Soldaten und Sanktionen gegen Belarus, Optionen für die Türkei – und Leyens Blabla

Die Watchlist EUropa vom 16. November 2021 –

Im Flüchtlingsstreit mit Belarus hat die EU neue Sanktionen auf den Weg gebracht. Die 27 Außenminister beschlossen am Montag in Brüssel einen neuen Rechtsrahmen, der speziell auf das „Einschleppen“ von Migranten und Flüchtlingen in die EU ausgerichtet ist.

Es ist bereits der fünfte Sanktionsbeschluß gegen das Regime des „letzten europäischen Diktators“ Alexander Lukaschenko. Unter dem neuen „Sanktionsregime“ sollen dann in einem zweiten Schritt Einzelpersonen und Unternehmen bestraft werden, die dem Lukaschenko-Regime helfen, Menschen nach Polen oder in das Baltikum zu schleusen.

Der neue Rechtsrahmen geht auf einen Vorstoß von Außenminister Heiko Maas zurück. Der SPD-Politiker kündigte an, dass der Kurs gegen Belarus noch weiter verschärft werden solle. “Wir sind noch lange nicht am Ende der Sanktionsspirale angelangt.”

Weniger Flüge – aber keine Entspannung

Maas forderte Fluggesellschaften dazu auf, Flüge nach Minsk einzuschränken, um nicht Ziel von Sanktionen zu werden. Die Aufforderung hat bereits Wirkung gezeigt. So hat Turkish Airlines die Ausreise nach Belarus für Menschen aus Syrien, Irak und Jemen verboten.

Die türkische Fluggesellschaft und der Flughafen Istanbul waren oft für Flüge nach Minsk genutzt worden, nachdem Lukaschenko die Grenze zur EU für offen erklärt hatte. Auch die private syrische Fluggesellschaft Cham Wings will ihre Flüge einstellen.

In Brüssel wurde dies als Zeichen gewertet, dass die Sanktionen wirken. Allerdings war beim Außenminister-Treffen noch keine Rede von Entspannung. So hat Polen seine Gangart verschärft und rund 20.000 Soldaten an der Grenze zu Belarus zusammengezogen, um die unerwünschten Flüchtlinge „abzuwehren“.

Trotz Kriegsangst: Maas stärkt Polen den Rücken

Die Regierung in Warschau erwägt auch, eine Sondersitzung der Nato einzuberufen. Maas stärkte der nationalistischen PiS-Regierung in Warschau demonstrativ den Rücken. Belorussische Soldaten versuchten, “den Flüchtlingen und Migranten den Weg freizuschlagen sozusagen”, sagte er.

Auf polnischer Seite gebe es aber genug Besonnenheit, “sich nicht in eine gewaltsame Auseinandersetzung hineinziehen zu lassen”. Polen verdiene “unsere ganze Solidarität“.

Schmerzlich vermissen lässt die EU dagegen die Solidarität mit den Migranten, die seit Tagen bei Temperaturen um den Gefrierpunkt an der Grenze ausharren. Die EU-Außenminister sprechen von einer „hybriden Bedrohung“, die von diesen Menschen ausgehe, nachdem sie sich von Lukaschenko „in die Falle“ hätten locken lassen.

Abwehr von Flüchtlingen als neue EU-Strategie

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Dies kommt auch in einer neuen EU-Strategie zum Ausdruck. Im sogenannten „Strategischen Kompass“, der die Grundlage für die künftige EU-Außenpolitik sein soll, ist mehrfach von „hybriden Bedrohungen“ die Rede.

Neben Flüchtlingen sind damit laut dem Dokument auch „Desinformation und Cyberattacken“ gemeint. Dagegen wolle man sich besser wappnen, hieß es beim Treffen der Außenminister in Brüssel.

Mit Beschlüssen wird aber erst im März gerechnet. Dann könnte die „Abwehr“ von Flüchtlingen zur neuen außenpolitischen Doktrin der EU werden. Sechs Jahre nach der großen Flüchtlingsbewegung 2015 macht Europa die Schotten dicht – mit Soldaten und Sanktionen.

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Watchlist

Wie reagiert die EU auf die neue Zypernkrise? Es gibt Streit über die Stadt Varosha in Nordzypern – die Türkei will sie wieder beleben, das EU-Mitglied Zypern sieht darin einen Verstoß gegen Völkerrecht. Der EU-Außenvertreter Borrell will nun Optionen ausarbeiten – aber erst im Dezember. Ob es dabei auch um Sanktionen geht, wollte er nicht verraten. Mit der Türkei geht man in Brüssel weiter sehr milde um…

Was fehlt

Der Aufstand im Europaparlament gegen Kommissionschefin von der Leyen. 183 Abgeordnete beschweren sich, dass ihre parlamentarischen Anfragen an die Kommission viel zu spät beantwortet werden – und dann auch noch nichtssagend. “When will the @EU_Commission get serious & allow for proper democratic scrutiny” fragt nun die liberale Abgeordnete Sophie in t’ Veld. Sie will kein Blabla, sondern Antworten!