Schäuble vs. Stiglitz – der Streit
Neuerdings wird US-Nobelpreisträger Stiglitz auch in Deutschland gehört. In einem “Welt”-Interview stellte er den Euro infrage und kritisierte die deutsche Austeritätspolitik. Nun schlägt Finanzminister Schäuble zurück.
[dropcap]B[/dropcap]ei einer Debatte am Rande der IWF-Tagung in Washington erwiderte der deutsche Oberlehrer die Kritik, wie “Marketwatch” berichtet:
“I don’t agree. I don’t think he’s really an expert on…decision-making in Europe. Saying something would be better in Europe if Germany would be weakened is quite nonsense. All nations must stick to the rules of the single currency”
Also die übliche Leier. Offenbar hat Schäube die Kritik von Stiglitz nicht verstanden. Der US-Ökonom kritisiert ja gerade die Euro-Regeln, die Deutschland in Maastricht und in der Eurokrise diktiert hat.
Außerdem merkt er – völlig zu Recht an – dass Deutschland vom Euro profitiert, während andere Staaten wie Griechenland, Italien, aber auch Frankreich und die Niederlande leiden.
Und Stieglitz ist nicht allein. Bei der IWF-Tagung kritisierte auch Fonds-Chefin Lagarde den deutschen Finanzminister. Schäuble müsse endlich mehr investieren, um das Wachstum in Euroland anzukurbeln.
Außerdem fordert Lagarde erneut einen Schuldenschnitt für Griechenland. Erst danach könne sich der IWF am laufenden Hilfsprogramm beteiligen. Doch einer ist dagegen: Schäuble…
mister-ede
9. Oktober 2016 @ 21:38
Zum gnadenlosen Wettbewerb der EU, habe ich gestern auch einen Artikel geschrieben. Es ist schon erschreckend, dass Schäuble solche Kritik einfach wegwischt und dass diese Ignoranz der Realitäten durch den Bundesfinanzminister in den Medien nicht widergespiegelt wird.
http://www.mister-ede.de/politik/gnadenlose-wirtschaftspolitik/5515
Peter Nemschak
10. Oktober 2016 @ 09:54
Man kann die Frage auch anders stellen: würde ein Ausscheiden aus dem EURO den ausscheidenden Ländern langfristig Wohlstandsgewinne bringen? Die Währungsabwertungen der 1970-iger und 80-iger Jahre habe den Abwertungsländern keine Wohlstandsgewinne gebracht, da überhöhte Lohnabschlüsse sehr rasch über erhöhte Preise aufgezehrt wurden. Man darf sich von der externen Abwertung im Vergleich zur internen keine Wunder erwarten. Griechenland wäre der erste Testfall, wenn es den EURO verlässt. Was Stiglitz und seine Anhänger übersehen, dass die Mehrheit der Bürger der EU keine Transferunion wünscht. Dies ist verständlich, solange die Budgetpolitik in der Kompetenz der Mitgliedsländer liegt.
Ein Europäer
9. Oktober 2016 @ 20:45
Die Wahrheit ist, die Währungsunion kann nicht ohne ein Mindestmaß an Solidarität funktionieren. Jemand muss Schäuble und Merkel zu Vernunft bringen. Es kann nicht immer gut gehen, mit weiter so irgendwann gehen die Lichter aus.
Skyjumper
7. Oktober 2016 @ 15:22
“Außerdem merkt er – völlig zu Recht an – dass Deutschland vom Euro profitiert,”
Das stimmt leider nur vordergründig. In Wirklichkeit profitiert Deutschland nicht vom Euro. Deutschland verbraucht gerade, gefördert vom für Deutschland viel zu schwachen Euro, seine Substanz. Seine Substanz an Infrastruktur, seine Substanz an Bildung, seine Substanz an Sozialgefüge. Wer da behauptet das Deutschland profitiere muss ein kompletter Spinner sein.
Vom Euro profitiert (fast) niemand. Der Euro muss einen Spagat machen zwischen viel zu ungleichen Volkswirtschaften. Und wie schon im bekannten Sprüchlein “Wer versucht es allen Recht zu machen, kann es niemanden Recht machen” ist der Euro ein verhängnisvolles Bremsgewicht für ALLE beteiligten Volkswirtschaften geworden.
Stiglitz und Lagarde gehören, wie Schäuble, zur Fraktion der ewig gestrigen die glauben dass mit unendlichen Wachstum alles wieder gut würde. Wachstum geht aber immer zu Lasten von irgend jemanden, und unendlich kann es in einem endlichen System sowieso nicht sein.
Schäuble hat mit seiner Aussage genauso Recht wie Stiglitz mit seiner Aussage. Beide liegen sie nämlich falsch.
ebo
7. Oktober 2016 @ 15:28
@Skyjumper Na gut, dann präzisiere ich: Die deutsche Wirtschaft profitiert vom Euro. Und Schäuble natürlich auch, siehe die Steuereinnahmen und die Negativ-Zinsen auf deutsche Schulden…
S.B.
7. Oktober 2016 @ 19:54
@ebo: So ist es. Und der deutsche Steuerzahler und Sparer sind die ganz großen Verlierer. Womit wir wieder bei Sinn und Zweck der von den Großkonzernen gekaperten EU + Euro wären.
GS
7. Oktober 2016 @ 21:33
Nunja, negative Zinsen haben mittlerweile fast alle. Da ragt Deutschland kaum heraus. Auf längere Frist wird uns das (und anderen) auch auf die Füße fallen. Denn irgendwann werden die Zinsen eben auch mal wieder steigen. Dann heißt es, fleißig zu konsolidieren, was auch Deutschland de facto gerade gar nicht macht, sondern sogar munter Kohle in Staatskonsum verballert (Rente, Flüchtlinge etc.) statt zu investieren. Wenn man die Zinsersparnis zu Investitionen nutzen würde, würde ich nicht meckern.
Teile der deutschen Exportindustrie hat durch den Euro Vorteile, weil die anderen Staaten nicht mehr abwerten können. Das war es auch schon. Den Preis zahlen wir aber in Form massiven Kapitalexports, einer schwächeren Währung etc. Und nicht vergessen: Den gewaltigen Kapitalkostenvorteil von Staat und Unternehmen aus der Prä-Maastricht-Zeit haben wir komplett verloren, m.E. einer der zentralen Gründe für das deutsche Siechtum 1995-2005. ebo, such Dir mal die Grafiken für die Zinskonvergenz seit Maastricht raus. Da wird schnell erkennbar, welch gewaltigen Vorteil die Deutschen aus politischen Gründen abgegeben haben. Der Vorteil ist nun aber nicht Gottes Fügung gewesen, sondern das Ergebnis vergleichsweise guter Wirtschaftspolitik nach 1949. Es ist schon mindestens unredlich, womöglich sogar dreist, heute über die bösen Deutschen zu fabulieren ohne gleichzeitig zu berücksichtigen, was hier aufgegeben wurde. Das ist ein Geschenk der Deutschen an die Euroländer, nichts anderes.
Für mich ist die Eurozone dysfunktional und ich plädiere daher auch für Verkleinerung oder Auflösung, aber die Wirtschaftspolitik an denjenigen Ländern auszurichten, die schon vor der Einführung des Euro nicht gerade zu den führenden Wirtschaftsmächten gehörten, das ist, gelinde gesagt, abenteuerlich. Für die Amerikaner mag das strategisch Sinn machen, weil man damit einen Wettbewerber schwächen kann.