Rutte hinterlässt einen Scherbenhaufen
Der niederländische Premier Rutte ist zurückgetreten. Der Zeitpunkt ist denkbar schlecht gewählt: Der liberale Politiker hinterlässt einen Scherbenhaufen – nicht nur in seinem Land.
Für Angela Merkel und Olaf Scholz war Marc Rutte der Beste und Liebste. Er hat die Niederlande ganz eng an Deutschland angebunden und Gegenpositionen zu Frankreich und zu Südeuropa aufgebaut.
Dadurch konnte Berlin “über Bande” spielen – mal mit Paris, mal mit Den Haag. Nur einmal, im Streit um den schuldenfinanzierten Corona-Aufbaufonds, wäre das fast in die Hose gegangen.
Rutte und seine “frugal friends” wollten den deutsch-französischen Rettungsplan zu Fall bringen, da musste sogar “Mutti” schimpfen. Am Ende hat der Niederländer sich noch ein paar “Goodies” gesichert – und zugestimmt.
Dass er nun abdankt, ist für Berlin ein großer Verlust. Etwas anders sieht das für Brüssel und Den Haag aus. In seiner Heimat und in der EU hinterlässt Rutte einen Scherbenhaufen.
Hoffnungslos zerstritten
In den Niederlanden gibt es nun keine Regierungsmehrheit mehr. Ruttes alte Koalition hat sich hoffnungslos über die Asylpolitik zerstritten. Seine rechtsliberale Partei VVD ist geschwächt und dürfte weiter nach rechts driften.
Das Land ist unregierbar geworden; die massiven Bauernproteste haben die politische Landschaft massiv verändert. Wie es nun weitergehen soll, ist unklar. Rutte weiß es selbst nicht – und zieht sich aus der Politik zurück.
Für die EU kommt die Krise zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Sie rutscht selbst immer tiefer in die Krise. Nicht nur die Asylpolitik wird zum Problem, auch der Green Deal wackelt – was nicht zuletzt an den Bauernprotesten in den Niederlanden liegt…
Und das angeblich rettende EU-Budget, das Rutte und Merkel 2020 gerade noch so hingekriegt haben, ist schon jetzt hoffnungslos überlastet. Dabei sollte es bis 2027 reichen. Nun müssen wohl sogar Kriegs-Anleihen für die Ukraine aufgenommen werden…
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Kleopatra
12. Juli 2023 @ 19:27
@ebo: Ich sehe es auch so, dass Merkel zu den andren Staaten in der EU ein Verhältnis von Befehl und Gehorsam etablieren wollte, aber das hat ja eben nicht auf Dauer funktioniert. Aber selbst wenn man die Haltung z.B. der Niederlande nur so beschreibt, dass sie sich auf die Seite Deutschlands stellen (oder gerade nicht), bleibt die Frage, welche Gründe sie dafür haben.
Art Vanderley
12. Juli 2023 @ 19:14
@KK
Gebe Ihnen da völlig recht, die (oft legale) Plünderung des Landes geschieht genauso durch „deutsche Clans“, und naturgemäß viel effektiver.
Menschen die dort wohnen (müssen), wo sich die arabischen Parallelgesellschaften breit gemacht haben, nützt das allerdings wenig.
Außerdem werden die deutschen „Plünderer“ thematisiert von links, im Gegensatz zu den kriminellen Clans arabischer Herkunft, bei denen man, sehr zurückhaltend formuliert, die Linken, und mehr noch Grüne, Liberale und Konservative, geradezu tragen muß dazu, auch mal nur ein halbes Auge zu öffnen, und das auch nur wegen des Drucks von rechts.
Die Innenministerin scheint mir allerdings weniger verbohrt zu sein, eine interessante Entwicklung, die wir bisher auch von Rechtspopulisten kennen- an der Regierung muß pragmatisch gehandelt werden und Ideologie verliert an Boden.
