währungsunion. Nicht einmal eine Politische Union, wie sie noch Kohl und Mitterand forderten: Das Juncker-Papier zur Zukunft der EU greift zu kurz.
Too little, too late hieß es auf dem Höhepunkt der Eurokrise. Damals gewährte Kanzlerin Merkel den notleidenden Staaten immer nur das Allernötigste. Es reichte nicht um Leben und nicht zum Sterben.
Kommissionschef Juncker hätte daraus lernen können. Schließlich war er damals Eurogruppenchef – und hat aus nächster Nähe beobachtet, wie Merkel alle am langen Arm verhungern ließ.
Stattdessen eifert er nun der Kanzlerin nach. Seine fünf Szenarien zur Zukunft der EU ohne UK bieten zu wenig, um die EU aus der Krise zu holen, und sie kommen zu spät, um noch etwas zu bewegen.
Handreichung für Merkel
Denn mittlerweile haben die EU-Staaten, allen voran Deutschland, die Initiative übernommen. Juncker liefert nur noch so etwas wie ein Menu, aus dem sich Merkel & Co. bedienen können.
Eine Vision lässt der Juncker-Plan ebenso vermissen wie Selbstkritik. Schließlich trifft die Krise der EU auch die Kommission. Sie hat zu viele Kompetenzen und zu wenig Mittel, um sich durchzusetzen.
Wenn nicht alles täuscht, wird sie von Merkel nun auch noch entmachtet und an den Rand getrennt. Wir erleben das Ende der EU, wie wir sie kannten. Pech für Juncker: It’s too little, too late!
Warnung vor Rückbau der EU
Übrigens scheint er dies selbst zu ahnen. “Es gibt Regierungen in Europa, die hätten gerne, dass die Europäische Union sich auf das Binnenmarktgeschehen zurückzieht”, sagte der Luxemburger.
Derartige Stimmen gebe es auch in Berlin. Sie würden zwar nicht “lauthals vorgetragen”, aber auch nicht “nur tuschelnd”. Wohl wahr – Finanzminister Schäuble ist kaum noch zu überhören.
Der CDU-Hardliner fordert seit Wochen, die Kommission zu entmachten und die Budgetpolitik “unabhängigen” Wächtern zu unterwerfen. Es wäre das Ende der Demokratie, wie wir sie kennen…
Siehe auch “Das Ende der EU, wie wir sie kennen
Art Vanderley
4. März 2017 @ 21:57
Mit den “vorauseilenden Pionieren” ist es halt so eine Sache, sie können in die eine oder andere Richtung eilen.Zumindest in der Umsetzung sind Schengen und Euro defakto anti-europäisch.
Wer echte Ideen hat, wie die gemeinsame Ausrichtung auf ein soziales, ökologisches und friedliches Europa, wird hingegen gerne als sozialromantisch oder als Modernisierungsverlierer bezichtigt.
Juncker ist von gestern, der Hund soll den Wurstvorrat auffüllen, wie soll das funktionieren?
Die Erneuerung Europas, wahrscheinlich sogar der EU, kann nur aus der Bevölkerung heraus geschehen. Die EU selber geht erstmal weiter den bisherigen Weg, die versuchte Entmachtung der Kommission ist folgerichtig, der nächste neoliberale Schritt.
schnallt sie es noch???
3. März 2017 @ 22:08
too little, too late and too deletanitsch….es ist ein Grauen, gegen welches sich immer mehr Bürger der Zone per Wahlen aufstellen. Ich gebe zu, ich hätte nicht gedacht, dass es so schnell geht…und die eu frühzeitig erkennt, endlich Korrekturen einzuleiten. Nichts ist passiert…und jetzt das Weissbuch der 5 Möglichkeiten, welche natürlich schon wieder die Möglichkeit der Abstimmung durch die Bürger der Zone ausläßt. Nun geht Merkel gerade nach ihrem Ägyptenbesuch Richtung Tunesien in Bittstellung, während Erdogan ihr wieder die Hosen auszieht. Sie sieht die dt. Länder in Verantwortung und schweigt. Und genau dieses ewige Lavieren; diese niemals klar Kante zu zeigen….kostet den Bürgern der eu den Glauben an diese….und den dt. bürgt es in unverantwortlicher Weise ewige Haftungen für die Fehler der Merkel-Clique auf.
mister-ede
2. März 2017 @ 22:40
Mein Vorschlag ist ja eine Europäische Föderation innerhalb der EU. Dann geht die Entschlackung der EU Hand in Hand mit der tieferen Integration zu den Vereinigten Staaten von Europa.
