(K)eine Strategie gegen Amazon, weiter Streit um den Impfpass – und Erdogan tobt

Die Watchlist EUropa vom 19. Mai 2021 –

Die EU-Kommission will die großen Konzerne zur Kasse bitten und für mehr Fairness bei den Unternehmenssteuern sorgen. Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni legte eine Strategie vor, mit der er gegen Steuertricks der Konzerne und Dumping in den 27 Mitgliedsstaaten vorgehen will.

Allerdings müssen dem Plan auch Niedrigsteuerländer wie Luxemburg, die Niederlande oder Malta zustimmen. Die Erfolgsaussichten sind deshalb gering.

Dabei ist eine Reform dringend nötig, wie ein Urteil des EU-Gerichts aus der vergangenen Woche gezeigt hat. Brüssel hatte den US-Konzern Amazon zu einer Steuernachzahlung von 250 Millionen Euro verdonnert.

Doch das Gericht hob die Strafe auf. Es sei nicht in ausreichendem Maße erwiesen, dass die Steuerarrangements in Luxemburg eine unzulässige Bevorzugung darstellten, so die Richter. Es war nicht die erste Schlappe der Kommission.

Deshalb versucht es Gentiloni nun auf einem anderen Weg. Er kündigt ein ganzes Maßnahmenbündel an, das sowohl auf die Konzerne als auch auf die EU-Steuerparadiese zielt.

Zudem beruft er sich auf den Industrieländerclub OECD, wo bereits internationale Verhandlungen über eine gerechtere Unternehmensbesteuerung laufen.

Salamitaktik soll Widerstand brechen

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Mit dieser Salamitaktik, so die Hoffnung in Brüssel, könnte sich der Widerstand gegen eine Reform doch noch überwinden lassen.

Konkret schlägt die EU-Kommission vor, den Missbrauch von Briefkastenfirmen für Steuertricks zu erschweren. Ein passender Gesetzentwurf soll bis Jahresende vorliegen.

2022 soll dann ein Rechtsakt folgen, der große Konzerne dazu zwingen würde, den tatsächlichen Steuersatz auf ihre Gewinne offen zu legen.

“Besteuerung für das 21. Jahrhundert”

So will Brüssel die „Unternehmensbesteuerung für das 21. Jahrhundert“ schaffen – 20 Jahre nach Ende des 20. Jahrhunderts.

Warum ist man nicht früher auf diese geniale Idee gekommen?

Musste die Wirtschaft erst unter der Coronakrise zusammenbrechen, damit die Profiteure (Amazon & Co.) zur Kasse gebeten werden – wenn alles gut geht?

Siehe auch “Amazon kassiert im Lockdown ab – und zahlt trotzdem keine Steuern”

Watchlist

Der Corona-Impfpass, im EU-Jargon digital green certificate”, ist immer noch nicht in trockenen Tüchern. Am Dienstagabend begann ein neuer Triolog, also ein Vermittlungsausschuß, mit dem Europaparlament. Die Abgeordneten setzen sich für kostenlose Tests ein. Außerdem geht es um die Frage, ob das Zertifikat automatisch Reisefreiheit in Europa bedeutet – oder ob EU-Staaten weiter Quarantäne anordnen können. Der EU läuft die Zeit davon – sie braucht eine Einigung bis zum Sondergipfel Ende Mai, damit der Impass wie versprochen noch im Juni kommen kann…

Hotlist

  • Erdogan verflucht Österreich: Der türkische Präsident Erdoğan greift US-Präsident Biden für seine Israelpolitik an. Noch heftiger attackiert er aber die Regierung in Wien, so der “Spiegel”. “Ich verfluche den österreichischen Staat”, so Erdoğan. “Der österreichische Staat versucht wohl, die Rechnung für die Juden, die es einem Genozid unterzogen hat, den Muslimen auszustellen.” – So redet einer, den die EU hofiert, damit er sich auf einen neuen Flüchtlingsdeal einlässt. Vor allem Kanzlerin Merkel setzt immer noch auf Erdogan – dabei heizt der die militanten und teils antisemitischen Proteste gegen Israel auch in Deutschland an…
  • Protest gegen Agrarpolitik: Young climate activists trying to halt the reform of the EU’s farming subsidies programme will turn their focus back to the European Parliament after their best ally, the Commission vice-president Frans Timmermans, made clear his hands are tied on this dossier. – Greta Thunberg & Co. haben die Agrarpolitik schon lange auf dem Kiecker. Nun machen sie Druck, berichtet EurActiv.
  • Flüchtlingskrise in Ceuta (Spanien): Sie schwammen über die Seegrenze und wurden von Panzerwagen empfangen: Mehr als 6000 Flüchtlinge aus Marokko haben eine schwere Krise in der spanischen Exklave Ceuta ausgelöst. – Der Vorfall erinnert an die Öffnung der Grenze zu Griechenland durch die Türkei Anfang 2020. Sultan Erdogan hatte damals ebenfalls versucht, die EU unter Druck zu setzen. – Mehr hier sowie eine Analyse in der “taz” hier