„Die Bekämpfung des Islamismus ist ein demokratisches, ein liberales, und im Zweifel auch ein linkes Projekt.“ (Von einem Bremer Journalisten, dessen Namen ich leider nicht mehr weiß)
Fabian Schulze
12. Juli 2023 @ 11:35
Hallo! Manchmal wünsche ich mir mehr solcher Artikel. Vielen Dank. Grüße
Kleopatra
12. Juli 2023 @ 11:20
Ich würde empfehlen, zur Abwechslung mal die Regierungen der anderen EU-Mitgliedstaaten nicht nur als Funktion der politischen Ziele Deutschlands zu sehen, sondern sie als Subjekte, die unabhängig von deutschen Wünschen ihre eigenen politischen Ziele haben und vertreten, ernstzunehmen. Andernfalls klingen solche Artikel unfreiwillig ähnlich wie Äußerungen aus Moskau zur Haltung der ukrainischen Regierung …
ebo
12. Juli 2023 @ 11:28
Sorry, aber es gehört zum kleinen Einmaleins der Europapolitik, dass viele EU-Staaten dem größten Land folgen – und das ist nunmal Deutschland. Die Niederlande sind ein eklatanter Fall, das gesamte Heer ist ja sogar der Bundeswehr unterstellt!. Aber auch Belgien folgt Deutschland, wo immer es geht. Interessant ist der Fall Ungarn, das immer an den Lippen der Kanzlerin hing, dann aber irgendwann abgefallen ist und nun fast schon einen Paria-Status hat…
KK
11. Juli 2023 @ 23:05
@ Art Vanderley:
„Siehe arabische Clans.“
Ich nehme tatsächlich mehr von den deutschen Clans wahr, die Milliarden über Milliarden anhäufen konnten, während in diesem (noch) reichen Land das Geld für Millionen in Armut lebender Kinder (Kindergrundsicherung) fehlt. Hauptsächlich deshalb, weil deren in die Politik verlängerten Arme nicht von deren oftmals unanständigem Reichtum ein Stückchen wegzunehmen bereit sind. Und damit meine ich keineswegs nur die Partei Für Den Profit!
Art Vanderley
11. Juli 2023 @ 21:30
Treffende Analyse.
Das zeruttete Holand ist auch ein Beispiel dafür, daß es einen fließenden Übergang gibt von einer neoliberalen zu einer kriminalisierten Gesellschaft.
Journalisten, die sich fürchten vor der organisierten Kriminalität, und gerne auch mal abgeknallt werden, ohne entschlossenes Gegensteuern des Staates, amerikanische Verhältnisse in diesem so sympathischen Land, und der Feigling, ders verursacht hat, verp…t sich natürlich.
Siehe auch bei uns die kriminelle Autoindustrie, ebenfalls gebuttert von Politik und Justiz. Siehe arabische Clans.
Siehe Griechenland, Mexico, Russland, Ungarn….
european
11. Juli 2023 @ 13:15
Es wundert nicht. Rutte ist in den Niederlanden sehr begeistert auf den Niedriglohn-Zug aufgesprungen, um durch Exportueberschuesse seinen Haushalt zu sanieren. Meines Wissens nach haben die Niederlande Exportweltmeister Deutschland per capita im Ergebnis sogar uebertroffen. Der deutliche Rechtsdrall kommt ja nicht von ungefaehr. Deshalb auch die Reduktion von auslaendischen Studenten durch Reduzierung der englischsprachigen Studiengaenge. Nach dem Brexit haben die NL dadurch deutlich profitiert und Studenten aus dem Ausland angezogen. Aber selbst den mehrsprachigen Niederlaendern wurde das zuviel.
Zum EU – Budget verweise ich auf Michael Lueders’ neues Buch “Moral ueber Alles?”, worin er auch auf das seltsame Finanzgebaren der EU eingeht. Er schreibt, dass die EU im ersten Kriegsjar 67 Milliarden an die Ukraine ausbezahlt hat. Geschenkt, ohne Finanzierungsnachweise. Einfach so. Im gleichen Zeitraum hat die US-Administration der Ukraine 68 Milliarden zur Verfuegung gestellt, auf lend-lease Basis, also rueckzahlbar. Diese Rueckzahlungen haben bereits begonnen, weshalb die US-Administration nun die EU unter Druck setzt, endlich weitere Tranchen auszubezahlen, weil davon die US Darlehn zurueckbezahlt werden. Der Eu-Topf, der ja mal fuer 7 Jahre ausgelegt war, also bis 2027, ist jetzt bereits leer.
Ich hab keine Fragen mehr.