EZB: Inflation bleibt, Niedrigzins auch
Die EZB hat eingeräumt, dass die Inflation kein vorübergehendes Phänomen ist. Doch an ihrer umstrittenen Niedrigszinspolitik will sie nicht rütteln.
Als die Inflation nach Euroland zurückkam, wurde sie geleugnet – auch von deutschen Ökonomen. Als sie krass wurde, hat man sie zu einem vorübergehenden Phänomen erklärt.
Doch nun räumt EZB-Chefin Lagarde ein, dass uns die Inflation erhalten bleibt. Bei einer Anhörung im Europaparlament sagte sie, das der kräftige Inflationsschub länger anhalten dürfte als gedacht.
Doch sei derzeit keine Abkehr von der Politik des billigen Geldes angezeigt: „Falls wir jetzt Straffungsmaßnahmen einleiten sollten, würde das wesentlich mehr Schaden anrichten als Gutes bewirken.“
Da hat Lagarde wohl recht – denn auch der Aufschwung ist wackelig. Vor allem die wieder aufflammende Coronakrise bringt alle Prognosen durcheinander.
Falsch liegt Lagarde dagegen mit der Annahme, nur kräftige Lohnsteigerungen könnten die Inflation wirklich gefährlich machen. Das ist altes Denken aus den 80er Jahren.
Ich merke den Preisantrieb auch bei stagnierenden Löhnen und gleichbleibenden Zeilenhonoraren. Allein meine Energierechnung in Brüssel hat sich fast verdoppelt…
El Zorro
16. November 2021 @ 10:27
Ab Dezember 2021 v e r d o p p e l t sich in Deutschland der höchste Strompreis Europas. Umweltfreundlicher Atomstrom wird dort kaum noch erzeugt, allenfalls teuer zugekauft. Die Umweltbilanz ist eh gefälscht, da Kohle und Gas als Primärenergie noch lange unersetzlich bleiben. Das Prickelnde daran: Die Besitzer von E-Autos werden ihrem alten Diesel (mit Rußfilter, versteht sich) nachweinen.
Armin Christ
16. November 2021 @ 11:19
„Umweltfreundlicher Atomstrom“ seit wann gibt es denn sowas ?
Klar setzen die Koalitionäre, voran die Grünen auf Elektrizität, denn dies hat den Vorteil daß es weit weg von den Verbrauchern und speziell ihrem urbanen getrifizierenden Besserverdienenden Millieu erzeugt wird.
european
15. November 2021 @ 16:55
Die aktuelle Preissteigerung lässt sich auch durch eine Anhebung des Leitzinses nicht ändern, weil sie andere Ursachen hat.
Durch eine Anhebung würden nicht nur Sparzinsen, sondern auch Investitionskredite verteuert. Wir haben aber schon zuwenig Investitionen, weshalb die Banken mittlerweile Verwahrgebühren für Spareinlagen nehmen.
ebo
15. November 2021 @ 17:12
Richtig. Das heißt aber auch: Die EZB ist machtlos, sie kann ihren Auftrag nicht mehr (vollständig) erfüllen…
european
15. November 2021 @ 17:24
Das würde ich nicht so sehen.
Die EZB hat nichts mit der Bauholz-Knappheit der USA zu tun. Sie kann auch den Chip- und Halbleitermangel nicht mit Geldpolitik beheben. Sie hat auch nicht zu vertreten, dass z.B. Deutschland im letzten Jahr die Mehrwertsteuer gesenkt und nun wieder angehoben hat.
Die EZB macht Geldpolitik und m.E. macht sie das richtig. Nicht die aktuellen Preisverwerfungen sind das Problem, sondern der Unsinn, der über die Inflation erzählt wird. Für eine Inflation im geldpolitischen Sinn fehlen uns einfach die Löhne.
Es muss einfach geklärt werden, WER die milliardenschweren Investitionen vornehmen soll. Wenn es der Unternehmenssektor nicht ist, sein kann oder sein darf, müssen es die Staaten übernehmen. Wir können uns nicht alle ein Ausland für die Verschuldung suchen.
Die finanzpolitischen Fehltritte seit der Finanzkrise, und auch vorher, fallen uns gerade auf die Füße.
Nur für den Fall, dass noch jemand eine Laudatio über die Merkel-Juncker-Ära singen möchte 😉
ebo
15. November 2021 @ 17:34
Inflation ist Inflation. Und das Mandat der EZB lautet Preisstabilität.
Ich hätte nichts dagegen, es auf Wachstum und Vollbeshcäftigung auszuweiten, wie in den USA. Doch das traut sich nicht einmal die Ampel…
european
15. November 2021 @ 18:39
Tja…. Haha 😉
Sounds like British Cakeism.
