Spreads für Italien steigen – Merkel verunsichert
Der anhaltende Streit um Coronabonds macht die Anleger nervös. Sie verkaufen Staatsanleihen aus Italien, der aus der Eurokrise berüchtigte “Spread” zu Deutschland steigt wieder. Auch Kanzlerin Merkel trägt zu Verunsicherung bei.
Wenige Tage vor dem EU-Gipfel am Donnerstag hat Merkel Euro- oder Coronabonds erneut abgelehnt. Die von neun EU-Ländern befürworteten gemeinsamen Anleihen seien der falsche Weg, sagte Merkel im CDU-Präsidium nach Angaben von Teilnehmern.
Stattdessen befürwortet die Kanzlerin nun plötzlich einen größeren EU-Haushalt – genau wie ihre Parteifreundin von der Leyen. Allerdings hielt Deutschland bisher zu den “frugal four” – also den geizigen Ländern, die eine Einigung verhindert haben.
Das Taktieren in Berlin und das Hin und Her bei der Finanzierung der Coronakrisen-Folgen könnte den Euro in eine neue Krise stürzen. Dies zeigt die plötzliche Hektik am Kapitalmarkt, wo eine Flucht aus italienischen Staatsanleihen eingesetzt hat.
Dies trieb die Rendite der zehnjährigen italienischen Bonds wieder auf knapp zwei Prozent. Der Risikoaufschlag zur Bundesanleihe lag bei 240 Punkten. Das ist deutlich mehr als letzte Woche – und fast so viel wie beim letzten Fieberausschlag Mitte März.
Italien zählt in Europa zu den am stärksten von der Virus-Krise getroffenen Ländern. Der Internationale Währungsfonds erwartet, dass die Staatsverschuldung des Landes deshalb auf 155,5 Prozent der Wirtschaftsleistung steigen könnte.
Erlaubt sind aber nur 60 Prozent. Bundesbank-Präsident Weidmann fordert bereits einen schnellen Abbau der Schulden. Wenn Merkel Italien weiter hinhält und dann noch auf raschen Schuldenabbau drängt, könnte es eng werden…
Siehe auch “Spanien will Sonderfonds für Corona-Krisenländer” und “Übersteht die EU diese drei Tests?”
P.S. Nun hat Merkel ihre Position präzisiert – und sich für “EU-Bonds” ausgesprochen, die vom EU-Budget besichert werden sollen. Das erinnert stark an von der Leyens Vorschlag, der im Europaparlament “Recovery-Bonds” getauft wurde. Ich halte das für eine Mogelpackung – denn wir haben ja noch nicht einmal ein tragfähiges EU-Budget. Aber immerhin kommt Bewegung in die Debatte. Mal sehen, wie die Märkte reagieren…
Josef Berchtold
21. April 2020 @ 13:27
Nachdem die Staatsbank in Großbritannien (BoE) nun neuerdings die Rechnungen der Regierung direkt bezahlt, sollte man im Euro-Raum umdenken. Die EZB sollte den Krisenländern einige Milliarden zur Verfügung stellen, als Kredit, Zinsen Null, Laufzeit 50 Jahre. Bei einer Jahresinflationsrate von 2 % wäre dann in 50 Jahren nur noch ein Wert von 35% zurückzuzahlen. Einfacher: Von 100 Euro nur wertmäßig 35 Euro. Deutsch-Beton-Köpfe wollen das nicht, unverständlich.
Holly01
20. April 2020 @ 20:43
Weidmann und Merkel sehen sich am Ziel.
Nach diesem Krisenschub, werden alle anderen so desolat dastehen, das Deutschland nach belieben seine Politik durch ziehen kann.
Wenn erst alle so richtig in den Schulden stecken und die Troika die Staaten zerrütten wird, dann haben “WIR” es endlich geschafft.
Wenn Weidmann den Rest des Rentensystems verschachert, die Infrastruktur noch weiter verfällt und das deutsche Breitband noch schlechter wird, dann schaffen wir das.
Klar sparen wir das an den 80% ein. Wäre doch gelacht.
Wir drücken die Schulden schon wieder auf 60%.
Wir sparen einfach 2 Billionen an den Armen ein und verschachern noch mehr öffentliche Güter.
Scheiss auf die Gesellschaft …..
vlg
ebo
20. April 2020 @ 23:33
Der französische Ökonom J. Sapir vertritt die These, dass Frankreich, Italien und Spanien die Krisenfolgen nicht mehr bewältigen können, wenn sie im Euro bleiben. Leider nur auf Französisch – bei Interesse schreibe ich gern einen Blogpost https://www.causeur.fr/jacques-sapir-coronavirus-crise-economique-euro-175682
Alexander
21. April 2020 @ 00:14
Es wäre fair, wenn die kalte neoliberale Aussitzerin noch die Früchte ihres Wirkens ernten und als die Person in die Geschichtsbücher eingehen würde, die die EU zerstört hat!
Alexander
21. April 2020 @ 10:08
“Es ist leider sehr selten, dass ein Spitzenpolitiker in einem Interview entscheidende internationale ökonomische Zusammenhänge anspricht, die er offensichtlich verstanden hat und mit großem Engagement verteidigt. Aber hier ist ein Bespiel dafür, dass es möglich ist: Der französischen Präsident hat in einem bemerkenswerten 20-minütigem Interview mit der Financial Times (als Video frei zugänglich und mit englischen Untertiteln versehen) die Diplomatie vergessen und Tacheles geredet. Es lohnt sich, dieses Interview aufmerksam anzuhören.”
https://makroskop.eu/2020/04/monsieur-macron-die-deutschen-und-europa/
@ebo: Schon angeschaut? 😉