Schmitz Reinard
2. März 2017 @ 14:18
Ein wesentlicher Punkt scheint gar nicht diskutiert zu werden, der Juncker ja richtig benannt hat: Europa wir zusehends marginal, wenn es sich nicht als großer Block positioniert und behaupten kann: Gemeinsame Außenpolitik, Verteidigung und Handel. Das zumindest am Anfang.
Es fehlt die Einsicht, dass das Wenige kaputt zu machen, nicht reicht.
Peter Nemschak
2. März 2017 @ 15:52
Völlig richtig !
GS
2. März 2017 @ 16:18
Ketzerische Frage: Was wäre daran so schlimm, marginal zu sein?
GS
1. März 2017 @ 22:28
Ob nun die EU-Kommission, oder “unabhängige Wächter” die Budgets überwachen, ist auch kein ernsthafter Unterschied, wenn es um Demokratie geht, oder?
ebo
1. März 2017 @ 22:58
Doch. Zwar sind beides ernste Eingriffe in das Budgetrecht. Doch Juncker musste sich wenigstens selbst einer Wahl stellen, seine Kommission repräsentiert alle EU Länder. Schäuble möchte auch diesen Draht kappen und Zustände wie bei der EZB einführen, die niemandem verantwortlich ist…
Peter Nemschak
2. März 2017 @ 09:19
Was heißt Budgetkontrolle? Einhaltung von welchen Vorgaben? Bevor überhaupt Budgetkontrolle sinnvoll ist, bedarf es der Festlegung gemeinsamer Ziele durch die Mitgliedsländer. Ein Beispiel wäre das Ziel einer ökologischen Steuerreform im Rahmen von angestrebter Ökologieführerschaft in der Welt, oder Wachstum nicht wie bisher als reines GDP-Wachstum sondern breiter als Wohlfahrtswachstum zu definieren. Auf Basis dieser Ziele könnten die Mitgliedsländer durchaus unterschiedliche Strategien entwickeln, vorausgesetzt, dass diese sich messbar an den Zielen orientieren. Die einzelnen Strategien würden schließlich in Budgets der Mitgliedsländer münden, bei denen der Gesamtrahmen von der Kommission vorzugeben wäre. Solange kein Konsens über die Ziele besteht, ist Budgetkontrolle sinnarm. Auf Grund der Heterogenität des Entwicklungsstands der EU wird es schwierig werden, sich auf gemeinsam Ziele zu einigen. Ost- und Südeuropa haben andere Prioritäten als die Gründungsmitglieder, allein was die Definition von Wachstum betrifft.
Peter Nemschak
1. März 2017 @ 21:57
Wer wird der EU, wie wir sie kennen, eine Träne nachweinen? Ganz so schlimm wird es allerdings nicht kommen, weil das von Dauer sein wird, was den Mitgliedsstaaten nützt. Es wird unterschiedliche Geschwindigkeiten geben. Damit werden wir leben müssen. Mit mehr Geld allein lassen sich keine Probleme lösen. Im Gegenteil, mehr Geld zementiert bestehende Strukturen und gesellschaftliche Verhaltensweisen statt sie zu ändern. Reformen müssen von den Mitgliedsstaaten ausgehen. Die EU kann sie bestenfalls unterstützen.
S.B.
1. März 2017 @ 21:55
Jeder bekommt was er verdient, so auch die EU. Das sie ihrem Ende entgegen geht, liegt an den “Eliten”, die sie auch bisher visionslos “geführt” haben. So gesehen kann man von Juncker, der ja zu diesen “Eliten” zählt. auch gar nichts anderes erwarten, als visionslose Entwürfe. Wie sagt man so schön: Ende Gelände oder auch Schluss mit dem Stuss.
Damit muss übrigens nicht alles automatisch besser werden, denn die Versager-“Eliten” sind ja nach wie vor an der Macht.