Rentenreform: “Macron will die Finanzmärkte beruhigen”
Frankreichs Staatschef Macron macht einen neuen Anlauf für seine umstrittene Rentenreform. Um die Ablehnungs-Front zu brechen, setzt er auf ein zwiespältiges Argument: Es gelte, die Sorge Finanzmärkte zu beruhigen.
Das Rentenalter soll von derzeit 62 auf 64 Jahre steigen. Im Gegenzug will Premierministerin Borne die Mindestpension auf 1200 Euro erhöhen; aufreibende Jobs sollen zusätzlich begünstigt werden. Die Details werden erst am Abend bekanntgegeben.
Klar ist jedoch schon jetzt: Die Mehrheit der Franzosen ist dagegen. Nur die konservativen Républicains wollen mitziehen. Macrons rechtsliberale Partei Renaissance könnte damit mit Müh und Not eine Parlamentsmehrheit für die Reform zusammenbringen.
Linke, Grüne, Sozialisten und Nationalisten lehnen die Reform ab – genau wie die Gewerkschaften. Sogar die gemäßigte CFDT hat Widerstand angekündigt. Laut Umfragen sind 68 Prozent der Franzosen gegen die Reform – sie könnte Macron das Genick brechen.
Schließlich ist die Stimmung in Frankreich jetzt schon explosiv. Bei den Wahlen 2022 hat Macron die absolute Mehrheit verloren. Wenn es dumm läuft, droht ihm bzw. seiner Premierministerin dasselbe Schicksal wie Alain Juppé in den 90ern – er mußte abtreten.
Kurz vor dem Showdown zog Macron einen Trumpf aus dem Ärmel: die steigenden Zinsen und die Unruhe an den Finanzmärkten. Zuletzt mußte Frankreich wieder mehr als drei Prozent Zinsen für neue Schulden zahlen, die EZB und ihre Zinspolitik lässt grüßen.
Dies verteuert den Schuldendienst. Laut “Le Monde” ist er um 13 Mrd. Euro teurer geworden, mehr als das gesamte Justizbudget. Die Staatsverschuldung dürfte bald über 3000 Mrd. Euro betragen – ein trauriger Rekord, der auch die EU berunruhigt.
Nun gelte es, die Finanzmärkte zu beruhigen, heißt das Motto in Paris. Das ist ein zwiespältiges Argument: Sollen die Franzosen später in Rente gehen, um die Anleger zu erfreuen? Wieso war für Corona und Krieg das Geld da, aber nicht für die Renten?
Und wieso macht die Europäische Zentralbank eine Zinspolitik gegen die “kleinen Leute”? Zuletzt hat EZB-Chefin Lagarde, eine Französin, noch höhere Zinsen gefordert und vor Lohnerhöhungen gewarnt. Damit macht man sich in Frankreich alles andere als beliebt…
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european
11. Januar 2023 @ 08:38
Die Zinspolitik der EZB ist falsch und wird auch nicht richtiger wenn man sie noch verschärft. Sie ändert nichts an der aktuellen Preisbildung bestimmter Waren und der Energieversorgung.
Dass Lagarde vor Lohnerhöhungen warnt, sollte nicht wundern, weil dann tatsächlich eine Inflation im Sinne einer Lohn-Preis-Spirale eintreten könnte, wenn die Lohnforderungen die Preissteigerungen übertreffen sollten.
KK
11. Januar 2023 @ 01:58
„Und wieso macht die Europäische Zentralbank eine Zinspolitik gegen die “kleinen Leute”?“
Weil es nur noch um die grossen Investoren geht. Die Bürger, so sie nicht zu den Reichsten 10% gehörfen, sind der olitik inzwischen völlig egal. Das sieht man ja auch in Deutschland daran, dass die Hilfen mit der Giesskanne auch an die gehen, die sie gar nicht brauchen, sondern im Gegenteil mit höheren Steuern zur Linderung der ganzen Krisen beitragen könnten.
Aber da wacht ja die FDP und Finanzminister Lindner drüber wie Kerberos über den Eingang zur Unterwelt, indem er dort keinen Lebenden rein- und keinen Toten raus lässt – bei der FDP heisst das analog: damit kein Reicher ärmer und bloss kein Armer reicher wird. Denn von letzteren holt sich der Staat das bisschen Hilfen doch allein mit der Umsatzsteuer sowieso alles direkt wieder zurück.