Gerade regen sich in Deutschland wieder viele Ökonomen – insbesondere der alten Schule – darüber auf, dass die EZB nur Geldpolitik und keine Wirtschaftspolitik machen soll.
https://www.deutschlandfunk.de/verhandlung-in-karlsruhe-umstrittenes-mandat-der-ezb-100.html
Die aktuellen Preissteigerungen haben aber nichts mit der Geldpolitik zu tun, sondern fallen in das Ressort Wirtschaftspolitik. Die EZB hat auch nicht die Instrumente, um das zu regeln.
Ich wage mal die Prognose, dass das noch heftiger wird. Durch die Politik spätestens seit der Finanzkrise haben die Länder der EU, insbesondere der Eurozone, alle Investitionen aufschieben müssen. Sie durften ja nicht investieren. Dem Spardiktat wurde alles unterworfen. Das hat jetzt zur Folge, dass alle Länder gleichzeitig in Klimaschutz, Infrastruktur, Digitalisierung und Bildung investieren MÜSSEN. Folgt man den Gesetzen des Marktes, wird das die bereits vorhandene Güterknappheit noch verstärken – und damit die Preise weiter in die Höhe treiben. Sand war z.B. schon vor Corona richtig teuer und musste aus Norwegen importiert werden. Das wird jetzt nicht besser. Gleiches mit Bauholz, mit allen Materialien rund ums Bauen. Joe Biden hat sein 2TN Infrastrukturprogramm durchbekommen, z.B. um die Bahn zu sanieren. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Wenn die Europäer da keine Kontingente einführen, werden sie das Nachsehen haben. Dann ist der Markt leergefegt, bevor wir Luft geholt haben.
Ähnliches wird mit den Löhnen passieren. Fachkräftemangel überall und wir können uns nicht mehr einfach bei den Nachbarn bedienen, denn die brauchen ihre Fachkräfte jetzt selber, um ihre Brücken zu sanieren, den ÖPNV auszubauen und die Digitalisierung voranzutreiben. Diese Sparpolitik wird noch richtig teuer werden und dafür hat die EZB keine Instrumente. Das sollen jetzt mal die lösen, die nach Trennung von Wirtschafts- und Geldpolitik schreien. Ich bin sehr gespannt auf die Lösungsvorschläge. 😉
Es wird noch lustig werden.
2009 haben wir Deutschland verlassen. In 2008 sagte mein Mann zu mir (Hochbauingenieur): Die werden erst etwas merken, wenn ihnen das Land unter dem Hintern zusammenfällt.
Wie so oft sollte er Recht behalten. 😉
ebo
15. November 2021 @ 20:57
Guter Hinweis. Es stimmt schon, die Politik fördert die Knappheit und damit die Inflation – doch gleichzeitig tut sie so, als gebe es weder Inflation noch Knappheit 🙂
Stef
16. November 2021 @ 15:57
Im Gegenteil, die Knappheit ist zentrale politische Ressource. Beispiele: Intensivbettenkapazitäten, Regenerative Energie oder auch Wohnraum. Ressource zwar nicht so sehr für die Politik, sondern für das Großkapital. Die Plitik verwaltet dann den Mangel streng nach Kapitalinteressr.
european
17. November 2021 @ 13:37
Nächste Runde in diesem Spiel:
Ich bin so gespannt auf die Debatte. Ich höre schon wieder die Forderung unserer Politiker, die EZB solle gefälligst das Problem lösen. 😉
„Zudem sei für die Einlagenverwahrung laut Darlehensrecht die Bank als Darlehensnehmer zur Zinszahlung verpflichtet. Der Einlagen-Zinssatz könne zwar auf Null sinken, aber niemals ins Minus rutschen.“
https://www.focus.de/finanzen/banken/kommen-jetzt-rueckzahlungen-berliner-gericht-verbietet-bank-negativzinsen-was-das-urteil-sparern-jetzt-bringt_id_24432867.html
Auf deutschen Sparkonten lagern z.Zt. ca 2 Billionen Euro. Hinzu kommen ca 950 Mrd. Einlagen bei den Versicherern. Alles deren Schulden, die ihre Bilanz belasten und das Eigenkapital kontinuierlich schmälern. Alle Kunden wollen Zinsen, aber keiner investieren, bzw. diejenigen, die investieren wollen, z.B. kleinere Unternehmen, startups etc, bekommen kein Geld wegen der Risikoabschätzung.
Das sind gleich mehrere Katzen, die sich gegenseitig in den Schwanz beißen. 😉